Jch gelobte mir oft in einer glüklichen| Stunde, wo ich die leise Gegenwart eines höhern Geistes fühlte, fromm und rechtschaffen durchs Thal des Lebens zu wallen, Tränen von den Wangen der Bedrängten zu trokneu, Ruhe und Freude um mich her zu ver- breiten. -- Gewis es war ein heisses Gelübde, mein Herz hätte es gewis erfüllt, wenn eben dis Herz, dis glühende Herz, nicht die Klippe geworden wäre, an der alle meine guten Entschlüsse, Vorsäzze und Wirkungen scheitern müssen. Ja mein Herz! es war eine Zeit, wol eine selige Zeit! wo du mir alles warst, wo du mich am plätschernden Bach, am mur- melnden Quell, beim Gesange der Nachtigall, beim Blöken der muntern Heerde, beim Auf- und Nieder- gang der Sonne so glüklich machtest, daß, wenn ein Fürst gekommen wäre, und hätte eine Krone zu mei- nen Füssen gelegt, ich hätte sie verworfen und für nichts geachtet. Da war ich reich, die ganze Natur gehörte mir, und ich gehörte der ganzen Natur -- Sie war mir Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Alles. Und jezt alles so kalt, so tod, kein Fünkchen der Freude lodert für mich auf -- ach! sie gesellt sich nur zu den Glüklichen, und wallt unter Rosen- gefilden und Veilchenauen. Wann wird sie mir wie- der erscheinen in der Fülle der Jugend, und neues Leben in meine Adern strömen? Erscheine bald, glüklicher Augenblik! denn sonst versiegt der
Jch gelobte mir oft in einer gluͤklichen| Stunde, wo ich die leiſe Gegenwart eines hoͤhern Geiſtes fuͤhlte, fromm und rechtſchaffen durchs Thal des Lebens zu wallen, Traͤnen von den Wangen der Bedraͤngten zu trokneu, Ruhe und Freude um mich her zu ver- breiten. — Gewis es war ein heiſſes Geluͤbde, mein Herz haͤtte es gewis erfuͤllt, wenn eben dis Herz, dis gluͤhende Herz, nicht die Klippe geworden waͤre, an der alle meine guten Entſchluͤſſe, Vorſaͤzze und Wirkungen ſcheitern muͤſſen. Ja mein Herz! es war eine Zeit, wol eine ſelige Zeit! wo du mir alles warſt, wo du mich am plaͤtſchernden Bach, am mur- melnden Quell, beim Geſange der Nachtigall, beim Bloͤken der muntern Heerde, beim Auf- und Nieder- gang der Sonne ſo gluͤklich machteſt, daß, wenn ein Fuͤrſt gekommen waͤre, und haͤtte eine Krone zu mei- nen Fuͤſſen gelegt, ich haͤtte ſie verworfen und fuͤr nichts geachtet. Da war ich reich, die ganze Natur gehoͤrte mir, und ich gehoͤrte der ganzen Natur — Sie war mir Vater, Mutter, Bruder, Schweſter, Alles. Und jezt alles ſo kalt, ſo tod, kein Fuͤnkchen der Freude lodert fuͤr mich auf — ach! ſie geſellt ſich nur zu den Gluͤklichen, und wallt unter Roſen- gefilden und Veilchenauen. Wann wird ſie mir wie- der erſcheinen in der Fuͤlle der Jugend, und neues Leben in meine Adern ſtroͤmen? Erſcheine bald, gluͤklicher Augenblik! denn ſonſt verſiegt der
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Jch gelobte mir oft in einer gluͤklichen| Stunde, wo
ich die leiſe Gegenwart eines hoͤhern Geiſtes fuͤhlte,
fromm und rechtſchaffen durchs Thal des Lebens zu
wallen, Traͤnen von den Wangen der Bedraͤngten
zu trokneu, Ruhe und Freude um mich her zu ver-
breiten. — Gewis es war ein heiſſes Geluͤbde, mein
Herz haͤtte es gewis erfuͤllt, wenn eben dis Herz,
dis gluͤhende Herz, nicht die Klippe geworden waͤre,
an der alle meine guten Entſchluͤſſe, Vorſaͤzze und
Wirkungen ſcheitern muͤſſen. Ja mein Herz! es
war eine Zeit, wol eine ſelige Zeit! wo du mir alles
warſt, wo du mich am plaͤtſchernden Bach, am mur-
melnden Quell, beim Geſange der Nachtigall, beim
Bloͤken der muntern Heerde, beim Auf- und Nieder-
gang der Sonne ſo gluͤklich machteſt, daß, wenn ein
Fuͤrſt gekommen waͤre, und haͤtte eine Krone zu mei-
nen Fuͤſſen gelegt, ich haͤtte ſie verworfen und fuͤr nichts
geachtet. Da war ich reich, die ganze Natur gehoͤrte
mir, und ich gehoͤrte der ganzen Natur — Sie
war mir Vater, Mutter, Bruder, Schweſter,
Alles. Und jezt alles ſo kalt, ſo tod, kein Fuͤnkchen
der Freude lodert fuͤr mich auf — ach! ſie geſellt
ſich nur zu den Gluͤklichen, und wallt unter Roſen-
gefilden und Veilchenauen. Wann wird ſie mir wie-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/259>, abgerufen am 25.11.2024.
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