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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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mern! Schmeichele sie nicht! Nähre nicht ihren
Stolz, ihre Ueppigkeit, ihre Eitelkeit, ihren
Hang zu nichtigen und wollüstigen Freuden! Be¬
stärke die Großen nicht in den Grundsätzen von
angebohrnen Vorzügen, von Herrschers-Rechten,
von Gesalbtheit und dergleichen Grillen! Heuchle
nicht! Verleugne nicht Wahrheit, selbst die bittre
Wahrheit nicht! Sey freymüthig, aber ohne
grob zu werden, und ohne Dich selbst zu Grunde
zu richten! Nimm Dich der verkannten Unschuld,
des verleumdeten Edeln, des durch Hof-Ränke
verschwärzten Ehrenmanns an; doch mit Vor¬
sicht, ohne seine Feinde dadurch noch mehr zu
erbittern, und so viel Deine Lage es Dir erlaubt!
Befördere, unterstütze, wo Klugheit es gestattet,
die Wünsche, den guten Ruf und die billigen Ge¬
suche Derer, die zu schüchtern, zu arm, zu be¬
scheiden, oder zu sehr niedergedrückt, verkannt,
von zu geringem Stande sind, um sich den Pal¬
lästen zu nähern! Man sollte es kaum glauben,
welchen Einfluß die Reden eines verständigen,
allgemein geschätzten Mannes auf diese Men¬
schen haben können, sowohl im Guten als Bö¬
sen, wie gern sie alles zum Vortheil ihres Dün¬
kels auslegen, und wie viel man auf sie wür¬

ken

mern! Schmeichele ſie nicht! Naͤhre nicht ihren
Stolz, ihre Ueppigkeit, ihre Eitelkeit, ihren
Hang zu nichtigen und wolluͤſtigen Freuden! Be¬
ſtaͤrke die Großen nicht in den Grundſaͤtzen von
angebohrnen Vorzuͤgen, von Herrſchers-Rechten,
von Geſalbtheit und dergleichen Grillen! Heuchle
nicht! Verleugne nicht Wahrheit, ſelbſt die bittre
Wahrheit nicht! Sey freymuͤthig, aber ohne
grob zu werden, und ohne Dich ſelbſt zu Grunde
zu richten! Nimm Dich der verkannten Unſchuld,
des verleumdeten Edeln, des durch Hof-Raͤnke
verſchwaͤrzten Ehrenmanns an; doch mit Vor¬
ſicht, ohne ſeine Feinde dadurch noch mehr zu
erbittern, und ſo viel Deine Lage es Dir erlaubt!
Befoͤrdere, unterſtuͤtze, wo Klugheit es geſtattet,
die Wuͤnſche, den guten Ruf und die billigen Ge¬
ſuche Derer, die zu ſchuͤchtern, zu arm, zu be¬
ſcheiden, oder zu ſehr niedergedruͤckt, verkannt,
von zu geringem Stande ſind, um ſich den Pal¬
laͤſten zu naͤhern! Man ſollte es kaum glauben,
welchen Einfluß die Reden eines verſtaͤndigen,
allgemein geſchaͤtzten Mannes auf dieſe Men¬
ſchen haben koͤnnen, ſowohl im Guten als Boͤ¬
ſen, wie gern ſie alles zum Vortheil ihres Duͤn¬
kels auslegen, und wie viel man auf ſie wuͤr¬

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[15/0037] mern! Schmeichele ſie nicht! Naͤhre nicht ihren Stolz, ihre Ueppigkeit, ihre Eitelkeit, ihren Hang zu nichtigen und wolluͤſtigen Freuden! Be¬ ſtaͤrke die Großen nicht in den Grundſaͤtzen von angebohrnen Vorzuͤgen, von Herrſchers-Rechten, von Geſalbtheit und dergleichen Grillen! Heuchle nicht! Verleugne nicht Wahrheit, ſelbſt die bittre Wahrheit nicht! Sey freymuͤthig, aber ohne grob zu werden, und ohne Dich ſelbſt zu Grunde zu richten! Nimm Dich der verkannten Unſchuld, des verleumdeten Edeln, des durch Hof-Raͤnke verſchwaͤrzten Ehrenmanns an; doch mit Vor¬ ſicht, ohne ſeine Feinde dadurch noch mehr zu erbittern, und ſo viel Deine Lage es Dir erlaubt! Befoͤrdere, unterſtuͤtze, wo Klugheit es geſtattet, die Wuͤnſche, den guten Ruf und die billigen Ge¬ ſuche Derer, die zu ſchuͤchtern, zu arm, zu be¬ ſcheiden, oder zu ſehr niedergedruͤckt, verkannt, von zu geringem Stande ſind, um ſich den Pal¬ laͤſten zu naͤhern! Man ſollte es kaum glauben, welchen Einfluß die Reden eines verſtaͤndigen, allgemein geſchaͤtzten Mannes auf dieſe Men¬ ſchen haben koͤnnen, ſowohl im Guten als Boͤ¬ ſen, wie gern ſie alles zum Vortheil ihres Duͤn¬ kels auslegen, und wie viel man auf ſie wuͤr¬ ken

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/37>, abgerufen am 20.04.2024.