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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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lein überlegt man auch wohl immer genau ge¬
nug, welch' ein Grad von Aufklärung für den
Landmann, besonders für den von niedrigem
Stande, taugt? Daß man den Bauer nach
und nach, mehr durch Beyspiele als durch De¬
monstrationen, zu bewegen suche, von manchen
ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues
und überhaupt in Führung des Haushalts, zu¬
rückzukommen; daß man durch zweckmäßigen
Schul-Unterricht die thörichten Grillen, den
dummen Aberglauben, den Glauben an Gespen¬
ster, Hexen und dergleichen zu zerstöhren trachte;
daß man die Bauern gut schreiben, lesen und
rechnen lehre; daß ist löblich und nützlich. Ih¬
nen aber allerley Bücher, Geschichten und Fabeln
in die Hände zu spielen; sie zu gewöhnen, sich
in eine Ideen-Welt zu versetzen; ihnen die
Augen über ihren armseligen Zustand zu öfnen,
den man nun einmal nicht verbessern kann; sie
durch zu viel Aufklärung unzufrieden mit ihrer
Lage, sie zu Philosophen zu machen, die über
ungleiche Austheilung der Glücksgüter declamie¬
ren; ihren Sitten Geschmeidigkeit und den An¬
strich der feinen Höflichkeit zu geben -- Das
taugt wahrlich nicht. Ohne alle diese künstlichen

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lein uͤberlegt man auch wohl immer genau ge¬
nug, welch' ein Grad von Aufklaͤrung fuͤr den
Landmann, beſonders fuͤr den von niedrigem
Stande, taugt? Daß man den Bauer nach
und nach, mehr durch Beyſpiele als durch De¬
monſtrationen, zu bewegen ſuche, von manchen
ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues
und uͤberhaupt in Fuͤhrung des Haushalts, zu¬
ruͤckzukommen; daß man durch zweckmaͤßigen
Schul-Unterricht die thoͤrichten Grillen, den
dummen Aberglauben, den Glauben an Geſpen¬
ſter, Hexen und dergleichen zu zerſtoͤhren trachte;
daß man die Bauern gut ſchreiben, leſen und
rechnen lehre; daß iſt loͤblich und nuͤtzlich. Ih¬
nen aber allerley Buͤcher, Geſchichten und Fabeln
in die Haͤnde zu ſpielen; ſie zu gewoͤhnen, ſich
in eine Ideen-Welt zu verſetzen; ihnen die
Augen uͤber ihren armſeligen Zuſtand zu oͤfnen,
den man nun einmal nicht verbeſſern kann; ſie
durch zu viel Aufklaͤrung unzufrieden mit ihrer
Lage, ſie zu Philoſophen zu machen, die uͤber
ungleiche Austheilung der Gluͤcksguͤter declamie¬
ren; ihren Sitten Geſchmeidigkeit und den An¬
ſtrich der feinen Hoͤflichkeit zu geben — Das
taugt wahrlich nicht. Ohne alle dieſe kuͤnſtlichen

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[149/0171] lein uͤberlegt man auch wohl immer genau ge¬ nug, welch' ein Grad von Aufklaͤrung fuͤr den Landmann, beſonders fuͤr den von niedrigem Stande, taugt? Daß man den Bauer nach und nach, mehr durch Beyſpiele als durch De¬ monſtrationen, zu bewegen ſuche, von manchen ererbten Vorurtheilen, in der Art des Feldbaues und uͤberhaupt in Fuͤhrung des Haushalts, zu¬ ruͤckzukommen; daß man durch zweckmaͤßigen Schul-Unterricht die thoͤrichten Grillen, den dummen Aberglauben, den Glauben an Geſpen¬ ſter, Hexen und dergleichen zu zerſtoͤhren trachte; daß man die Bauern gut ſchreiben, leſen und rechnen lehre; daß iſt loͤblich und nuͤtzlich. Ih¬ nen aber allerley Buͤcher, Geſchichten und Fabeln in die Haͤnde zu ſpielen; ſie zu gewoͤhnen, ſich in eine Ideen-Welt zu verſetzen; ihnen die Augen uͤber ihren armſeligen Zuſtand zu oͤfnen, den man nun einmal nicht verbeſſern kann; ſie durch zu viel Aufklaͤrung unzufrieden mit ihrer Lage, ſie zu Philoſophen zu machen, die uͤber ungleiche Austheilung der Gluͤcksguͤter declamie¬ ren; ihren Sitten Geſchmeidigkeit und den An¬ ſtrich der feinen Hoͤflichkeit zu geben — Das taugt wahrlich nicht. Ohne alle dieſe kuͤnſtlichen Huͤlfs¬ K 3

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/171>, abgerufen am 21.11.2024.