Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschöpf denken, als einen Rechtsgelehrten,
der nur seine Pandekten und Kodex versteht, im
übrigen aber nichts ausser und neben sich kennt.
Wird er Richter, wehe dann dem Volk, dessen
Rechte er vertheidigen und führen soll! der arg-
listige Mann wird über seinen schwachen Kopf
siegen, und seiner ungerechten Sache den Anstrich
der Warheit geben; der andere, der seine Sache
plan darstelt, wie sie ist, und keine Farben hat,
sie zu erheben, wird das grösseste Recht durch
die Unwissenheit des Richters verlieren, und sich
durch eben die Gesezze um sein Eigentum ge-
bracht sehen, die es ihm sichern sollten. Wird
er gar ein peinlicher Richter, wehe euch ihr
Geschöpfe, die man vor seinen Richterstul, als
Verbrecher schlept! Er hat nie einen Blik auf
den Menschen gethan, er kennt keine seiner
Handlungen, seiner Triebe, mißt eine jede
That nach ihrem äussern Schein, und ihre Be-
strafung nach der dunkeln Halsgerichtsordnung
Karls V. ab, und so fällt er Urteile, die so
barbarisch als kränkend für die Menschheit sind.
Nimmt er überdies Geschenke, und sieht die
Person an die er richten soll, ob sie einen vor-
nehmen Stand, Einfluß und Vermögen hat,

Geſchoͤpf denken, als einen Rechtsgelehrten,
der nur ſeine Pandekten und Kodex verſteht, im
uͤbrigen aber nichts auſſer und neben ſich kennt.
Wird er Richter, wehe dann dem Volk, deſſen
Rechte er vertheidigen und fuͤhren ſoll! der arg-
liſtige Mann wird uͤber ſeinen ſchwachen Kopf
ſiegen, und ſeiner ungerechten Sache den Anſtrich
der Warheit geben; der andere, der ſeine Sache
plan darſtelt, wie ſie iſt, und keine Farben hat,
ſie zu erheben, wird das groͤſſeſte Recht durch
die Unwiſſenheit des Richters verlieren, und ſich
durch eben die Geſezze um ſein Eigentum ge-
bracht ſehen, die es ihm ſichern ſollten. Wird
er gar ein peinlicher Richter, wehe euch ihr
Geſchoͤpfe, die man vor ſeinen Richterſtul, als
Verbrecher ſchlept! Er hat nie einen Blik auf
den Menſchen gethan, er kennt keine ſeiner
Handlungen, ſeiner Triebe, mißt eine jede
That nach ihrem aͤuſſern Schein, und ihre Be-
ſtrafung nach der dunkeln Halsgerichtsordnung
Karls V. ab, und ſo faͤllt er Urteile, die ſo
barbariſch als kraͤnkend fuͤr die Menſchheit ſind.
Nimmt er uͤberdies Geſchenke, und ſieht die
Perſon an die er richten ſoll, ob ſie einen vor-
nehmen Stand, Einfluß und Vermoͤgen hat,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="28"/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pf denken, als einen <hi rendition="#fr">Rechtsgelehrten,</hi><lb/>
der nur &#x017F;eine Pandekten und Kodex ver&#x017F;teht, im<lb/>
u&#x0364;brigen aber nichts au&#x017F;&#x017F;er und neben &#x017F;ich kennt.<lb/>
Wird er <hi rendition="#fr">Richter,</hi> wehe dann dem Volk, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Rechte er vertheidigen und fu&#x0364;hren &#x017F;oll! der arg-<lb/>
li&#x017F;tige Mann wird u&#x0364;ber &#x017F;einen &#x017F;chwachen Kopf<lb/>
&#x017F;iegen, und &#x017F;einer ungerechten Sache den An&#x017F;trich<lb/>
der Warheit geben; der andere, der &#x017F;eine Sache<lb/>
plan dar&#x017F;telt, wie &#x017F;ie i&#x017F;t, und keine Farben hat,<lb/>
&#x017F;ie zu erheben, wird das gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Recht durch<lb/>
die Unwi&#x017F;&#x017F;enheit des Richters verlieren, und &#x017F;ich<lb/>
durch eben die Ge&#x017F;ezze um &#x017F;ein Eigentum ge-<lb/>
bracht &#x017F;ehen, die es ihm &#x017F;ichern &#x017F;ollten. Wird<lb/>
er gar ein <hi rendition="#fr">peinlicher Richter,</hi> wehe euch ihr<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, die man vor &#x017F;einen Richter&#x017F;tul, als<lb/>
Verbrecher &#x017F;chlept! Er hat nie einen Blik auf<lb/>
den Men&#x017F;chen gethan, er kennt keine &#x017F;einer<lb/>
Handlungen, &#x017F;einer Triebe, mißt eine jede<lb/>
That nach ihrem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Schein, und ihre Be-<lb/>
&#x017F;trafung nach der dunkeln Halsgerichtsordnung<lb/><hi rendition="#fr">Karls</hi> <hi rendition="#aq">V.</hi> ab, und &#x017F;o fa&#x0364;llt er Urteile, die &#x017F;o<lb/>
barbari&#x017F;ch als kra&#x0364;nkend fu&#x0364;r die Men&#x017F;chheit &#x017F;ind.<lb/>
Nimmt er u&#x0364;berdies Ge&#x017F;chenke, und &#x017F;ieht die<lb/>
Per&#x017F;on an die er richten &#x017F;oll, ob &#x017F;ie einen vor-<lb/>
nehmen Stand, Einfluß und Vermo&#x0364;gen hat,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0036] Geſchoͤpf denken, als einen Rechtsgelehrten, der nur ſeine Pandekten und Kodex verſteht, im uͤbrigen aber nichts auſſer und neben ſich kennt. Wird er Richter, wehe dann dem Volk, deſſen Rechte er vertheidigen und fuͤhren ſoll! der arg- liſtige Mann wird uͤber ſeinen ſchwachen Kopf ſiegen, und ſeiner ungerechten Sache den Anſtrich der Warheit geben; der andere, der ſeine Sache plan darſtelt, wie ſie iſt, und keine Farben hat, ſie zu erheben, wird das groͤſſeſte Recht durch die Unwiſſenheit des Richters verlieren, und ſich durch eben die Geſezze um ſein Eigentum ge- bracht ſehen, die es ihm ſichern ſollten. Wird er gar ein peinlicher Richter, wehe euch ihr Geſchoͤpfe, die man vor ſeinen Richterſtul, als Verbrecher ſchlept! Er hat nie einen Blik auf den Menſchen gethan, er kennt keine ſeiner Handlungen, ſeiner Triebe, mißt eine jede That nach ihrem aͤuſſern Schein, und ihre Be- ſtrafung nach der dunkeln Halsgerichtsordnung Karls V. ab, und ſo faͤllt er Urteile, die ſo barbariſch als kraͤnkend fuͤr die Menſchheit ſind. Nimmt er uͤberdies Geſchenke, und ſieht die Perſon an die er richten ſoll, ob ſie einen vor- nehmen Stand, Einfluß und Vermoͤgen hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/36
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/36>, abgerufen am 25.11.2024.