werden? Und giebt es nicht einen Mittelweg, zwischen übertriebener Nachsicht, und despoti¬ scher Strenge und Grausamkeit? Ich verlange nicht, daß ein Landes- oder Gutsherr sich des Rechts begeben soll, seine Unterthanen zu gewis¬ sen schuldigen Diensten zu brauchen; allein er soll nicht, damit er, zum Beyspiele, das grau¬ same Vergnügen einer Hirsch- und Schweine- Metzeley schmecke, den Bauer, zu einer Zeit, wo seine Gegenwart zu Hause ihn und seine Familie gegen Mangel schützen muß, mehr Tage hinter einander in strenger Kälte mit leerem Magen herumlaufen, und Ohren und Nasen er¬ frieren lassen. Er soll ihm die schuldigen Ab¬ gaben nicht schenken; aber er soll Nachsicht mit seinen Umständen haben, Rücksicht auf erlittene Unglücksfälle nehmen, und darauf halten, daß die Beamten die Gelder zu einer Zeit eintreiben, wo es dem armen Landmanne weniger schwer wird, baare Münze aufzutreiben, ohne sich mit Leib und Seele dem Juden oder dem bösen Feinde zu verschreiben.
Man schwätzt so viel von Verbesserung der Dorfschulen und Aufklärung des Landvolks; al¬
lein
werden? Und giebt es nicht einen Mittelweg, zwiſchen uͤbertriebener Nachſicht, und deſpoti¬ ſcher Strenge und Grauſamkeit? Ich verlange nicht, daß ein Landes- oder Gutsherr ſich des Rechts begeben ſoll, ſeine Unterthanen zu gewiſ¬ ſen ſchuldigen Dienſten zu brauchen; allein er ſoll nicht, damit er, zum Beyſpiele, das grau¬ ſame Vergnuͤgen einer Hirſch- und Schweine- Metzeley ſchmecke, den Bauer, zu einer Zeit, wo ſeine Gegenwart zu Hauſe ihn und ſeine Familie gegen Mangel ſchuͤtzen muß, mehr Tage hinter einander in ſtrenger Kaͤlte mit leerem Magen herumlaufen, und Ohren und Naſen er¬ frieren laſſen. Er ſoll ihm die ſchuldigen Ab¬ gaben nicht ſchenken; aber er ſoll Nachſicht mit ſeinen Umſtaͤnden haben, Ruͤckſicht auf erlittene Ungluͤcksfaͤlle nehmen, und darauf halten, daß die Beamten die Gelder zu einer Zeit eintreiben, wo es dem armen Landmanne weniger ſchwer wird, baare Muͤnze aufzutreiben, ohne ſich mit Leib und Seele dem Juden oder dem boͤſen Feinde zu verſchreiben.
Man ſchwaͤtzt ſo viel von Verbeſſerung der Dorfſchulen und Aufklaͤrung des Landvolks; al¬
lein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0170"n="148"/>
werden? Und giebt es nicht einen Mittelweg,<lb/>
zwiſchen uͤbertriebener Nachſicht, und deſpoti¬<lb/>ſcher Strenge und Grauſamkeit? Ich verlange<lb/>
nicht, daß ein Landes- oder Gutsherr ſich des<lb/>
Rechts begeben ſoll, ſeine Unterthanen zu gewiſ¬<lb/>ſen ſchuldigen Dienſten zu brauchen; allein er<lb/>ſoll nicht, damit er, zum Beyſpiele, das grau¬<lb/>ſame Vergnuͤgen einer Hirſch- und Schweine-<lb/>
Metzeley ſchmecke, den Bauer, zu einer Zeit,<lb/>
wo ſeine Gegenwart zu Hauſe ihn und ſeine<lb/>
Familie gegen Mangel ſchuͤtzen muß, mehr Tage<lb/>
hinter einander in ſtrenger Kaͤlte mit leerem<lb/>
Magen herumlaufen, und Ohren und Naſen er¬<lb/>
frieren laſſen. Er ſoll ihm die ſchuldigen Ab¬<lb/>
gaben nicht ſchenken; aber er ſoll Nachſicht mit<lb/>ſeinen Umſtaͤnden haben, Ruͤckſicht auf erlittene<lb/>
Ungluͤcksfaͤlle nehmen, und darauf halten, daß<lb/>
die Beamten die Gelder zu einer Zeit eintreiben,<lb/>
wo es dem armen Landmanne weniger ſchwer<lb/>
wird, baare Muͤnze aufzutreiben, ohne ſich mit<lb/>
Leib und Seele dem Juden oder dem boͤſen<lb/>
Feinde zu verſchreiben.</p><lb/><p>Man ſchwaͤtzt ſo viel von Verbeſſerung der<lb/>
Dorfſchulen und Aufklaͤrung des Landvolks; al¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lein<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[148/0170]
werden? Und giebt es nicht einen Mittelweg,
zwiſchen uͤbertriebener Nachſicht, und deſpoti¬
ſcher Strenge und Grauſamkeit? Ich verlange
nicht, daß ein Landes- oder Gutsherr ſich des
Rechts begeben ſoll, ſeine Unterthanen zu gewiſ¬
ſen ſchuldigen Dienſten zu brauchen; allein er
ſoll nicht, damit er, zum Beyſpiele, das grau¬
ſame Vergnuͤgen einer Hirſch- und Schweine-
Metzeley ſchmecke, den Bauer, zu einer Zeit,
wo ſeine Gegenwart zu Hauſe ihn und ſeine
Familie gegen Mangel ſchuͤtzen muß, mehr Tage
hinter einander in ſtrenger Kaͤlte mit leerem
Magen herumlaufen, und Ohren und Naſen er¬
frieren laſſen. Er ſoll ihm die ſchuldigen Ab¬
gaben nicht ſchenken; aber er ſoll Nachſicht mit
ſeinen Umſtaͤnden haben, Ruͤckſicht auf erlittene
Ungluͤcksfaͤlle nehmen, und darauf halten, daß
die Beamten die Gelder zu einer Zeit eintreiben,
wo es dem armen Landmanne weniger ſchwer
wird, baare Muͤnze aufzutreiben, ohne ſich mit
Leib und Seele dem Juden oder dem boͤſen
Feinde zu verſchreiben.
Man ſchwaͤtzt ſo viel von Verbeſſerung der
Dorfſchulen und Aufklaͤrung des Landvolks; al¬
lein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/170>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.