nun so weine, verlassenes, unterdrüktes Volk, verbirg dich in deine armselige Hütte, laß Ungerechtigkeit und Bedrükkung auf dich los- stürmen, und denke: daß ein Gott Vergelter sei -- -- O, wie treffend und wahr ist die Stelle wo Woldemar einen solchen Rechtsge- lehrten schildert, der nichts weiß als dies allein -- sie ist zu schön, als daß ich der Versuchung unterliegen könnte, sie hier meinen Lesern mitzuteilen.
"Sieh, sagt Woldemar zu seinem Freund Dorenburg, es ist nichts, was dem Men- schen alles Menschliche so auszieht, Ge- fühl und Verstand so ganz in ihm ertödet -- -- als die isolirte Rechtswissenschaft, und ich schwöre dir, mehr, als elende, sinn- lose, juristische Schulfüchserei ist hier nicht in den Leuten; sie haben dir, Gott weiß! doch nicht die mindeste Einsicht in Staats- verwaltung: nicht einen Funken wahre Philosophie, nicht ein Scherflein ächten Wizzes, Kenntniß der Welt, der Ge- schichte -- Litteratur! Kein Auge voll -- nichts, nichts! -- die blosse, platte, leere Juristerei -- Und was sich die
nun ſo weine, verlaſſenes, unterdruͤktes Volk, verbirg dich in deine armſelige Huͤtte, laß Ungerechtigkeit und Bedruͤkkung auf dich los- ſtuͤrmen, und denke: daß ein Gott Vergelter ſei — — O, wie treffend und wahr iſt die Stelle wo Woldemar einen ſolchen Rechtsge- lehrten ſchildert, der nichts weiß als dies allein — ſie iſt zu ſchoͤn, als daß ich der Verſuchung unterliegen koͤnnte, ſie hier meinen Leſern mitzuteilen.
„Sieh, ſagt Woldemar zu ſeinem Freund Dorenburg, es iſt nichts, was dem Men- ſchen alles Menſchliche ſo auszieht, Ge- fuͤhl und Verſtand ſo ganz in ihm ertoͤdet — — als die iſolirte Rechtswiſſenſchaft, und ich ſchwoͤre dir, mehr, als elende, ſinn- loſe, juriſtiſche Schulfuͤchſerei iſt hier nicht in den Leuten; ſie haben dir, Gott weiß! doch nicht die mindeſte Einſicht in Staats- verwaltung: nicht einen Funken wahre Philoſophie, nicht ein Scherflein aͤchten Wizzes, Kenntniß der Welt, der Ge- ſchichte — Litteratur! Kein Auge voll — nichts, nichts! — die bloſſe, platte, leere Juriſterei — Und was ſich die
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nun ſo weine, verlaſſenes, unterdruͤktes
Volk, verbirg dich in deine armſelige Huͤtte,
laß Ungerechtigkeit und Bedruͤkkung auf dich los-
ſtuͤrmen, und denke: daß ein Gott Vergelter
ſei — — O, wie treffend und wahr iſt die
Stelle wo Woldemar einen ſolchen Rechtsge-
lehrten ſchildert, der nichts weiß als dies allein
— ſie iſt zu ſchoͤn, als daß ich der Verſuchung
unterliegen koͤnnte, ſie hier meinen Leſern
mitzuteilen.
„Sieh, ſagt Woldemar zu ſeinem Freund
Dorenburg, es iſt nichts, was dem Men-
ſchen alles Menſchliche ſo auszieht, Ge-
fuͤhl und Verſtand ſo ganz in ihm ertoͤdet
— — als die iſolirte Rechtswiſſenſchaft,
und ich ſchwoͤre dir, mehr, als elende, ſinn-
loſe, juriſtiſche Schulfuͤchſerei iſt hier nicht
in den Leuten; ſie haben dir, Gott weiß!
doch nicht die mindeſte Einſicht in Staats-
verwaltung: nicht einen Funken wahre
Philoſophie, nicht ein Scherflein aͤchten
Wizzes, Kenntniß der Welt, der Ge-
ſchichte — Litteratur! Kein Auge voll
— nichts, nichts! — die bloſſe, platte,
leere Juriſterei — Und was ſich die
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/37>, abgerufen am 05.07.2024.
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