Alles so dumpf, so kalt, so tod vor meiner Seele, und ich habe Niemanden, dem ich meine Leiden klagen, meinen Busen öffnen, und sagen könnte, hier thuts wehe! Alles freut sich deiner Ankunft, holder Lenz! alles lebt und webt von der gütigen Mutter Natur geleitet. Da blühen Veilchen und Rosen, aber für mich keine, Dornen und Disteln beschatten meinen Pfad, und bange Schermut flicht den Kranz von Wermut für meine matten Schläfe. So sind sie dahin geflohn, die Tage der Ruhe und Zufriedenheit, wo alles hin eilt! und welcher Sterbliche kann sie mir zurükrufen, kann die Sonne meines Glüks aus der düstern Wolke hervor rufen, daß ich mich noch einmal an ihren alles erwärmen- den Stral lechzen könne? So sollte dann der Quell der heitern Freude für mich versiegt sein? und trübe düstere Wolken den Tag meines Lebens in schwarze Nacht hüllen? und das so früh, da ich noch nicht ausgelaufen bin zum Ziele, da ich erst Thaten ins Leben rufen wollte, die meine Schulden dereinst auf- wiegen sollten! Noch nichts hab ich geleistet, was des Nachruhms wehrt wäre, noch hab ich niemanden glüklich gemacht, aber sei du mein Zeuge, grosses All der Natur! welches Sehnen, welch' heisser Drang oft in meiner Brust aufwallte, dereinst zu bauen und zu wirken, zu meinem und anderer Glük!
Alles ſo dumpf, ſo kalt, ſo tod vor meiner Seele, und ich habe Niemanden, dem ich meine Leiden klagen, meinen Buſen oͤffnen, und ſagen koͤnnte, hier thuts wehe! Alles freut ſich deiner Ankunft, holder Lenz! alles lebt und webt von der guͤtigen Mutter Natur geleitet. Da bluͤhen Veilchen und Roſen, aber fuͤr mich keine, Dornen und Diſteln beſchatten meinen Pfad, und bange Schermut flicht den Kranz von Wermut fuͤr meine matten Schlaͤfe. So ſind ſie dahin geflohn, die Tage der Ruhe und Zufriedenheit, wo alles hin eilt! und welcher Sterbliche kann ſie mir zuruͤkrufen, kann die Sonne meines Gluͤks aus der duͤſtern Wolke hervor rufen, daß ich mich noch einmal an ihren alles erwaͤrmen- den Stral lechzen koͤnne? So ſollte dann der Quell der heitern Freude fuͤr mich verſiegt ſein? und truͤbe duͤſtere Wolken den Tag meines Lebens in ſchwarze Nacht huͤllen? und das ſo fruͤh, da ich noch nicht ausgelaufen bin zum Ziele, da ich erſt Thaten ins Leben rufen wollte, die meine Schulden dereinſt auf- wiegen ſollten! Noch nichts hab ich geleiſtet, was des Nachruhms wehrt waͤre, noch hab ich niemanden gluͤklich gemacht, aber ſei du mein Zeuge, groſſes All der Natur! welches Sehnen, welch’ heiſſer Drang oft in meiner Bruſt aufwallte, dereinſt zu bauen und zu wirken, zu meinem und anderer Gluͤk!
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Alles ſo dumpf, ſo kalt, ſo tod vor meiner Seele,
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Mutter Natur geleitet. Da bluͤhen Veilchen und
Roſen, aber fuͤr mich keine, Dornen und Diſteln
beſchatten meinen Pfad, und bange Schermut flicht
den Kranz von Wermut fuͤr meine matten Schlaͤfe.
So ſind ſie dahin geflohn, die Tage der Ruhe
und Zufriedenheit, wo alles hin eilt! und welcher
Sterbliche kann ſie mir zuruͤkrufen, kann die Sonne
meines Gluͤks aus der duͤſtern Wolke hervor rufen,
daß ich mich noch einmal an ihren alles erwaͤrmen-
den Stral lechzen koͤnne? So ſollte dann der Quell
der heitern Freude fuͤr mich verſiegt ſein? und truͤbe
duͤſtere Wolken den Tag meines Lebens in ſchwarze
Nacht huͤllen? und das ſo fruͤh, da ich noch nicht
ausgelaufen bin zum Ziele, da ich erſt Thaten ins
Leben rufen wollte, die meine Schulden dereinſt auf-
wiegen ſollten! Noch nichts hab ich geleiſtet, was
des Nachruhms wehrt waͤre, noch hab ich niemanden
gluͤklich gemacht, aber ſei du mein Zeuge, groſſes
All der Natur! welches Sehnen, welch’ heiſſer
Drang oft in meiner Bruſt aufwallte, dereinſt zu
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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