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Knorr, Christian: Poetische Erörterung der Frage / Ob die Liebe durch den Ehstand gemehret oder gemindert werde? in demselben ab- oder zunehme? Breslau, um 1700.

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Weil sie ein Englisch Bild in heßliches Gerippe /
Den besten Honigseim in Drachen-Milch verkehrt.
Das Demant-feste Band / so man den Ehstand nennet /
Reist ja viel eh als Stroh und dürres Garn entzwey;
Viel / welche lange Jahr in höchster Glutt gebrennet /
Spricht meist der Hochzeit-Tag in einer Stunde frey /
Der Libe Braut-Rock krigt die erste Nacht offt Flecken /
Und solche / die kein Talck mehr außzubringen weiß /
Ihr bunter Rosenstock verwandelt sich in Hecken /
Der süsse Liebes-Brand in hart-gefrornes Eiß.
Des Ehstands bester Wein pflegt zeitlich zu versauren /
Der Einschlag der Begir verschwefelt ihn zu bald /
Kaum daß die Flitterwoch und Küsse-Monden tauren /
Dann wird er abgeschmackt und vor den Jahren alt.
Die Geilheits Flagge treibt uns auf verbotne Wässer /
Und läst den klaren Strom des Hauses unberührt;
Und schmeckt von frembdem Stock ein saurer Heerling besser /
Als Trauben / deren Glantz den eignen Garten zirt.
Wir leben leyder! nicht mehr in denselben Zeiten /
Wo Mann und Buhler eins / wie Weib und Libste war;
Wer denckt die Neigungen durch Tugend zu bestreiten /
Man libt sich allzusehr / und suchet die Gefahr.
Die Unvergnügligkeit umbnebelt unsre Sinnen /
Daß man was uns gebricht / vor Gold und Demant hält /
Und diesen Augenblick / wenn wir es haben können /
Wird es in grob Metall und schlechtes Glaß verstellt.
Wir nennen / weil wir noch in freyen Lüften fliegen /
Das Braut-Bett einen Thron / so nichts als Lust gewehrt /
Doch eh der rechte Fuß kaum halb hinein gestigen /
Wünscht mancher / daß es sey ins Leichentuch verkehrt.
Zu dem so ist die Lieb ein höchst subtiles Wesen /
Sie schaut ein seiden Band wie Strick und Ketten an /
Wer scharffe Mittel braucht / wird nimmermehr genesen /
Weil weder Ertz noch Stahl den Willen zwingen kan.
Genung: Ihr die ihr libt und euch wollt ewig liben /
Ich rath euch und mit Fug: Sagt aller Heyrath ab /
Denckt daß ein kluger Geist nicht ohne Grund geschriben:
Der Ehstand ist und bleibt nichts als der Libe Grab.


Wie aber laß ich mich ein falsches Irrlicht blenden?
Welch toller Aberwitz hat meinen Geist bethört?
Es fällt die Feder mir vor schrecken auß den Händen /
Daß man dergleichen Traum auß meinem Munde hört.
Weil sie ein Englisch Bild in heßliches Gerippe /
Den besten Honigseim in Drachen-Milch verkehrt.
Das Demant-feste Band / so man den Ehstand nennet /
Reist ja viel eh als Stroh und dürres Garn entzwey;
Viel / welche lange Jahr in höchster Glutt gebrennet /
Spricht meist der Hochzeit-Tag in einer Stunde frey /
Der Libe Braut-Rock krigt die erste Nacht offt Flecken /
Und solche / die kein Talck mehr außzubringen weiß /
Ihr bunter Rosenstock verwandelt sich in Hecken /
Der süsse Liebes-Brand in hart-gefrornes Eiß.
Des Ehstands bester Wein pflegt zeitlich zu versauren /
Der Einschlag der Begir verschwefelt ihn zu bald /
Kaum daß die Flitterwoch und Küsse-Monden tauren /
Dann wird er abgeschmackt und vor den Jahren alt.
Die Geilheits Flagge treibt uns auf verbotne Wässer /
Und läst den klaren Strom des Hauses unberührt;
Und schmeckt von frembdem Stock ein saurer Heerling besser /
Als Trauben / deren Glantz den eignen Garten zirt.
Wir leben leyder! nicht mehr in denselben Zeiten /
Wo Mann und Buhler eins / wie Weib und Libste war;
Wer denckt die Neigungen durch Tugend zu bestreiten /
Man libt sich allzusehr / und suchet die Gefahr.
Die Unvergnügligkeit umbnebelt unsre Sinnen /
Daß man was uns gebricht / vor Gold und Demant hält /
Und diesen Augenblick / wenn wir es haben können /
Wird es in grob Metall und schlechtes Glaß verstellt.
Wir nennen / weil wir noch in freyen Lüften fliegen /
Das Braut-Bett einen Thron / so nichts als Lust gewehrt /
Doch eh der rechte Fuß kaum halb hinein gestigen /
Wünscht mancher / daß es sey ins Leichentuch verkehrt.
Zu dem so ist die Lieb ein höchst subtiles Wesen /
Sie schaut ein seiden Band wie Strick und Ketten an /
Wer scharffe Mittel braucht / wird nimmermehr genesen /
Weil weder Ertz noch Stahl den Willen zwingen kan.
Genung: Ihr die ihr libt und euch wollt ewig liben /
Ich rath euch und mit Fug: Sagt aller Heyrath ab /
Denckt daß ein kluger Geist nicht ohne Grund geschriben:
Der Ehstand ist und bleibt nichts als der Libe Grab.


Wie aber laß ich mich ein falsches Irrlicht blenden?
Welch toller Aberwitz hat meinen Geist bethört?
Es fällt die Feder mir vor schrecken auß den Händen /
Daß man dergleichen Traum auß meinem Munde hört.
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Zitationshilfe: Knorr, Christian: Poetische Erörterung der Frage / Ob die Liebe durch den Ehstand gemehret oder gemindert werde? in demselben ab- oder zunehme? Breslau, um 1700, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knorr_liebe_1700/3>, abgerufen am 24.11.2024.