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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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grünende Rasen ist ihr Altar, an dem sie kniend
sich dauernde, ewige Liebe schwören. Aeltern
willigen in ihren Bund, nur der Tag ihrer gänz-
lichen Vereinigung bleibt noch aufgeschoben.
Der Ruf des Schiksals trennet den liebevollen
Jüngling auf eine Zeitlang von seiner Verbun-
denen, bald kehrt er auf Flügeln der Liebe zu-
rük, will in die heisse Umarmung seiner Lida
sinken, und findet sie tod, leblos und erstarrt.
Sein Geist aufs höchste gespannt, nichts anders
denkend, als sie, alle seine Fibern bloß auf sie ge-
richtet, die ihm alles war, und alles sein sollte,
und nun, welch ein Schlag! so unerwartet, so
fürchterlich, er kann den Verstand erschüttern,
ihn gänzlich rauben -- Wahnsinn, Raserei erzeu-
gen, ja Dolch und Gift, und ein tödtendes
Rohr in die Hand geben, um ein elendes Leben
zu enden.

Seht die Geschichte so manches Unglükli-
chen, und jammert über das Elend, so über den
Menschen auf Tronen und Hütten ausgegossen
ist! Sezzet noch hinzu, daß oft hartherzige Ael-
tern, aus Stolz und Ehrgeiz geblendet, den
Bund der Liebe trennen, oder die Geliebte treu-
los wird, oder der Gegenstand, für den ich glühe,

N 4

gruͤnende Raſen iſt ihr Altar, an dem ſie kniend
ſich dauernde, ewige Liebe ſchwoͤren. Aeltern
willigen in ihren Bund, nur der Tag ihrer gaͤnz-
lichen Vereinigung bleibt noch aufgeſchoben.
Der Ruf des Schikſals trennet den liebevollen
Juͤngling auf eine Zeitlang von ſeiner Verbun-
denen, bald kehrt er auf Fluͤgeln der Liebe zu-
ruͤk, will in die heiſſe Umarmung ſeiner Lida
ſinken, und findet ſie tod, leblos und erſtarrt.
Sein Geiſt aufs hoͤchſte geſpannt, nichts anders
denkend, als ſie, alle ſeine Fibern bloß auf ſie ge-
richtet, die ihm alles war, und alles ſein ſollte,
und nun, welch ein Schlag! ſo unerwartet, ſo
fuͤrchterlich, er kann den Verſtand erſchuͤttern,
ihn gaͤnzlich rauben — Wahnſinn, Raſerei erzeu-
gen, ja Dolch und Gift, und ein toͤdtendes
Rohr in die Hand geben, um ein elendes Leben
zu enden.

Seht die Geſchichte ſo manches Ungluͤkli-
chen, und jammert uͤber das Elend, ſo uͤber den
Menſchen auf Tronen und Huͤtten ausgegoſſen
iſt! Sezzet noch hinzu, daß oft hartherzige Ael-
tern, aus Stolz und Ehrgeiz geblendet, den
Bund der Liebe trennen, oder die Geliebte treu-
los wird, oder der Gegenſtand, fuͤr den ich gluͤhe,

N 4
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[199/0207] gruͤnende Raſen iſt ihr Altar, an dem ſie kniend ſich dauernde, ewige Liebe ſchwoͤren. Aeltern willigen in ihren Bund, nur der Tag ihrer gaͤnz- lichen Vereinigung bleibt noch aufgeſchoben. Der Ruf des Schikſals trennet den liebevollen Juͤngling auf eine Zeitlang von ſeiner Verbun- denen, bald kehrt er auf Fluͤgeln der Liebe zu- ruͤk, will in die heiſſe Umarmung ſeiner Lida ſinken, und findet ſie tod, leblos und erſtarrt. Sein Geiſt aufs hoͤchſte geſpannt, nichts anders denkend, als ſie, alle ſeine Fibern bloß auf ſie ge- richtet, die ihm alles war, und alles ſein ſollte, und nun, welch ein Schlag! ſo unerwartet, ſo fuͤrchterlich, er kann den Verſtand erſchuͤttern, ihn gaͤnzlich rauben — Wahnſinn, Raſerei erzeu- gen, ja Dolch und Gift, und ein toͤdtendes Rohr in die Hand geben, um ein elendes Leben zu enden. Seht die Geſchichte ſo manches Ungluͤkli- chen, und jammert uͤber das Elend, ſo uͤber den Menſchen auf Tronen und Huͤtten ausgegoſſen iſt! Sezzet noch hinzu, daß oft hartherzige Ael- tern, aus Stolz und Ehrgeiz geblendet, den Bund der Liebe trennen, oder die Geliebte treu- los wird, oder der Gegenſtand, fuͤr den ich gluͤhe, N 4

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/207>, abgerufen am 23.11.2024.