Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


d) Woldau und Emilie. Auch Liebe
führt ins Grab.

Wilhelm Graf von Woldau, ein junger
Officier in ... Diensten, sah Emilien C ..
ein Mädchen von zwar bürgerlichen Herkommen,
aber von desto grösserm Adel des Geistes -- Sie
zu sehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe
zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver-
schwenderische Glük an hoher Geburt und Reich-
thümern entzogen, das ersezte die Natur im vol-
len Masse. Jhre Bildung war |edel und liebens-
würdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann
suchte ihren Umgang, und eine höhere Röte
färbte die Wange des liebenden Jünglings, wann
sie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen
Blik, der ihre ganze Seele aufschloß. Nur die-
ser einzige Blik der liebevollen Unschuld, und al-
les drängte sich zu ihr; aber ihr Herz war kalt
gegen das Lob und die Schmeicheleien so vieler,
es schlug nur für den Einen, den Einzigen!
Jhn hatte sie sich erkoren zum Geliebten und
Freund. Jhre Seelen, so genau mit einander
verschwistert, fanden und liebten sich.



d) Woldau und Emilie. Auch Liebe
fuͤhrt ins Grab.

Wilhelm Graf von Woldau, ein junger
Officier in … Dienſten, ſah Emilien C ..
ein Maͤdchen von zwar buͤrgerlichen Herkommen,
aber von deſto groͤſſerm Adel des Geiſtes — Sie
zu ſehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe
zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver-
ſchwenderiſche Gluͤk an hoher Geburt und Reich-
thuͤmern entzogen, das erſezte die Natur im vol-
len Maſſe. Jhre Bildung war |edel und liebens-
wuͤrdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann
ſuchte ihren Umgang, und eine hoͤhere Roͤte
faͤrbte die Wange des liebenden Juͤnglings, wann
ſie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen
Blik, der ihre ganze Seele aufſchloß. Nur die-
ſer einzige Blik der liebevollen Unſchuld, und al-
les draͤngte ſich zu ihr; aber ihr Herz war kalt
gegen das Lob und die Schmeicheleien ſo vieler,
es ſchlug nur fuͤr den Einen, den Einzigen!
Jhn hatte ſie ſich erkoren zum Geliebten und
Freund. Jhre Seelen, ſo genau mit einander
verſchwiſtert, fanden und liebten ſich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0126" n="118"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">d</hi>) <hi rendition="#fr">Woldau</hi> und <hi rendition="#fr">Emilie.</hi> Auch Liebe<lb/>
fu&#x0364;hrt ins Grab.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi><hi rendition="#fr">ilhelm</hi> Graf <hi rendition="#fr">von Woldau,</hi> ein junger<lb/>
Officier in &#x2026; Dien&#x017F;ten, &#x017F;ah <hi rendition="#fr">Emilien</hi> C ..<lb/>
ein Ma&#x0364;dchen von zwar bu&#x0364;rgerlichen Herkommen,<lb/>
aber von de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erm Adel des Gei&#x017F;tes &#x2014; Sie<lb/>
zu &#x017F;ehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe<lb/>
zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver-<lb/>
&#x017F;chwenderi&#x017F;che Glu&#x0364;k an hoher Geburt und Reich-<lb/>
thu&#x0364;mern entzogen, das er&#x017F;ezte die Natur im vol-<lb/>
len Ma&#x017F;&#x017F;e. Jhre Bildung war |edel und liebens-<lb/>
wu&#x0364;rdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann<lb/>
&#x017F;uchte ihren Umgang, und eine ho&#x0364;here Ro&#x0364;te<lb/>
fa&#x0364;rbte die Wange des liebenden Ju&#x0364;nglings, wann<lb/>
&#x017F;ie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen<lb/>
Blik, der ihre ganze Seele auf&#x017F;chloß. Nur die-<lb/>
&#x017F;er einzige Blik der liebevollen Un&#x017F;chuld, und al-<lb/>
les dra&#x0364;ngte &#x017F;ich zu ihr; aber ihr Herz war kalt<lb/>
gegen das Lob und die Schmeicheleien &#x017F;o vieler,<lb/>
es &#x017F;chlug nur fu&#x0364;r den Einen, <hi rendition="#fr">den Einzigen!</hi><lb/>
Jhn hatte &#x017F;ie &#x017F;ich erkoren zum Geliebten und<lb/>
Freund. Jhre Seelen, &#x017F;o genau mit einander<lb/>
ver&#x017F;chwi&#x017F;tert, fanden und liebten &#x017F;ich.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0126] d) Woldau und Emilie. Auch Liebe fuͤhrt ins Grab. Wilhelm Graf von Woldau, ein junger Officier in … Dienſten, ſah Emilien C .. ein Maͤdchen von zwar buͤrgerlichen Herkommen, aber von deſto groͤſſerm Adel des Geiſtes — Sie zu ſehen, und in einem Nu Ehrfurcht und Liebe zu empfinden, war Eins. Was ihr das ver- ſchwenderiſche Gluͤk an hoher Geburt und Reich- thuͤmern entzogen, das erſezte die Natur im vol- len Maſſe. Jhre Bildung war |edel und liebens- wuͤrdig, ihr Herz bieder und gut, jedermann ſuchte ihren Umgang, und eine hoͤhere Roͤte faͤrbte die Wange des liebenden Juͤnglings, wann ſie ihm einen belohnenden Blik zuwarf, einen Blik, der ihre ganze Seele aufſchloß. Nur die- ſer einzige Blik der liebevollen Unſchuld, und al- les draͤngte ſich zu ihr; aber ihr Herz war kalt gegen das Lob und die Schmeicheleien ſo vieler, es ſchlug nur fuͤr den Einen, den Einzigen! Jhn hatte ſie ſich erkoren zum Geliebten und Freund. Jhre Seelen, ſo genau mit einander verſchwiſtert, fanden und liebten ſich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/126
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/126>, abgerufen am 23.11.2024.