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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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sern Manieren der Anwesenden weit ausser un¬
serm Systeme liegen, nicht zu unsern Gewohn¬
heiten passen, wo die Minuten uns Tage schei¬
nen, wo Zwang und Verwünschung unsrer
peinlichen Lage auf unsrer Stirne gemalt stehen.

Man sehe nur einen ehrlichen Land-Edel¬
mann, aus treuer Lehnspflicht einmal nach lan¬
gen Jahren wieder, an dem Hofe seines Landes¬
herrn erscheinen! Er hat sich schon früh Mor¬
gens auf's beste ausgeschmückt, und sich die sonst
gewöhnte liebe Pfeife Tabac versagt, um nicht
nach Rauch zu riechen. Auf den Gassen der
Stadt war noch alles öde und still, als er schon
in seinem Wirthshause umher wandelte und
alles in Bewegung setzte, um ihm beyzustehn
bey dem beschwerlichen Geschäfte, sich hof¬
mäßig auszuschmücken. Jetzt ist er endlich fer¬
tig; Sein gekräuseltes und gepudertes Haar,
das ausserdem selten ohne Nachtmütze auftritt,
hat er der freyen Luft preis gegeben, und lei¬
det er nun höllische Kopfschmerzen; die seide¬
nen Strümpfe ersetzen bey weitem nicht, was
die heute zurückgelegten Stiefel ihm sonst ge¬
währen; Ihn friert gewaltig an den ihm nackt

schei¬

ſern Manieren der Anweſenden weit auſſer un¬
ſerm Syſteme liegen, nicht zu unſern Gewohn¬
heiten paſſen, wo die Minuten uns Tage ſchei¬
nen, wo Zwang und Verwuͤnſchung unſrer
peinlichen Lage auf unſrer Stirne gemalt ſtehen.

Man ſehe nur einen ehrlichen Land-Edel¬
mann, aus treuer Lehnspflicht einmal nach lan¬
gen Jahren wieder, an dem Hofe ſeines Landes¬
herrn erſcheinen! Er hat ſich ſchon fruͤh Mor¬
gens auf’s beſte ausgeſchmuͤckt, und ſich die ſonſt
gewoͤhnte liebe Pfeife Tabac verſagt, um nicht
nach Rauch zu riechen. Auf den Gaſſen der
Stadt war noch alles oͤde und ſtill, als er ſchon
in ſeinem Wirthshauſe umher wandelte und
alles in Bewegung ſetzte, um ihm beyzuſtehn
bey dem beſchwerlichen Geſchaͤfte, ſich hof¬
maͤßig auszuſchmuͤcken. Jetzt iſt er endlich fer¬
tig; Sein gekraͤuſeltes und gepudertes Haar,
das auſſerdem ſelten ohne Nachtmuͤtze auftritt,
hat er der freyen Luft preis gegeben, und lei¬
det er nun hoͤlliſche Kopfſchmerzen; die ſeide¬
nen Struͤmpfe erſetzen bey weitem nicht, was
die heute zuruͤckgelegten Stiefel ihm ſonſt ge¬
waͤhren; Ihn friert gewaltig an den ihm nackt

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[18/0048] ſern Manieren der Anweſenden weit auſſer un¬ ſerm Syſteme liegen, nicht zu unſern Gewohn¬ heiten paſſen, wo die Minuten uns Tage ſchei¬ nen, wo Zwang und Verwuͤnſchung unſrer peinlichen Lage auf unſrer Stirne gemalt ſtehen. Man ſehe nur einen ehrlichen Land-Edel¬ mann, aus treuer Lehnspflicht einmal nach lan¬ gen Jahren wieder, an dem Hofe ſeines Landes¬ herrn erſcheinen! Er hat ſich ſchon fruͤh Mor¬ gens auf’s beſte ausgeſchmuͤckt, und ſich die ſonſt gewoͤhnte liebe Pfeife Tabac verſagt, um nicht nach Rauch zu riechen. Auf den Gaſſen der Stadt war noch alles oͤde und ſtill, als er ſchon in ſeinem Wirthshauſe umher wandelte und alles in Bewegung ſetzte, um ihm beyzuſtehn bey dem beſchwerlichen Geſchaͤfte, ſich hof¬ maͤßig auszuſchmuͤcken. Jetzt iſt er endlich fer¬ tig; Sein gekraͤuſeltes und gepudertes Haar, das auſſerdem ſelten ohne Nachtmuͤtze auftritt, hat er der freyen Luft preis gegeben, und lei¬ det er nun hoͤlliſche Kopfſchmerzen; die ſeide¬ nen Struͤmpfe erſetzen bey weitem nicht, was die heute zuruͤckgelegten Stiefel ihm ſonſt ge¬ waͤhren; Ihn friert gewaltig an den ihm nackt ſchei¬

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/48>, abgerufen am 18.04.2024.