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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Schmeichlern umringt ist, dem man schon früh
den Gedanken einprägt, "du bist weit über deine
Nebengeschöpfe erhaben, und alles muß sich vor
deiner Grösse beugen"; dieser Mensch, wenn
sein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit
Verachtung auf niedere Stände herabblikken,
wird sich für den Fürsten der Schöpfung, und
die neben ihm für seine Sklaven ansehen.
Laßt ihn nun gar die höchste Stuffe menschlicher
Glükseligkeit ersteigen, laßt ihn der Günstling
seines Fürsten, der Gebieter über Leben und
Tod werden -- und nun schleudere ihn auf einmal
herab, Verhängnis! zeige ihm anstatt Rosen-
gefilde ein wüstes unbewontes Eiland, zeige ihm
den hohnlachenden Blik seiner Knechte, laß ihn
Verachtung und Elend in seiner ganzen Schwere
fühlen -- was wird sein Loos sein? Er sieht rund
um sich her eine fürchterliche Nacht, sein Kopf
schwindelt, sein Verstand, der sonst trunken von
Hoheit und Grösse war, denkt sich Sklavenge-
wand, harte Kost, unbewirtetes Lager, und
keine Seele, die auf ihn merkt, so viele, die jhn
verachten -- stuffenweise sinkt er herab zum
Wahnsinn, seine Seelenkräfte verlassen ihn, und
rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.

N 2

Schmeichlern umringt iſt, dem man ſchon fruͤh
den Gedanken einpraͤgt, „du biſt weit uͤber deine
Nebengeſchoͤpfe erhaben, und alles muß ſich vor
deiner Groͤſſe beugen‟; dieſer Menſch, wenn
ſein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit
Verachtung auf niedere Staͤnde herabblikken,
wird ſich fuͤr den Fuͤrſten der Schoͤpfung, und
die neben ihm fuͤr ſeine Sklaven anſehen.
Laßt ihn nun gar die hoͤchſte Stuffe menſchlicher
Gluͤkſeligkeit erſteigen, laßt ihn der Guͤnſtling
ſeines Fuͤrſten, der Gebieter uͤber Leben und
Tod werden — und nun ſchleudere ihn auf einmal
herab, Verhaͤngnis! zeige ihm anſtatt Roſen-
gefilde ein wuͤſtes unbewontes Eiland, zeige ihm
den hohnlachenden Blik ſeiner Knechte, laß ihn
Verachtung und Elend in ſeiner ganzen Schwere
fuͤhlen — was wird ſein Loos ſein? Er ſieht rund
um ſich her eine fuͤrchterliche Nacht, ſein Kopf
ſchwindelt, ſein Verſtand, der ſonſt trunken von
Hoheit und Groͤſſe war, denkt ſich Sklavenge-
wand, harte Koſt, unbewirtetes Lager, und
keine Seele, die auf ihn merkt, ſo viele, die jhn
verachten — ſtuffenweiſe ſinkt er herab zum
Wahnſinn, ſeine Seelenkraͤfte verlaſſen ihn, und
rauben ihm den Genuß von Freude und Leid.

N 2
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[195/0203] Schmeichlern umringt iſt, dem man ſchon fruͤh den Gedanken einpraͤgt, „du biſt weit uͤber deine Nebengeſchoͤpfe erhaben, und alles muß ſich vor deiner Groͤſſe beugen‟; dieſer Menſch, wenn ſein Herz ungebildet und roh bleibt, wird mit Verachtung auf niedere Staͤnde herabblikken, wird ſich fuͤr den Fuͤrſten der Schoͤpfung, und die neben ihm fuͤr ſeine Sklaven anſehen. Laßt ihn nun gar die hoͤchſte Stuffe menſchlicher Gluͤkſeligkeit erſteigen, laßt ihn der Guͤnſtling ſeines Fuͤrſten, der Gebieter uͤber Leben und Tod werden — und nun ſchleudere ihn auf einmal herab, Verhaͤngnis! zeige ihm anſtatt Roſen- gefilde ein wuͤſtes unbewontes Eiland, zeige ihm den hohnlachenden Blik ſeiner Knechte, laß ihn Verachtung und Elend in ſeiner ganzen Schwere fuͤhlen — was wird ſein Loos ſein? Er ſieht rund um ſich her eine fuͤrchterliche Nacht, ſein Kopf ſchwindelt, ſein Verſtand, der ſonſt trunken von Hoheit und Groͤſſe war, denkt ſich Sklavenge- wand, harte Koſt, unbewirtetes Lager, und keine Seele, die auf ihn merkt, ſo viele, die jhn verachten — ſtuffenweiſe ſinkt er herab zum Wahnſinn, ſeine Seelenkraͤfte verlaſſen ihn, und rauben ihm den Genuß von Freude und Leid. N 2

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/203>, abgerufen am 05.05.2024.