Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

richtung Erwähnung thun, welche im Tollhause
in Frankfurth am Mayn herrscht, und welche
ich vielfältig zu beobachten Gelegenheit gefunden
habe. Man lässt dort die Wahnsinnigen, wenn
es nur irgend ohne Gefahr geschehn kann, we¬
nigstens in den Jahrszeiten, von welchen man
weiß, daß alsdann ihre Tollheit weniger heftig
ist, unter unmerklicher Beobachtung, frey im
Hause und Garten herumgehn, und der Zucht¬
meister verfährt so sanft und liebreich mit ih¬
nen, daß Viele derselben nach einigen Jahren
völlig geheilt wieder herauskommen, und eine
größere Anzahl wenigstens nur melancholisch
bleibt und allerley Handarbeit zu verrichten im
Stande ist, indeß diese Menschen in manchen
andern Hospitälern durch Einsperren und Härte
vielleicht im höchsten Grade wüthend geworden
seyn würden.

Man kann aber auch schwache Menschen
stufenweise um ihren Verstand bringen, wenn
man eine heftige Leidenschaft, von welchen sie
regiert werden, sey es Liebe, Hochmuth oder Ei¬
telkeit, nährt, reizt und dann wieder kränkt.
Zwey solcher elenden Geschöpfe erinnere ich mich

ge¬

richtung Erwaͤhnung thun, welche im Tollhauſe
in Frankfurth am Mayn herrſcht, und welche
ich vielfaͤltig zu beobachten Gelegenheit gefunden
habe. Man laͤſſt dort die Wahnſinnigen, wenn
es nur irgend ohne Gefahr geſchehn kann, we¬
nigſtens in den Jahrszeiten, von welchen man
weiß, daß alsdann ihre Tollheit weniger heftig
iſt, unter unmerklicher Beobachtung, frey im
Hauſe und Garten herumgehn, und der Zucht¬
meiſter verfaͤhrt ſo ſanft und liebreich mit ih¬
nen, daß Viele derſelben nach einigen Jahren
voͤllig geheilt wieder herauskommen, und eine
groͤßere Anzahl wenigſtens nur melancholiſch
bleibt und allerley Handarbeit zu verrichten im
Stande iſt, indeß dieſe Menſchen in manchen
andern Hospitaͤlern durch Einſperren und Haͤrte
vielleicht im hoͤchſten Grade wuͤthend geworden
ſeyn wuͤrden.

Man kann aber auch ſchwache Menſchen
ſtufenweiſe um ihren Verſtand bringen, wenn
man eine heftige Leidenſchaft, von welchen ſie
regiert werden, ſey es Liebe, Hochmuth oder Ei¬
telkeit, naͤhrt, reizt und dann wieder kraͤnkt.
Zwey ſolcher elenden Geſchoͤpfe erinnere ich mich

ge¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0291" n="269"/>
richtung Erwa&#x0364;hnung thun, welche im Tollhau&#x017F;e<lb/>
in Frankfurth am Mayn herr&#x017F;cht, und welche<lb/>
ich vielfa&#x0364;ltig zu beobachten Gelegenheit gefunden<lb/>
habe. Man la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t dort die Wahn&#x017F;innigen, wenn<lb/>
es nur irgend ohne Gefahr ge&#x017F;chehn kann, we¬<lb/>
nig&#x017F;tens in den Jahrszeiten, von welchen man<lb/>
weiß, daß alsdann ihre Tollheit weniger heftig<lb/>
i&#x017F;t, unter unmerklicher Beobachtung, frey im<lb/>
Hau&#x017F;e und Garten herumgehn, und der Zucht¬<lb/>
mei&#x017F;ter verfa&#x0364;hrt &#x017F;o &#x017F;anft und liebreich mit ih¬<lb/>
nen, daß Viele der&#x017F;elben nach einigen Jahren<lb/>
vo&#x0364;llig geheilt wieder herauskommen, und eine<lb/>
gro&#x0364;ßere Anzahl wenig&#x017F;tens nur melancholi&#x017F;ch<lb/>
bleibt und allerley Handarbeit zu verrichten im<lb/>
Stande i&#x017F;t, indeß die&#x017F;e Men&#x017F;chen in manchen<lb/>
andern Hospita&#x0364;lern durch Ein&#x017F;perren und Ha&#x0364;rte<lb/>
vielleicht im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade wu&#x0364;thend geworden<lb/>
&#x017F;eyn wu&#x0364;rden.</p><lb/>
            <p>Man kann aber auch &#x017F;chwache Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;tufenwei&#x017F;e um ihren Ver&#x017F;tand bringen, wenn<lb/>
man eine heftige Leiden&#x017F;chaft, von welchen &#x017F;ie<lb/>
regiert werden, &#x017F;ey es Liebe, Hochmuth oder Ei¬<lb/>
telkeit, na&#x0364;hrt, reizt und dann wieder kra&#x0364;nkt.<lb/>
Zwey &#x017F;olcher elenden Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe erinnere ich mich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0291] richtung Erwaͤhnung thun, welche im Tollhauſe in Frankfurth am Mayn herrſcht, und welche ich vielfaͤltig zu beobachten Gelegenheit gefunden habe. Man laͤſſt dort die Wahnſinnigen, wenn es nur irgend ohne Gefahr geſchehn kann, we¬ nigſtens in den Jahrszeiten, von welchen man weiß, daß alsdann ihre Tollheit weniger heftig iſt, unter unmerklicher Beobachtung, frey im Hauſe und Garten herumgehn, und der Zucht¬ meiſter verfaͤhrt ſo ſanft und liebreich mit ih¬ nen, daß Viele derſelben nach einigen Jahren voͤllig geheilt wieder herauskommen, und eine groͤßere Anzahl wenigſtens nur melancholiſch bleibt und allerley Handarbeit zu verrichten im Stande iſt, indeß dieſe Menſchen in manchen andern Hospitaͤlern durch Einſperren und Haͤrte vielleicht im hoͤchſten Grade wuͤthend geworden ſeyn wuͤrden. Man kann aber auch ſchwache Menſchen ſtufenweiſe um ihren Verſtand bringen, wenn man eine heftige Leidenſchaft, von welchen ſie regiert werden, ſey es Liebe, Hochmuth oder Ei¬ telkeit, naͤhrt, reizt und dann wieder kraͤnkt. Zwey ſolcher elenden Geſchoͤpfe erinnere ich mich ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/291
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/291>, abgerufen am 03.05.2024.