schwerlich in so schlechtem Wetter eine so weite Reise werth seyn könnte: "O!" sagte er "Sie "kommen gewiß, um unsern General begraben "zu sehn; ja! es wird sich schön ausnehmen." -- Nun! zu so etwas kann ich kaum lächeln; Möchten alle Menschen das am schönsten fin¬ den, was sie haben! Doch gestehe ich auch, daß dies oft zu Intoleranz führt; daß die Anhänglichkeit an einheimische Sitten zuwei¬ len ungerecht, ungeschliffen gegen Menschen macht, die sich durch kleine Verschiedenheiten, wäre es auch nur in Anstand, Kleidung, Ton, Mundart oder Gebärden, unschuldigerweise auszeichnen.
In Reichsstädten ist diese Anhänglichkeit an väterliche Sitten, Kleidertrachten u. d. gl. sehr auffallend, und hat nicht selten Einfluß auf Regierungs-Verfassung, Religions-Ver¬ träglichkeit und andre wichtige Dinge. So legen z. B. alle calvinistischen Kaufleute in *** ihre Gärten nach holländischem Geschmack an; Nun hörte ich einstens einen Solchen von einem andern Negocianten dieses Bekenntnis¬ ses, der aber in seinen Garten einige der refor¬
mir¬
ſchwerlich in ſo ſchlechtem Wetter eine ſo weite Reiſe werth ſeyn koͤnnte: „O!“ ſagte er „Sie „kommen gewiß, um unſern General begraben „zu ſehn; ja! es wird ſich ſchoͤn ausnehmen.“ — Nun! zu ſo etwas kann ich kaum laͤcheln; Moͤchten alle Menſchen das am ſchoͤnſten fin¬ den, was ſie haben! Doch geſtehe ich auch, daß dies oft zu Intoleranz fuͤhrt; daß die Anhaͤnglichkeit an einheimiſche Sitten zuwei¬ len ungerecht, ungeſchliffen gegen Menſchen macht, die ſich durch kleine Verſchiedenheiten, waͤre es auch nur in Anſtand, Kleidung, Ton, Mundart oder Gebaͤrden, unſchuldigerweiſe auszeichnen.
In Reichsſtaͤdten iſt dieſe Anhaͤnglichkeit an vaͤterliche Sitten, Kleidertrachten u. d. gl. ſehr auffallend, und hat nicht ſelten Einfluß auf Regierungs-Verfaſſung, Religions-Ver¬ traͤglichkeit und andre wichtige Dinge. So legen z. B. alle calviniſtiſchen Kaufleute in *** ihre Gaͤrten nach hollaͤndiſchem Geſchmack an; Nun hoͤrte ich einſtens einen Solchen von einem andern Negocianten dieſes Bekenntniſ¬ ſes, der aber in ſeinen Garten einige der refor¬
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ſchwerlich in ſo ſchlechtem Wetter eine ſo weite
Reiſe werth ſeyn koͤnnte: „O!“ ſagte er „Sie
„kommen gewiß, um unſern General begraben
„zu ſehn; ja! es wird ſich ſchoͤn ausnehmen.“
— Nun! zu ſo etwas kann ich kaum laͤcheln;
Moͤchten alle Menſchen das am ſchoͤnſten fin¬
den, was ſie haben! Doch geſtehe ich auch,
daß dies oft zu Intoleranz fuͤhrt; daß die
Anhaͤnglichkeit an einheimiſche Sitten zuwei¬
len ungerecht, ungeſchliffen gegen Menſchen
macht, die ſich durch kleine Verſchiedenheiten,
waͤre es auch nur in Anſtand, Kleidung, Ton,
Mundart oder Gebaͤrden, unſchuldigerweiſe
auszeichnen.
In Reichsſtaͤdten iſt dieſe Anhaͤnglichkeit
an vaͤterliche Sitten, Kleidertrachten u. d. gl.
ſehr auffallend, und hat nicht ſelten Einfluß
auf Regierungs-Verfaſſung, Religions-Ver¬
traͤglichkeit und andre wichtige Dinge. So
legen z. B. alle calviniſtiſchen Kaufleute in
*** ihre Gaͤrten nach hollaͤndiſchem Geſchmack
an; Nun hoͤrte ich einſtens einen Solchen von
einem andern Negocianten dieſes Bekenntniſ¬
ſes, der aber in ſeinen Garten einige der refor¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/46>, abgerufen am 16.02.2025.
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