Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

mancher Gesellschaft mitgenommen, in welcher
wahrlich kein kluges Wort aus meinem Munde
gegangen war, und in welcher ich nichts gethan
hatte, als mit exemplarischer Geduld vorneh¬
men und halbgelehrten Unsinn anzuhören, oder
hie und da einen Mann auf ein Fach zu bringen,
wovon er gern redete. Wie Mancher besucht
mich, mit der demüthigen Ankündigung, (wo¬
bey ich mich oft nicht des Lachens erwehren
kann) er komme um mir als einem gewaltigen
Gelehrten und Schriftsteller seine Ehrerbie¬
tung zu bezeugen; der Mann setzt sich dann
hin und fängt an zu reden, lässt mich, den er
bewundern will, gar nicht zu Worte kommen,
und geht, entzückt über meine lehrreiche und an¬
genehme Unterhaltung, zu welcher ich nicht
zwanzig Worte geliefert habe, von mir, höchst
vergnügt, daß ich Verstand genug gehabt habe
-- ihm zuzuhören. Was kann unschuldiger
seyn, als solche Ausleerungen zu befördern,
wenn man dadurch Andern Erleichterung und
sich einen guten Ruf verschafft? Desfalls habe
ich nie die Gewohnheit der Hofleute von gemei¬
nerm Schlage gut finden können, die jedermann
nur mit halben Ohre und zerstreueter Miene

an¬

mancher Geſellſchaft mitgenommen, in welcher
wahrlich kein kluges Wort aus meinem Munde
gegangen war, und in welcher ich nichts gethan
hatte, als mit exemplariſcher Geduld vorneh¬
men und halbgelehrten Unſinn anzuhoͤren, oder
hie und da einen Mann auf ein Fach zu bringen,
wovon er gern redete. Wie Mancher beſucht
mich, mit der demuͤthigen Ankuͤndigung, (wo¬
bey ich mich oft nicht des Lachens erwehren
kann) er komme um mir als einem gewaltigen
Gelehrten und Schriftſteller ſeine Ehrerbie¬
tung zu bezeugen; der Mann ſetzt ſich dann
hin und faͤngt an zu reden, laͤſſt mich, den er
bewundern will, gar nicht zu Worte kommen,
und geht, entzuͤckt uͤber meine lehrreiche und an¬
genehme Unterhaltung, zu welcher ich nicht
zwanzig Worte geliefert habe, von mir, hoͤchſt
vergnuͤgt, daß ich Verſtand genug gehabt habe
— ihm zuzuhoͤren. Was kann unſchuldiger
ſeyn, als ſolche Ausleerungen zu befoͤrdern,
wenn man dadurch Andern Erleichterung und
ſich einen guten Ruf verſchafft? Desfalls habe
ich nie die Gewohnheit der Hofleute von gemei¬
nerm Schlage gut finden koͤnnen, die jedermann
nur mit halben Ohre und zerſtreueter Miene

an¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0073" n="43"/>
mancher Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mitgenommen, in welcher<lb/>
wahrlich kein kluges Wort aus meinem Munde<lb/>
gegangen war, und in welcher ich nichts gethan<lb/>
hatte, als mit exemplari&#x017F;cher Geduld vorneh¬<lb/>
men und halbgelehrten Un&#x017F;inn anzuho&#x0364;ren, oder<lb/>
hie und da einen Mann auf ein Fach zu bringen,<lb/>
wovon er gern redete. Wie Mancher be&#x017F;ucht<lb/>
mich, mit der demu&#x0364;thigen Anku&#x0364;ndigung, (wo¬<lb/>
bey ich mich oft nicht des Lachens erwehren<lb/>
kann) er komme um mir als einem gewaltigen<lb/>
Gelehrten und Schrift&#x017F;teller &#x017F;eine Ehrerbie¬<lb/>
tung zu bezeugen; der Mann &#x017F;etzt &#x017F;ich dann<lb/>
hin und fa&#x0364;ngt an zu reden, la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t mich, den er<lb/>
bewundern will, gar nicht zu Worte kommen,<lb/>
und geht, entzu&#x0364;ckt u&#x0364;ber meine lehrreiche und an¬<lb/>
genehme Unterhaltung, zu welcher ich nicht<lb/>
zwanzig Worte geliefert habe, von mir, ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
vergnu&#x0364;gt, daß ich Ver&#x017F;tand genug gehabt habe<lb/>
&#x2014; ihm zuzuho&#x0364;ren. Was kann un&#x017F;chuldiger<lb/>
&#x017F;eyn, als &#x017F;olche Ausleerungen zu befo&#x0364;rdern,<lb/>
wenn man dadurch Andern Erleichterung und<lb/>
&#x017F;ich einen guten Ruf ver&#x017F;chafft? Desfalls habe<lb/>
ich nie die Gewohnheit der Hofleute von gemei¬<lb/>
nerm Schlage gut finden ko&#x0364;nnen, die jedermann<lb/>
nur mit halben Ohre und zer&#x017F;treueter Miene<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0073] mancher Geſellſchaft mitgenommen, in welcher wahrlich kein kluges Wort aus meinem Munde gegangen war, und in welcher ich nichts gethan hatte, als mit exemplariſcher Geduld vorneh¬ men und halbgelehrten Unſinn anzuhoͤren, oder hie und da einen Mann auf ein Fach zu bringen, wovon er gern redete. Wie Mancher beſucht mich, mit der demuͤthigen Ankuͤndigung, (wo¬ bey ich mich oft nicht des Lachens erwehren kann) er komme um mir als einem gewaltigen Gelehrten und Schriftſteller ſeine Ehrerbie¬ tung zu bezeugen; der Mann ſetzt ſich dann hin und faͤngt an zu reden, laͤſſt mich, den er bewundern will, gar nicht zu Worte kommen, und geht, entzuͤckt uͤber meine lehrreiche und an¬ genehme Unterhaltung, zu welcher ich nicht zwanzig Worte geliefert habe, von mir, hoͤchſt vergnuͤgt, daß ich Verſtand genug gehabt habe — ihm zuzuhoͤren. Was kann unſchuldiger ſeyn, als ſolche Ausleerungen zu befoͤrdern, wenn man dadurch Andern Erleichterung und ſich einen guten Ruf verſchafft? Desfalls habe ich nie die Gewohnheit der Hofleute von gemei¬ nerm Schlage gut finden koͤnnen, die jedermann nur mit halben Ohre und zerſtreueter Miene an¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/73
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/73>, abgerufen am 28.11.2024.