das Licht des Tages sieht -- weinend an der wel- ken Brust seiner Mutter hängt, weinend als Knabe, nakt und zerlumpt, jeden Anfall der Luft ausgesezt, Frost und Hizze duldend, nach Brod schreit, und oft von der Hizze ausgedörrt, von Kälte erstarrt, und von harter Arbeit erschlafft, sein freudenleeres elendes Leben endet. Traurige Gruppe der bedrükten Menschheit! Nicht blos in Gallien uud Sarmatien wirst du sie flnden, nein, auch auf deutschem Boden wont Elend in ländlichen Hütten, klirren Ketten der Leibeigenschaft *).
Blikt hernieder von eurer Höhe, auf jene Thäler des Elends, da seht ihr Alt und Jung unter der Last der Arbeit stöhnen; ein Kerl, in dessen Seele kein Mitleid wont, steht mit der Peitsche gezukt, und schlägt wütend auf die Mü- den und Matten. Bald sticht der Sonne Glut auf ihre Scheitel, und troknet die Lebenssäfte aus, bald durchnäßt der Regen ihr Gewand, und der eisigte Nord pfeift in ihre Haare, und
*) Pommerns und Meklenburgs Bewoner seufzen noch unter dem harten Joch der Knechtschaft -- wer wird ihre Ketten lösen, und die Menschheit in ihre verlornen Rechte wieder einsezzen?
das Licht des Tages ſieht — weinend an der wel- ken Bruſt ſeiner Mutter haͤngt, weinend als Knabe, nakt und zerlumpt, jeden Anfall der Luft ausgeſezt, Froſt und Hizze duldend, nach Brod ſchreit, und oft von der Hizze ausgedoͤrrt, von Kaͤlte erſtarrt, und von harter Arbeit erſchlafft, ſein freudenleeres elendes Leben endet. Traurige Gruppe der bedruͤkten Menſchheit! Nicht blos in Gallien uud Sarmatien wirſt du ſie flnden, nein, auch auf deutſchem Boden wont Elend in laͤndlichen Huͤtten, klirren Ketten der Leibeigenſchaft *).
Blikt hernieder von eurer Hoͤhe, auf jene Thaͤler des Elends, da ſeht ihr Alt und Jung unter der Laſt der Arbeit ſtoͤhnen; ein Kerl, in deſſen Seele kein Mitleid wont, ſteht mit der Peitſche gezukt, und ſchlaͤgt wuͤtend auf die Muͤ- den und Matten. Bald ſticht der Sonne Glut auf ihre Scheitel, und troknet die Lebensſaͤfte aus, bald durchnaͤßt der Regen ihr Gewand, und der eiſigte Nord pfeift in ihre Haare, und
*) Pommerns und Meklenburgs Bewoner ſeufzen noch unter dem harten Joch der Knechtſchaft — wer wird ihre Ketten loͤſen, und die Menſchheit in ihre verlornen Rechte wieder einſezzen?
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das Licht des Tages ſieht — weinend an der wel-
ken Bruſt ſeiner Mutter haͤngt, weinend als
Knabe, nakt und zerlumpt, jeden Anfall der Luft
ausgeſezt, Froſt und Hizze duldend, nach Brod
ſchreit, und oft von der Hizze ausgedoͤrrt, von
Kaͤlte erſtarrt, und von harter Arbeit erſchlafft,
ſein freudenleeres elendes Leben endet. Traurige
Gruppe der bedruͤkten Menſchheit! Nicht
blos in Gallien uud Sarmatien wirſt du ſie
flnden, nein, auch auf deutſchem Boden wont
Elend in laͤndlichen Huͤtten, klirren Ketten der
Leibeigenſchaft *).
Blikt hernieder von eurer Hoͤhe, auf jene
Thaͤler des Elends, da ſeht ihr Alt und Jung
unter der Laſt der Arbeit ſtoͤhnen; ein Kerl, in
deſſen Seele kein Mitleid wont, ſteht mit der
Peitſche gezukt, und ſchlaͤgt wuͤtend auf die Muͤ-
den und Matten. Bald ſticht der Sonne Glut
auf ihre Scheitel, und troknet die Lebensſaͤfte
aus, bald durchnaͤßt der Regen ihr Gewand, und
der eiſigte Nord pfeift in ihre Haare, und
*) Pommerns und Meklenburgs Bewoner ſeufzen
noch unter dem harten Joch der Knechtſchaft —
wer wird ihre Ketten loͤſen, und die Menſchheit
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/167>, abgerufen am 05.07.2024.
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