der Natur zu preisen. Von was für unnennbaren Ge- fühlen schwoll da meine Brust empor! wie bebte ich oft für freudigem Erstaunen über das Grosse und Edle in der Natur! mein trunknes Auge schweifte gierig in Gottes Schöpfung umher, und fand alles so lieb und gut, alles zu Nuz und Frommen des Er- denbürgers, der es oft nicht fühlt, und kalt und träge in Gottes schöner Welt umherschlendert. Wie damals die Natur mit ihrer allbelebenden Fülle auf mich würkte, wie ich an ihr hing, wie ein Säug- ling an der Brust seiner Ernährerin!
Mit dem ersten Schimmer des Morgens verlies ich oft mein Lager, und durchschweifte bald ein duftendes Thal, bald einen buschigten Hügel, alles war so voll lebendigen Odems, sich einander anhau- chend mit Wolgerüchen, und ausströmend seine beste Kraft in Schönheit und Wolthun, und meine Seele ward erfüllt mit Glaube und Vertrauen zu jenem grossen Urquell des Lichts und der Warheit, aus dem alles strömt, lebt und ist. Jch trank aus dem vollen Becher, aus dem Lebensfülle auf alle Ge- schöpfe herabfleußt, ich trank, bis ich nicht mehr dürstete, und die ungestümen Forderungen meines Geistes gestillet waren. Da ward kein Genus von mir unempfunden, kein Abend von mir unbegrüßt, alles, was mir die gütige Mutter Natur darbot, verschlang ich mit heisser Begierde; und so sah ich
der Natur zu preiſen. Von was fuͤr unnennbaren Ge- fuͤhlen ſchwoll da meine Bruſt empor! wie bebte ich oft fuͤr freudigem Erſtaunen uͤber das Groſſe und Edle in der Natur! mein trunknes Auge ſchweifte gierig in Gottes Schoͤpfung umher, und fand alles ſo lieb und gut, alles zu Nuz und Frommen des Er- denbuͤrgers, der es oft nicht fuͤhlt, und kalt und traͤge in Gottes ſchoͤner Welt umherſchlendert. Wie damals die Natur mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf mich wuͤrkte, wie ich an ihr hing, wie ein Saͤug- ling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin!
Mit dem erſten Schimmer des Morgens verlies ich oft mein Lager, und durchſchweifte bald ein duftendes Thal, bald einen buſchigten Huͤgel, alles war ſo voll lebendigen Odems, ſich einander anhau- chend mit Wolgeruͤchen, und ausſtroͤmend ſeine beſte Kraft in Schoͤnheit und Wolthun, und meine Seele ward erfuͤllt mit Glaube und Vertrauen zu jenem groſſen Urquell des Lichts und der Warheit, aus dem alles ſtroͤmt, lebt und iſt. Jch trank aus dem vollen Becher, aus dem Lebensfuͤlle auf alle Ge- ſchoͤpfe herabfleußt, ich trank, bis ich nicht mehr duͤrſtete, und die ungeſtuͤmen Forderungen meines Geiſtes geſtillet waren. Da ward kein Genus von mir unempfunden, kein Abend von mir unbegruͤßt, alles, was mir die guͤtige Mutter Natur darbot, verſchlang ich mit heiſſer Begierde; und ſo ſah ich
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der Natur zu preiſen. Von was fuͤr unnennbaren Ge-
fuͤhlen ſchwoll da meine Bruſt empor! wie bebte ich
oft fuͤr freudigem Erſtaunen uͤber das Groſſe und
Edle in der Natur! mein trunknes Auge ſchweifte
gierig in Gottes Schoͤpfung umher, und fand alles
ſo lieb und gut, alles zu Nuz und Frommen des Er-
denbuͤrgers, der es oft nicht fuͤhlt, und kalt und
traͤge in Gottes ſchoͤner Welt umherſchlendert. Wie
damals die Natur mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf
mich wuͤrkte, wie ich an ihr hing, wie ein Saͤug-
ling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin!
Mit dem erſten Schimmer des Morgens verlies
ich oft mein Lager, und durchſchweifte bald ein
duftendes Thal, bald einen buſchigten Huͤgel, alles
war ſo voll lebendigen Odems, ſich einander anhau-
chend mit Wolgeruͤchen, und ausſtroͤmend ſeine beſte
Kraft in Schoͤnheit und Wolthun, und meine Seele
ward erfuͤllt mit Glaube und Vertrauen zu jenem
groſſen Urquell des Lichts und der Warheit, aus
dem alles ſtroͤmt, lebt und iſt. Jch trank aus dem
vollen Becher, aus dem Lebensfuͤlle auf alle Ge-
ſchoͤpfe herabfleußt, ich trank, bis ich nicht mehr
duͤrſtete, und die ungeſtuͤmen Forderungen meines
Geiſtes geſtillet waren. Da ward kein Genus von
mir unempfunden, kein Abend von mir unbegruͤßt,
alles, was mir die guͤtige Mutter Natur darbot,
verſchlang ich mit heiſſer Begierde; und ſo ſah ich
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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