geladen bei sich trug, drükte es übers rechte Auge, und sank tod zur Erde. Man hörte den Schuß, öfnete die verschlossene Thür, und fand ihn in seinem Blute. Alles stürzte herzu, den noch zu sehn, den man im Leben so liebenswür- dig fand; Mitleiden und warme Theilnehmung verriet jede Mine, und eine heisse Tränenflut entstürzte dem Auge. Jn einem Lande wo der Selbstmord hart geahndet wurde, suchte man die wahre Ursach seines Todes zu unterdrükken. Der Chef, welcher den jungen Woldau liebte, weihte ihm im stillen manche Träne der Wehmut, unterdrükte das Gerücht seines Todes, schüzte seinen Leichnam vor gesezlicher Behandlung, und ließ ihn, wie seine lezte Bitte war, neben seine Emilie begraben, der er getreu geblieben war, bis auf den lezten Hauch seines Lebens.
Kalte Seelen giengen vor seinem Grabeshü- gel vorüber, vergassen ihre Menschheit, und verurteilten einen Bruder, der im Kampf erlag. Er endete ein Leben, das er zur Ehre der Tugend und Menschheit verlebte, er fühlte sich zu schwach mit Leiden der Seele zu kämpfen, verließ daher den Schauplaz eher, als er abgerufen ward. Sollte ihm sein Schöpfer deshalb| von sich
geladen bei ſich trug, druͤkte es uͤbers rechte Auge, und ſank tod zur Erde. Man hoͤrte den Schuß, oͤfnete die verſchloſſene Thuͤr, und fand ihn in ſeinem Blute. Alles ſtuͤrzte herzu, den noch zu ſehn, den man im Leben ſo liebenswuͤr- dig fand; Mitleiden und warme Theilnehmung verriet jede Mine, und eine heiſſe Traͤnenflut entſtuͤrzte dem Auge. Jn einem Lande wo der Selbſtmord hart geahndet wurde, ſuchte man die wahre Urſach ſeines Todes zu unterdruͤkken. Der Chef, welcher den jungen Woldau liebte, weihte ihm im ſtillen manche Traͤne der Wehmut, unterdruͤkte das Geruͤcht ſeines Todes, ſchuͤzte ſeinen Leichnam vor geſezlicher Behandlung, und ließ ihn, wie ſeine lezte Bitte war, neben ſeine Emilie begraben, der er getreu geblieben war, bis auf den lezten Hauch ſeines Lebens.
Kalte Seelen giengen vor ſeinem Grabeshuͤ- gel voruͤber, vergaſſen ihre Menſchheit, und verurteilten einen Bruder, der im Kampf erlag. Er endete ein Leben, das er zur Ehre der Tugend und Menſchheit verlebte, er fuͤhlte ſich zu ſchwach mit Leiden der Seele zu kaͤmpfen, verließ daher den Schauplaz eher, als er abgerufen ward. Sollte ihm ſein Schoͤpfer deshalb| von ſich
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Auge, und ſank tod zur Erde. Man hoͤrte den
Schuß, oͤfnete die verſchloſſene Thuͤr, und fand
ihn in ſeinem Blute. Alles ſtuͤrzte herzu, den
noch zu ſehn, den man im Leben ſo liebenswuͤr-
dig fand; Mitleiden und warme Theilnehmung
verriet jede Mine, und eine heiſſe Traͤnenflut
entſtuͤrzte dem Auge. Jn einem Lande wo der
Selbſtmord hart geahndet wurde, ſuchte man
die wahre Urſach ſeines Todes zu unterdruͤkken.
Der Chef, welcher den jungen Woldau liebte,
weihte ihm im ſtillen manche Traͤne der Wehmut,
unterdruͤkte das Geruͤcht ſeines Todes, ſchuͤzte
ſeinen Leichnam vor geſezlicher Behandlung, und
ließ ihn, wie ſeine lezte Bitte war, neben ſeine
Emilie begraben, der er getreu geblieben war,
bis auf den lezten Hauch ſeines Lebens.
Kalte Seelen giengen vor ſeinem Grabeshuͤ-
gel voruͤber, vergaſſen ihre Menſchheit, und
verurteilten einen Bruder, der im Kampf erlag.
Er endete ein Leben, das er zur Ehre der Tugend
und Menſchheit verlebte, er fuͤhlte ſich zu ſchwach
mit Leiden der Seele zu kaͤmpfen, verließ daher
den Schauplaz eher, als er abgerufen ward.
Sollte ihm ſein Schoͤpfer deshalb| von ſich
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/132>, abgerufen am 22.11.2024.
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