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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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den Schritte geleiten, lasset uns das erkaltete
Vertrauen an die Menschen in seiner Seele wie-
der erwekken, und ihm vor seiner Entkörperung
noch die Freude gewähren, die aus dem Bewust-
sein entspringt, daß Gott der Vater unser
aller ist,
der nach einer langen Dürre die ver-
schlossenen Wolken öffnet, und Segen herab-
strömen läßt, der nach verseufzten trüben Tagen
die Sonne wieder hervor ruft, und die lange
grönländische Nacht durch einen milden Stral
seines Lichts erhellet. Lasset uns daher nie,
auch bei den trübsten Aussichten unsers Lebens,
an seiner Fürsorge verzweifeln, laßt uns alle
Anfälle des Schiksals, getäuschte Hoffnungen,
betrogene Wünsche, ohne Murren ertragen, und
nie mit der Vorsehung rechten wollen, wenn wir
den Nichtswürdigen überschüttet mit allen Gü-
tern dieses Lebens, und manche schöne Seele im
härnenen Gewande des Bettlers entdekken. Einst
wird uns die Hülle entrissen werden, die hier un-
sere Augen verfinsterte; was uns hier dunkel
war, wird uns Licht, und was unerforschlich,
helle und klar werden. Unser Geist, dessen
Wissen nur auf einen kleinen Bezirk dieser Erde be-
schränkt war, wird hohe Banen, Banen der Ewig-

den Schritte geleiten, laſſet uns das erkaltete
Vertrauen an die Menſchen in ſeiner Seele wie-
der erwekken, und ihm vor ſeiner Entkoͤrperung
noch die Freude gewaͤhren, die aus dem Bewuſt-
ſein entſpringt, daß Gott der Vater unſer
aller iſt,
der nach einer langen Duͤrre die ver-
ſchloſſenen Wolken oͤffnet, und Segen herab-
ſtroͤmen laͤßt, der nach verſeufzten truͤben Tagen
die Sonne wieder hervor ruft, und die lange
groͤnlaͤndiſche Nacht durch einen milden Stral
ſeines Lichts erhellet. Laſſet uns daher nie,
auch bei den truͤbſten Ausſichten unſers Lebens,
an ſeiner Fuͤrſorge verzweifeln, laßt uns alle
Anfaͤlle des Schikſals, getaͤuſchte Hoffnungen,
betrogene Wuͤnſche, ohne Murren ertragen, und
nie mit der Vorſehung rechten wollen, wenn wir
den Nichtswuͤrdigen uͤberſchuͤttet mit allen Guͤ-
tern dieſes Lebens, und manche ſchoͤne Seele im
haͤrnenen Gewande des Bettlers entdekken. Einſt
wird uns die Huͤlle entriſſen werden, die hier un-
ſere Augen verfinſterte; was uns hier dunkel
war, wird uns Licht, und was unerforſchlich,
helle und klar werden. Unſer Geiſt, deſſen
Wiſſen nur auf einen kleinen Bezirk dieſer Erde be-
ſchraͤnkt war, wird hohe Banen, Banen der Ewig-

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[290/0298] den Schritte geleiten, laſſet uns das erkaltete Vertrauen an die Menſchen in ſeiner Seele wie- der erwekken, und ihm vor ſeiner Entkoͤrperung noch die Freude gewaͤhren, die aus dem Bewuſt- ſein entſpringt, daß Gott der Vater unſer aller iſt, der nach einer langen Duͤrre die ver- ſchloſſenen Wolken oͤffnet, und Segen herab- ſtroͤmen laͤßt, der nach verſeufzten truͤben Tagen die Sonne wieder hervor ruft, und die lange groͤnlaͤndiſche Nacht durch einen milden Stral ſeines Lichts erhellet. Laſſet uns daher nie, auch bei den truͤbſten Ausſichten unſers Lebens, an ſeiner Fuͤrſorge verzweifeln, laßt uns alle Anfaͤlle des Schikſals, getaͤuſchte Hoffnungen, betrogene Wuͤnſche, ohne Murren ertragen, und nie mit der Vorſehung rechten wollen, wenn wir den Nichtswuͤrdigen uͤberſchuͤttet mit allen Guͤ- tern dieſes Lebens, und manche ſchoͤne Seele im haͤrnenen Gewande des Bettlers entdekken. Einſt wird uns die Huͤlle entriſſen werden, die hier un- ſere Augen verfinſterte; was uns hier dunkel war, wird uns Licht, und was unerforſchlich, helle und klar werden. Unſer Geiſt, deſſen Wiſſen nur auf einen kleinen Bezirk dieſer Erde be- ſchraͤnkt war, wird hohe Banen, Banen der Ewig-

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/298>, abgerufen am 21.05.2024.