"Jch bin der Bruder (so waren seine Worte) des entseelten Mädchens. Lotte war der Stolz unserer Gemeine, sie war so fromm und gut, und wir weinten oft Tränen der Freude und des Danks, daß wir ausrufen konnten: Sie ist unser! Ach, Sie hätten sie sehen sollen, nicht ihre Schönheit, obgleich die Natur ihr solche im vollen Maasse verliehen hatte, nein, ihre Tugenden, ihren Geist, wie fern vom Neide sie von ihren Gespielinnen geliebt wurde, wie sie sich aller Herzen eigen machte, wie ihr ganzes Streben nur dahin ging, wohlzuthun, und lau- ter glükliche Menschen zu schaffen. Sie nahte sich jeder Hütte, erquikte den Ermatteten, stärkte den ohnmächtigen Greis; der Sterbende lächelte bei ihrem Anblik, und die Jugend verschied ge- trost in ihren Armen. Sie war der Liebling un- sers Pfarrers, seine Güter waren auch die ihri- gen, er bildete ihr Herz, bereicherte ihren Ver- stand mit Kenntnissen; ach! wie sie so oft das ganze Dorf durch die süssen Töne ihrer Stimme bezauberte, wie Alt und Jung sich zu ihr drang, und der Säugling schwieg, wann sie die
rige Gruppe mit gedaͤmpfter Stimme ent- zifferte.
„Jch bin der Bruder (ſo waren ſeine Worte) des entſeelten Maͤdchens. Lotte war der Stolz unſerer Gemeine, ſie war ſo fromm und gut, und wir weinten oft Traͤnen der Freude und des Danks, daß wir ausrufen konnten: Sie iſt unſer! Ach, Sie haͤtten ſie ſehen ſollen, nicht ihre Schoͤnheit, obgleich die Natur ihr ſolche im vollen Maaſſe verliehen hatte, nein, ihre Tugenden, ihren Geiſt, wie fern vom Neide ſie von ihren Geſpielinnen geliebt wurde, wie ſie ſich aller Herzen eigen machte, wie ihr ganzes Streben nur dahin ging, wohlzuthun, und lau- ter gluͤkliche Menſchen zu ſchaffen. Sie nahte ſich jeder Huͤtte, erquikte den Ermatteten, ſtaͤrkte den ohnmaͤchtigen Greis; der Sterbende laͤchelte bei ihrem Anblik, und die Jugend verſchied ge- troſt in ihren Armen. Sie war der Liebling un- ſers Pfarrers, ſeine Guͤter waren auch die ihri- gen, er bildete ihr Herz, bereicherte ihren Ver- ſtand mit Kenntniſſen; ach! wie ſie ſo oft das ganze Dorf durch die ſuͤſſen Toͤne ihrer Stimme bezauberte, wie Alt und Jung ſich zu ihr drang, und der Saͤugling ſchwieg, wann ſie die
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rige Gruppe mit gedaͤmpfter Stimme ent-
zifferte.
„Jch bin der Bruder (ſo waren ſeine Worte)
des entſeelten Maͤdchens. Lotte war der
Stolz unſerer Gemeine, ſie war ſo fromm und
gut, und wir weinten oft Traͤnen der Freude
und des Danks, daß wir ausrufen konnten: Sie
iſt unſer! Ach, Sie haͤtten ſie ſehen ſollen,
nicht ihre Schoͤnheit, obgleich die Natur ihr
ſolche im vollen Maaſſe verliehen hatte, nein, ihre
Tugenden, ihren Geiſt, wie fern vom Neide
ſie von ihren Geſpielinnen geliebt wurde, wie ſie
ſich aller Herzen eigen machte, wie ihr ganzes
Streben nur dahin ging, wohlzuthun, und lau-
ter gluͤkliche Menſchen zu ſchaffen. Sie nahte
ſich jeder Huͤtte, erquikte den Ermatteten, ſtaͤrkte
den ohnmaͤchtigen Greis; der Sterbende laͤchelte
bei ihrem Anblik, und die Jugend verſchied ge-
troſt in ihren Armen. Sie war der Liebling un-
ſers Pfarrers, ſeine Guͤter waren auch die ihri-
gen, er bildete ihr Herz, bereicherte ihren Ver-
ſtand mit Kenntniſſen; ach! wie ſie ſo oft das
ganze Dorf durch die ſuͤſſen Toͤne ihrer Stimme
bezauberte, wie Alt und Jung ſich zu ihr
drang, und der Saͤugling ſchwieg, wann ſie die
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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