sondern ernsthaftere Niedersachse, der bey der ersten Bekanntschaft nicht sehr zuvorkommend, sondern wohl gar ein wenig verlegen ist, an einem Hofe im Reiche vielleicht für einen schüch¬ ternen Menschen, ohne Lebensart, ohne Welt angesehn werden.
Sich nun also nach Ort, Zeit und Um¬ ständen umzuformen und von verjährten Ge¬ wohnheiten sich loszumachen, das erfordert Studium und Kunst.
In Gegenden, aus welchen weder Unzu¬ friedenheit mit dem Vaterlande, noch Müßig¬ gang, noch Verderbheit der Sitten, noch un¬ bestimmte, rastlose' Thätigkeit, noch Anecdo¬ ten-Jagd, noch vorwitzige Neugier die Men¬ schen schaarenweise emigriren macht, und je¬ den Pinsel zum Reisen und Wandern treibt, sind die Einwohner mit dem, was es daheim giebt, so herzlich wohl zufrieden, daß sie nichts Größers kennen, nichts Größers kennen mö¬ gen, als was sie in ihrem Vaterlande von Ju¬ gend auf betrachtet, schon als Knaben be¬ wundert, oder von ihren Verwandten und Freunden haben stiften, bauen, anlegen ge¬
sehn.
ſondern ernſthaftere Niederſachſe, der bey der erſten Bekanntſchaft nicht ſehr zuvorkommend, ſondern wohl gar ein wenig verlegen iſt, an einem Hofe im Reiche vielleicht fuͤr einen ſchuͤch¬ ternen Menſchen, ohne Lebensart, ohne Welt angeſehn werden.
Sich nun alſo nach Ort, Zeit und Um¬ ſtaͤnden umzuformen und von verjaͤhrten Ge¬ wohnheiten ſich loszumachen, das erfordert Studium und Kunſt.
In Gegenden, aus welchen weder Unzu¬ friedenheit mit dem Vaterlande, noch Muͤßig¬ gang, noch Verderbheit der Sitten, noch un¬ beſtimmte, raſtloſe' Thaͤtigkeit, noch Anecdo¬ ten-Jagd, noch vorwitzige Neugier die Men¬ ſchen ſchaarenweiſe emigriren macht, und je¬ den Pinſel zum Reiſen und Wandern treibt, ſind die Einwohner mit dem, was es daheim giebt, ſo herzlich wohl zufrieden, daß ſie nichts Groͤßers kennen, nichts Groͤßers kennen moͤ¬ gen, als was ſie in ihrem Vaterlande von Ju¬ gend auf betrachtet, ſchon als Knaben be¬ wundert, oder von ihren Verwandten und Freunden haben ſtiften, bauen, anlegen ge¬
ſehn.
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[14/0044]
ſondern ernſthaftere Niederſachſe, der bey der
erſten Bekanntſchaft nicht ſehr zuvorkommend,
ſondern wohl gar ein wenig verlegen iſt, an
einem Hofe im Reiche vielleicht fuͤr einen ſchuͤch¬
ternen Menſchen, ohne Lebensart, ohne Welt
angeſehn werden.
Sich nun alſo nach Ort, Zeit und Um¬
ſtaͤnden umzuformen und von verjaͤhrten Ge¬
wohnheiten ſich loszumachen, das erfordert
Studium und Kunſt.
In Gegenden, aus welchen weder Unzu¬
friedenheit mit dem Vaterlande, noch Muͤßig¬
gang, noch Verderbheit der Sitten, noch un¬
beſtimmte, raſtloſe' Thaͤtigkeit, noch Anecdo¬
ten-Jagd, noch vorwitzige Neugier die Men¬
ſchen ſchaarenweiſe emigriren macht, und je¬
den Pinſel zum Reiſen und Wandern treibt,
ſind die Einwohner mit dem, was es daheim
giebt, ſo herzlich wohl zufrieden, daß ſie nichts
Groͤßers kennen, nichts Groͤßers kennen moͤ¬
gen, als was ſie in ihrem Vaterlande von Ju¬
gend auf betrachtet, ſchon als Knaben be¬
wundert, oder von ihren Verwandten und
Freunden haben ſtiften, bauen, anlegen ge¬
ſehn.
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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