von innerer Freude aus der Undankbarkeit der Menschen zu schöpfen versteht, nemlich die Freu¬ de, sich bewusst zu seyn, gewiß uneigennützig, blos aus Liebe zum Guten, Gutes zu thun, wenn er vorausweiß, daß er auf keine Erkennt¬ lichkeit rechnen darf. Er bedauert die Verkehrt¬ heit Derer, die fähig sind ihres Wohlthäters zu vergessen, und lässt sich dadurch nicht abhalten, den Menschen zu dienen, die seiner Hülfe um so nöthiger bedürfen, je schwächer sie sind, je weniger Glück sie in sich selbst, in ihren Herzen haben.
Klage also nicht über die Undankbarkeit, mit welcher man Dich lohnt! Wirf sie Dem nicht vor, der sie Dir erzeigt! Fahre fort, ihn gro߬ müthig zu behandeln! Nim ihn wieder auf, wenn er zu Dir zurückkehrt! Vielleicht geht er endlich in sich, fühlt den ganzen Werth, die Fein¬ heit Deiner Behandlung, und wird dadurch ge¬ bessert -- wo nicht; so denke, daß jedes Laster sich selbst bestraft, und daß das eigene Herz des Bösewichts und die unausbleibliche Folge seiner Niederträchtigkeit Dich an ihm rächen werden -- O! welch' ein langes Capittel über die Undank¬
bar¬
P 2
von innerer Freude aus der Undankbarkeit der Menſchen zu ſchoͤpfen verſteht, nemlich die Freu¬ de, ſich bewuſſt zu ſeyn, gewiß uneigennuͤtzig, blos aus Liebe zum Guten, Gutes zu thun, wenn er vorausweiß, daß er auf keine Erkennt¬ lichkeit rechnen darf. Er bedauert die Verkehrt¬ heit Derer, die faͤhig ſind ihres Wohlthaͤters zu vergeſſen, und laͤſſt ſich dadurch nicht abhalten, den Menſchen zu dienen, die ſeiner Huͤlfe um ſo noͤthiger beduͤrfen, je ſchwaͤcher ſie ſind, je weniger Gluͤck ſie in ſich ſelbſt, in ihren Herzen haben.
Klage alſo nicht uͤber die Undankbarkeit, mit welcher man Dich lohnt! Wirf ſie Dem nicht vor, der ſie Dir erzeigt! Fahre fort, ihn gro߬ muͤthig zu behandeln! Nim ihn wieder auf, wenn er zu Dir zuruͤckkehrt! Vielleicht geht er endlich in ſich, fuͤhlt den ganzen Werth, die Fein¬ heit Deiner Behandlung, und wird dadurch ge¬ beſſert — wo nicht; ſo denke, daß jedes Laſter ſich ſelbſt beſtraft, und daß das eigene Herz des Boͤſewichts und die unausbleibliche Folge ſeiner Niedertraͤchtigkeit Dich an ihm raͤchen werden — O! welch' ein langes Capittel uͤber die Undank¬
bar¬
P 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0249"n="227"/>
von innerer Freude aus der Undankbarkeit der<lb/>
Menſchen zu ſchoͤpfen verſteht, nemlich die Freu¬<lb/>
de, ſich bewuſſt zu ſeyn, gewiß uneigennuͤtzig,<lb/>
blos aus Liebe zum Guten, Gutes zu thun,<lb/>
wenn er vorausweiß, daß er auf keine Erkennt¬<lb/>
lichkeit rechnen darf. Er bedauert die Verkehrt¬<lb/>
heit Derer, die faͤhig ſind ihres Wohlthaͤters zu<lb/>
vergeſſen, und laͤſſt ſich dadurch nicht abhalten,<lb/>
den Menſchen zu dienen, die ſeiner Huͤlfe um<lb/>ſo noͤthiger beduͤrfen, je ſchwaͤcher ſie ſind, je<lb/>
weniger Gluͤck ſie in ſich ſelbſt, in ihren Herzen<lb/>
haben.</p><lb/><p>Klage alſo nicht uͤber die Undankbarkeit,<lb/>
mit welcher man Dich lohnt! Wirf ſie Dem nicht<lb/>
vor, der ſie Dir erzeigt! Fahre fort, ihn gro߬<lb/>
muͤthig zu behandeln! Nim ihn wieder auf,<lb/>
wenn er zu Dir zuruͤckkehrt! Vielleicht geht er<lb/>
endlich in ſich, fuͤhlt den ganzen Werth, die Fein¬<lb/>
heit Deiner Behandlung, und wird dadurch ge¬<lb/>
beſſert — wo nicht; ſo denke, daß jedes Laſter<lb/>ſich ſelbſt beſtraft, und daß das eigene Herz des<lb/>
Boͤſewichts und die unausbleibliche Folge ſeiner<lb/>
Niedertraͤchtigkeit Dich an ihm raͤchen werden —<lb/>
O! welch' ein langes Capittel uͤber die Undank¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 2<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">bar¬<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[227/0249]
von innerer Freude aus der Undankbarkeit der
Menſchen zu ſchoͤpfen verſteht, nemlich die Freu¬
de, ſich bewuſſt zu ſeyn, gewiß uneigennuͤtzig,
blos aus Liebe zum Guten, Gutes zu thun,
wenn er vorausweiß, daß er auf keine Erkennt¬
lichkeit rechnen darf. Er bedauert die Verkehrt¬
heit Derer, die faͤhig ſind ihres Wohlthaͤters zu
vergeſſen, und laͤſſt ſich dadurch nicht abhalten,
den Menſchen zu dienen, die ſeiner Huͤlfe um
ſo noͤthiger beduͤrfen, je ſchwaͤcher ſie ſind, je
weniger Gluͤck ſie in ſich ſelbſt, in ihren Herzen
haben.
Klage alſo nicht uͤber die Undankbarkeit,
mit welcher man Dich lohnt! Wirf ſie Dem nicht
vor, der ſie Dir erzeigt! Fahre fort, ihn gro߬
muͤthig zu behandeln! Nim ihn wieder auf,
wenn er zu Dir zuruͤckkehrt! Vielleicht geht er
endlich in ſich, fuͤhlt den ganzen Werth, die Fein¬
heit Deiner Behandlung, und wird dadurch ge¬
beſſert — wo nicht; ſo denke, daß jedes Laſter
ſich ſelbſt beſtraft, und daß das eigene Herz des
Boͤſewichts und die unausbleibliche Folge ſeiner
Niedertraͤchtigkeit Dich an ihm raͤchen werden —
O! welch' ein langes Capittel uͤber die Undank¬
bar¬
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/249>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.