Religion und Menschenliebe waren ihm fremde Namen, bei denen er ein lautes Hohngelächter aufschlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge- fallen an der Marter unschuldiger Thiere gefun- den, hatte seine Freude, wenn er seine Neben- menschen berükken, und in Elend und Jammer stürzen konnte -- Er sah sich als den Herrn der Schöpfung, und die andere Klasse von Menschen als Sklaven an; sein tirannisches Betragen ge- gen seine Untergebene überschritt alles, was man von einem Wesen sich vorstellen konnte, das den Namen Mensch führt. Er schändete den Rock seines Fürsten, indem er Handlungen ver- übte, die ausser dem Gebiet der Menschheit sind, täglich wälzte er sich im Schlamm der Lüste und der Völlerei, kurz, er verhunzte Gottes schönes Bild durch ein ganzes Gewebe von Abscheulich- keit und Schande. Seldau wurde das tägliche Opfer seiner Unmenschheit; die eifrige Beobach- tung seiner Pflichten folterte den Unmenschen, daß er keine Gelegenheit fand, seine Wut in ihrer ganzen Stärke an ihm auszulassen; er nahm daher immer zu Erdichtungen und Lügen seine Zuflucht -- Seldau durfte sich nicht ver-
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Religion und Menſchenliebe waren ihm fremde Namen, bei denen er ein lautes Hohngelaͤchter aufſchlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge- fallen an der Marter unſchuldiger Thiere gefun- den, hatte ſeine Freude, wenn er ſeine Neben- menſchen beruͤkken, und in Elend und Jammer ſtuͤrzen konnte — Er ſah ſich als den Herrn der Schoͤpfung, und die andere Klaſſe von Menſchen als Sklaven an; ſein tiranniſches Betragen ge- gen ſeine Untergebene uͤberſchritt alles, was man von einem Weſen ſich vorſtellen konnte, das den Namen Menſch fuͤhrt. Er ſchaͤndete den Rock ſeines Fuͤrſten, indem er Handlungen ver- uͤbte, die auſſer dem Gebiet der Menſchheit ſind, taͤglich waͤlzte er ſich im Schlamm der Luͤſte und der Voͤllerei, kurz, er verhunzte Gottes ſchoͤnes Bild durch ein ganzes Gewebe von Abſcheulich- keit und Schande. Seldau wurde das taͤgliche Opfer ſeiner Unmenſchheit; die eifrige Beobach- tung ſeiner Pflichten folterte den Unmenſchen, daß er keine Gelegenheit fand, ſeine Wut in ihrer ganzen Staͤrke an ihm auszulaſſen; er nahm daher immer zu Erdichtungen und Luͤgen ſeine Zuflucht — Seldau durfte ſich nicht ver-
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Religion und Menſchenliebe waren ihm fremde
Namen, bei denen er ein lautes Hohngelaͤchter
aufſchlug. Jn der Jugend hatte er ein Wolge-
fallen an der Marter unſchuldiger Thiere gefun-
den, hatte ſeine Freude, wenn er ſeine Neben-
menſchen beruͤkken, und in Elend und Jammer
ſtuͤrzen konnte — Er ſah ſich als den Herrn der
Schoͤpfung, und die andere Klaſſe von Menſchen
als Sklaven an; ſein tiranniſches Betragen ge-
gen ſeine Untergebene uͤberſchritt alles, was man
von einem Weſen ſich vorſtellen konnte, das den
Namen Menſch fuͤhrt. Er ſchaͤndete den Rock
ſeines Fuͤrſten, indem er Handlungen ver-
uͤbte, die auſſer dem Gebiet der Menſchheit ſind,
taͤglich waͤlzte er ſich im Schlamm der Luͤſte und
der Voͤllerei, kurz, er verhunzte Gottes ſchoͤnes
Bild durch ein ganzes Gewebe von Abſcheulich-
keit und Schande. Seldau wurde das taͤgliche
Opfer ſeiner Unmenſchheit; die eifrige Beobach-
tung ſeiner Pflichten folterte den Unmenſchen,
daß er keine Gelegenheit fand, ſeine Wut in
ihrer ganzen Staͤrke an ihm auszulaſſen; er
nahm daher immer zu Erdichtungen und Luͤgen
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/47>, abgerufen am 23.11.2024.
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