getroknet sind deine Säfte, erschlafft deine Fi- bern, du rufest dem Tode, und er antwortet dir nicht, umsonst ringst du deine matten Hände, umsonst hallen Flüche und Verwünschungen von deinen Lippen -- in gichtrischen Krämpfen wälzst du dich auf dem Lager, das Gift sprudelt allmä- lig zum Herzen, bis es alle seine Fasern nach und nach ergreift, und dir den lezten Stoß gibt. Dein Körper, ein elendes Gerippe -- ein Scheusal vor den Menschen -- und die Seele! wo irrt sie hin? in welches ungesehene Land? zu welcher Bestimmung? -- --
O meine Freunde! für euch hab ich dies Bild entworfen, für euch, die ihr noch in der Fülle der Gesundheit einher wandelt -- für euch, die ihr schon die Erstlinge eurer Kräfte der Wol- lust geopfert! wenn es noch nicht zu spät ist -- und zur Weisheit zurük zu kehren kann nie zu spät sein -- so kehrt zur Tugend zurük, denn sie nimmt auch den Gefallenen auf. Seht die bleichen Schatten eurer Gespielen, sie waren einst auch gesund und stark, und jezt in wenig Monden erblaßt -- mit schlotternden Knien -- mit holen troknen Augen. Ein schleichendes Gift rollt in ihren Adern, troknet die Lebenssäfte aus, und
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getroknet ſind deine Saͤfte, erſchlafft deine Fi- bern, du rufeſt dem Tode, und er antwortet dir nicht, umſonſt ringſt du deine matten Haͤnde, umſonſt hallen Fluͤche und Verwuͤnſchungen von deinen Lippen — in gichtriſchen Kraͤmpfen waͤlzſt du dich auf dem Lager, das Gift ſprudelt allmaͤ- lig zum Herzen, bis es alle ſeine Faſern nach und nach ergreift, und dir den lezten Stoß gibt. Dein Koͤrper, ein elendes Gerippe — ein Scheuſal vor den Menſchen — und die Seele! wo irrt ſie hin? in welches ungeſehene Land? zu welcher Beſtimmung? — —
O meine Freunde! fuͤr euch hab ich dies Bild entworfen, fuͤr euch, die ihr noch in der Fuͤlle der Geſundheit einher wandelt — fuͤr euch, die ihr ſchon die Erſtlinge eurer Kraͤfte der Wol- luſt geopfert! wenn es noch nicht zu ſpaͤt iſt — und zur Weisheit zuruͤk zu kehren kann nie zu ſpaͤt ſein — ſo kehrt zur Tugend zuruͤk, denn ſie nimmt auch den Gefallenen auf. Seht die bleichen Schatten eurer Geſpielen, ſie waren einſt auch geſund und ſtark, und jezt in wenig Monden erblaßt — mit ſchlotternden Knien — mit holen troknen Augen. Ein ſchleichendes Gift rollt in ihren Adern, troknet die Lebensſaͤfte aus, und
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getroknet ſind deine Saͤfte, erſchlafft deine Fi-
bern, du rufeſt dem Tode, und er antwortet
dir nicht, umſonſt ringſt du deine matten Haͤnde,
umſonſt hallen Fluͤche und Verwuͤnſchungen von
deinen Lippen — in gichtriſchen Kraͤmpfen waͤlzſt
du dich auf dem Lager, das Gift ſprudelt allmaͤ-
lig zum Herzen, bis es alle ſeine Faſern nach
und nach ergreift, und dir den lezten Stoß gibt.
Dein Koͤrper, ein elendes Gerippe — ein
Scheuſal vor den Menſchen — und die Seele!
wo irrt ſie hin? in welches ungeſehene Land?
zu welcher Beſtimmung? — —
O meine Freunde! fuͤr euch hab ich dies
Bild entworfen, fuͤr euch, die ihr noch in der
Fuͤlle der Geſundheit einher wandelt — fuͤr euch,
die ihr ſchon die Erſtlinge eurer Kraͤfte der Wol-
luſt geopfert! wenn es noch nicht zu ſpaͤt iſt —
und zur Weisheit zuruͤk zu kehren kann nie zu
ſpaͤt ſein — ſo kehrt zur Tugend zuruͤk, denn ſie
nimmt auch den Gefallenen auf. Seht die bleichen
Schatten eurer Geſpielen, ſie waren einſt auch
geſund und ſtark, und jezt in wenig Monden
erblaßt — mit ſchlotternden Knien — mit holen
troknen Augen. Ein ſchleichendes Gift rollt in
ihren Adern, troknet die Lebensſaͤfte aus, und
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/219>, abgerufen am 05.07.2024.
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