Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

der Vorwelt, mir grosse und edle Thaten entzif-
ferte, eben der Durst nach Warheit -- das
Ringen und Streben nach Licht und Recht --
alles war bei ihm in einem noch weit grössern
und überfliessendern Maasse. Jn ihm schlug ein
warmes Herz für Religion -- sein ganzes Le-
ben war eine Apologie der Tugend -- sein
ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe --
edler Leidenschaften. Seine Empfindun-
gen
waren glühend und stark, sie ergossen sich
gleich dem Strom, der im Früling sein Bette
verläßt, und über grüne Wiesen hinweg rau-
schet -- er hatte Thränen für das Elend, das über
uns alle ausgegossen ist, er suchte es zu mildern,
und Freude und Röthe auf blasse Wangen zurük
zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver-
siegende Quelle von Freude und Genus, er trank
aus ihr Fülle des Herzens, Freude sonder Maas;
die gütige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad
seines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der
Säugling an der Brust seiner Ernährerin. Er
sah das Purpurlicht des Tages im Osten herauf-
dämmern, sah die majestätische Sonne dem
Meer entsteigen, und mit ihr stieg sein Gebet
zum Thron des Allvaters -- er sah, wie sie sich

der Vorwelt, mir groſſe und edle Thaten entzif-
ferte, eben der Durſt nach Warheit — das
Ringen und Streben nach Licht und Recht —
alles war bei ihm in einem noch weit groͤſſern
und uͤberflieſſendern Maaſſe. Jn ihm ſchlug ein
warmes Herz fuͤr Religion — ſein ganzes Le-
ben war eine Apologie der Tugend — ſein
ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe —
edler Leidenſchaften. Seine Empfindun-
gen
waren gluͤhend und ſtark, ſie ergoſſen ſich
gleich dem Strom, der im Fruͤling ſein Bette
verlaͤßt, und uͤber gruͤne Wieſen hinweg rau-
ſchet — er hatte Thraͤnen fuͤr das Elend, das uͤber
uns alle ausgegoſſen iſt, er ſuchte es zu mildern,
und Freude und Roͤthe auf blaſſe Wangen zuruͤk
zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver-
ſiegende Quelle von Freude und Genus, er trank
aus ihr Fuͤlle des Herzens, Freude ſonder Maas;
die guͤtige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad
ſeines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der
Saͤugling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin. Er
ſah das Purpurlicht des Tages im Oſten herauf-
daͤmmern, ſah die majeſtaͤtiſche Sonne dem
Meer entſteigen, und mit ihr ſtieg ſein Gebet
zum Thron des Allvaters — er ſah, wie ſie ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="232"/>
der Vorwelt, mir gro&#x017F;&#x017F;e und edle Thaten entzif-<lb/>
ferte, eben der Dur&#x017F;t nach Warheit &#x2014; das<lb/>
Ringen und Streben nach Licht und Recht &#x2014;<lb/>
alles war bei ihm in einem noch weit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
und u&#x0364;berflie&#x017F;&#x017F;endern Maa&#x017F;&#x017F;e. Jn ihm &#x017F;chlug ein<lb/>
warmes Herz fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Religion</hi> &#x2014; &#x017F;ein ganzes Le-<lb/>
ben war eine <hi rendition="#fr">Apologie der Tugend</hi> &#x2014; &#x017F;ein<lb/>
ganzes Leben der <hi rendition="#fr">Ausbrnch edler Triebe &#x2014;<lb/>
edler Leiden&#x017F;chaften. Seine Empfindun-<lb/>
gen</hi> waren glu&#x0364;hend und &#x017F;tark, &#x017F;ie ergo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
gleich dem Strom, der im Fru&#x0364;ling &#x017F;ein Bette<lb/>
verla&#x0364;ßt, und u&#x0364;ber gru&#x0364;ne Wie&#x017F;en hinweg rau-<lb/>
&#x017F;chet &#x2014; er hatte Thra&#x0364;nen fu&#x0364;r das Elend, das u&#x0364;ber<lb/>
uns alle ausgego&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, er &#x017F;uchte es zu mildern,<lb/>
und Freude und Ro&#x0364;the auf bla&#x017F;&#x017F;e Wangen zuru&#x0364;k<lb/>
zu leiten. Die <hi rendition="#fr">Natur</hi> war bei ihm eine nie ver-<lb/>
&#x017F;iegende Quelle von Freude und Genus, er trank<lb/>
aus ihr Fu&#x0364;lle des Herzens, Freude &#x017F;onder Maas;<lb/>
die gu&#x0364;tige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad<lb/>
&#x017F;eines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der<lb/>
Sa&#x0364;ugling an der Bru&#x017F;t &#x017F;einer Erna&#x0364;hrerin. Er<lb/>
&#x017F;ah das Purpurlicht des Tages im O&#x017F;ten herauf-<lb/>
da&#x0364;mmern, &#x017F;ah die maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che Sonne dem<lb/>
Meer ent&#x017F;teigen, und mit ihr &#x017F;tieg &#x017F;ein Gebet<lb/>
zum Thron des Allvaters &#x2014; er &#x017F;ah, wie &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0240] der Vorwelt, mir groſſe und edle Thaten entzif- ferte, eben der Durſt nach Warheit — das Ringen und Streben nach Licht und Recht — alles war bei ihm in einem noch weit groͤſſern und uͤberflieſſendern Maaſſe. Jn ihm ſchlug ein warmes Herz fuͤr Religion — ſein ganzes Le- ben war eine Apologie der Tugend — ſein ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe — edler Leidenſchaften. Seine Empfindun- gen waren gluͤhend und ſtark, ſie ergoſſen ſich gleich dem Strom, der im Fruͤling ſein Bette verlaͤßt, und uͤber gruͤne Wieſen hinweg rau- ſchet — er hatte Thraͤnen fuͤr das Elend, das uͤber uns alle ausgegoſſen iſt, er ſuchte es zu mildern, und Freude und Roͤthe auf blaſſe Wangen zuruͤk zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver- ſiegende Quelle von Freude und Genus, er trank aus ihr Fuͤlle des Herzens, Freude ſonder Maas; die guͤtige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad ſeines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der Saͤugling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin. Er ſah das Purpurlicht des Tages im Oſten herauf- daͤmmern, ſah die majeſtaͤtiſche Sonne dem Meer entſteigen, und mit ihr ſtieg ſein Gebet zum Thron des Allvaters — er ſah, wie ſie ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/240
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/240>, abgerufen am 05.05.2024.