daß ihr Feuer nicht aus der Champagner-Flasche gezogen worden. Allein wie wenig Künstler werden von jener bessern Glut entzündet! Ihre, durch unordentliche Aufführung und unglückliche äusserliche Verhältnisse, über welche sie nicht Kraft genug haben sich durch Philosophie zu er¬ heben, ihre dadurch geschwächte Maschiene, sage ich, fordert, um nicht ganz den Geist niederzu¬ drücken, gewaltsame Stärkungs- oder vielmehr berauschende Mittel. Dies treibt sie zuerst zu einem den sinnlichen Freuden gewidmeten Leben. Dazu kömmt, daß Der, welcher einmal die schö¬ nen Künste zu seinem einzigen Berufe gemacht hat, selten noch Geschmack an ernsthaften Ge¬ schäften findet, sondern daß diese ihm äusserst trocken scheinen, und da man doch nicht immer singen, geigen, pfeifen und klecksen kann; so bleiben viel Stunden des Tages auszufüllen, welche dann dem Wohlleben geopfert werden. An weise Vertheilung und Anwendung der Zeit, an Aufsuchung eines lehrreichen und vernünfti¬ gen Umgangs denken also diese Herrn selten, und sie schätzen den Mann, der ihnen sinnliche Freu¬ den gewährt und sie dabey schmeichelt, höher, als den Weisen, der sie auf den Weg der Wahr¬
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daß ihr Feuer nicht aus der Champagner-Flaſche gezogen worden. Allein wie wenig Kuͤnſtler werden von jener beſſern Glut entzuͤndet! Ihre, durch unordentliche Auffuͤhrung und ungluͤckliche aͤuſſerliche Verhaͤltniſſe, uͤber welche ſie nicht Kraft genug haben ſich durch Philoſophie zu er¬ heben, ihre dadurch geſchwaͤchte Maſchiene, ſage ich, fordert, um nicht ganz den Geiſt niederzu¬ druͤcken, gewaltſame Staͤrkungs- oder vielmehr berauſchende Mittel. Dies treibt ſie zuerſt zu einem den ſinnlichen Freuden gewidmeten Leben. Dazu koͤmmt, daß Der, welcher einmal die ſchoͤ¬ nen Kuͤnſte zu ſeinem einzigen Berufe gemacht hat, ſelten noch Geſchmack an ernſthaften Ge¬ ſchaͤften findet, ſondern daß dieſe ihm aͤuſſerſt trocken ſcheinen, und da man doch nicht immer ſingen, geigen, pfeifen und kleckſen kann; ſo bleiben viel Stunden des Tages auszufuͤllen, welche dann dem Wohlleben geopfert werden. An weiſe Vertheilung und Anwendung der Zeit, an Aufſuchung eines lehrreichen und vernuͤnfti¬ gen Umgangs denken alſo dieſe Herrn ſelten, und ſie ſchaͤtzen den Mann, der ihnen ſinnliche Freu¬ den gewaͤhrt und ſie dabey ſchmeichelt, hoͤher, als den Weiſen, der ſie auf den Weg der Wahr¬
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[83/0105]
daß ihr Feuer nicht aus der Champagner-Flaſche
gezogen worden. Allein wie wenig Kuͤnſtler
werden von jener beſſern Glut entzuͤndet! Ihre,
durch unordentliche Auffuͤhrung und ungluͤckliche
aͤuſſerliche Verhaͤltniſſe, uͤber welche ſie nicht
Kraft genug haben ſich durch Philoſophie zu er¬
heben, ihre dadurch geſchwaͤchte Maſchiene, ſage
ich, fordert, um nicht ganz den Geiſt niederzu¬
druͤcken, gewaltſame Staͤrkungs- oder vielmehr
berauſchende Mittel. Dies treibt ſie zuerſt zu
einem den ſinnlichen Freuden gewidmeten Leben.
Dazu koͤmmt, daß Der, welcher einmal die ſchoͤ¬
nen Kuͤnſte zu ſeinem einzigen Berufe gemacht
hat, ſelten noch Geſchmack an ernſthaften Ge¬
ſchaͤften findet, ſondern daß dieſe ihm aͤuſſerſt
trocken ſcheinen, und da man doch nicht immer
ſingen, geigen, pfeifen und kleckſen kann; ſo
bleiben viel Stunden des Tages auszufuͤllen,
welche dann dem Wohlleben geopfert werden.
An weiſe Vertheilung und Anwendung der Zeit,
an Aufſuchung eines lehrreichen und vernuͤnfti¬
gen Umgangs denken alſo dieſe Herrn ſelten, und
ſie ſchaͤtzen den Mann, der ihnen ſinnliche Freu¬
den gewaͤhrt und ſie dabey ſchmeichelt, hoͤher,
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/105>, abgerufen am 22.11.2024.
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