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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Religion und Menschenliebe waren ihm fremde
Namen, bei denen er ein lautes Hohngelächter
aufschlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge-
fallen an der Marter unschuldiger Thiere gefun-
den, hatte seine Freude, wenn er seine Neben-
menschen berükken, und in Elend und Jammer
stürzen konnte -- Er sah sich als den Herrn der
Schöpfung, und die andere Klasse von Menschen
als Sklaven an; sein tirannisches Betragen ge-
gen seine Untergebene überschritt alles, was man
von einem Wesen sich vorstellen konnte, das den
Namen Mensch führt. Er schändete den Rock
seines Fürsten, indem er Handlungen ver-
übte, die ausser dem Gebiet der Menschheit sind,
täglich wälzte er sich im Schlamm der Lüste und
der Völlerei, kurz, er verhunzte Gottes schönes
Bild durch ein ganzes Gewebe von Abscheulich-
keit und Schande. Seldau wurde das tägliche
Opfer seiner Unmenschheit; die eifrige Beobach-
tung seiner Pflichten folterte den Unmenschen,
daß er keine Gelegenheit fand, seine Wut in
ihrer ganzen Stärke an ihm auszulassen; er
nahm daher immer zu Erdichtungen und Lügen
seine Zuflucht -- Seldau durfte sich nicht ver-

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Religion und Menſchenliebe waren ihm fremde
Namen, bei denen er ein lautes Hohngelaͤchter
aufſchlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge-
fallen an der Marter unſchuldiger Thiere gefun-
den, hatte ſeine Freude, wenn er ſeine Neben-
menſchen beruͤkken, und in Elend und Jammer
ſtuͤrzen konnte — Er ſah ſich als den Herrn der
Schoͤpfung, und die andere Klaſſe von Menſchen
als Sklaven an; ſein tiranniſches Betragen ge-
gen ſeine Untergebene uͤberſchritt alles, was man
von einem Weſen ſich vorſtellen konnte, das den
Namen Menſch fuͤhrt. Er ſchaͤndete den Rock
ſeines Fuͤrſten, indem er Handlungen ver-
uͤbte, die auſſer dem Gebiet der Menſchheit ſind,
taͤglich waͤlzte er ſich im Schlamm der Luͤſte und
der Voͤllerei, kurz, er verhunzte Gottes ſchoͤnes
Bild durch ein ganzes Gewebe von Abſcheulich-
keit und Schande. Seldau wurde das taͤgliche
Opfer ſeiner Unmenſchheit; die eifrige Beobach-
tung ſeiner Pflichten folterte den Unmenſchen,
daß er keine Gelegenheit fand, ſeine Wut in
ihrer ganzen Staͤrke an ihm auszulaſſen; er
nahm daher immer zu Erdichtungen und Luͤgen
ſeine Zuflucht — Seldau durfte ſich nicht ver-

C 4
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[39/0047] Religion und Menſchenliebe waren ihm fremde Namen, bei denen er ein lautes Hohngelaͤchter aufſchlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge- fallen an der Marter unſchuldiger Thiere gefun- den, hatte ſeine Freude, wenn er ſeine Neben- menſchen beruͤkken, und in Elend und Jammer ſtuͤrzen konnte — Er ſah ſich als den Herrn der Schoͤpfung, und die andere Klaſſe von Menſchen als Sklaven an; ſein tiranniſches Betragen ge- gen ſeine Untergebene uͤberſchritt alles, was man von einem Weſen ſich vorſtellen konnte, das den Namen Menſch fuͤhrt. Er ſchaͤndete den Rock ſeines Fuͤrſten, indem er Handlungen ver- uͤbte, die auſſer dem Gebiet der Menſchheit ſind, taͤglich waͤlzte er ſich im Schlamm der Luͤſte und der Voͤllerei, kurz, er verhunzte Gottes ſchoͤnes Bild durch ein ganzes Gewebe von Abſcheulich- keit und Schande. Seldau wurde das taͤgliche Opfer ſeiner Unmenſchheit; die eifrige Beobach- tung ſeiner Pflichten folterte den Unmenſchen, daß er keine Gelegenheit fand, ſeine Wut in ihrer ganzen Staͤrke an ihm auszulaſſen; er nahm daher immer zu Erdichtungen und Luͤgen ſeine Zuflucht — Seldau durfte ſich nicht ver- C 4

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/47>, abgerufen am 29.03.2024.