verständige, weise, witzreiche; die Kunst sich bemerken, geltend, geachtet zu machen, ohne beneidet zu werden; sich nach den Tempera¬ menten, Einsichten und Neigungen der Men¬ schen zu richten, ohne falsch zu seyn; sich unge¬ zwungen in den Ton jeder Gesellschaft stimmen zu können, ohne weder Eigenthümlichkeit des Characters zu verliehren, noch sich zu niedriger Schmeicheley herabzulassen. Der, welchen nicht die Natur schon mit dieser glücklichen An¬ lage hat gebohren werden lassen, erwerbe sich Studium der Menschen, eine gewisse Geschmei¬ digkeit, Geselligkeit, Nachgiebigkeit, Duldung, zu rechter Zeit Verleugnung, Gewalt über hef¬ tige Leidenschaften, Wachsamkeit auf sich selbst und Heiterkeit des immer gleich gestimmten Ge¬ müths; und er wird sich jene Kunst zu eigen ma¬ chen, doch hüte man sich dieselbe zu verwechseln mit der schändlichen, niedrigen Gefälligkeit des verworfenen Sclaven, der sich von Jedem mi߬ brauchen lässt, sich Jedem preis giebt, um eine Mahlzeit zu gewinnen dem Schurken huldigt, und um eine Bedienung zu erhalten zum Un¬ rechte schweigt, zum Betruge die Hände bietet, und die Dummheit vergöttert.
In
verſtaͤndige, weiſe, witzreiche; die Kunſt ſich bemerken, geltend, geachtet zu machen, ohne beneidet zu werden; ſich nach den Tempera¬ menten, Einſichten und Neigungen der Men¬ ſchen zu richten, ohne falſch zu ſeyn; ſich unge¬ zwungen in den Ton jeder Geſellſchaft ſtimmen zu koͤnnen, ohne weder Eigenthuͤmlichkeit des Characters zu verliehren, noch ſich zu niedriger Schmeicheley herabzulaſſen. Der, welchen nicht die Natur ſchon mit dieſer gluͤcklichen An¬ lage hat gebohren werden laſſen, erwerbe ſich Studium der Menſchen, eine gewiſſe Geſchmei¬ digkeit, Geſelligkeit, Nachgiebigkeit, Duldung, zu rechter Zeit Verleugnung, Gewalt uͤber hef¬ tige Leidenſchaften, Wachſamkeit auf ſich ſelbſt und Heiterkeit des immer gleich geſtimmten Ge¬ muͤths; und er wird ſich jene Kunſt zu eigen ma¬ chen, doch huͤte man ſich dieſelbe zu verwechſeln mit der ſchaͤndlichen, niedrigen Gefaͤlligkeit des verworfenen Sclaven, der ſich von Jedem mi߬ brauchen laͤſſt, ſich Jedem preis giebt, um eine Mahlzeit zu gewinnen dem Schurken huldigt, und um eine Bedienung zu erhalten zum Un¬ rechte ſchweigt, zum Betruge die Haͤnde bietet, und die Dummheit vergoͤttert.
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verſtaͤndige, weiſe, witzreiche; die Kunſt ſich
bemerken, geltend, geachtet zu machen, ohne
beneidet zu werden; ſich nach den Tempera¬
menten, Einſichten und Neigungen der Men¬
ſchen zu richten, ohne falſch zu ſeyn; ſich unge¬
zwungen in den Ton jeder Geſellſchaft ſtimmen
zu koͤnnen, ohne weder Eigenthuͤmlichkeit des
Characters zu verliehren, noch ſich zu niedriger
Schmeicheley herabzulaſſen. Der, welchen
nicht die Natur ſchon mit dieſer gluͤcklichen An¬
lage hat gebohren werden laſſen, erwerbe ſich
Studium der Menſchen, eine gewiſſe Geſchmei¬
digkeit, Geſelligkeit, Nachgiebigkeit, Duldung,
zu rechter Zeit Verleugnung, Gewalt uͤber hef¬
tige Leidenſchaften, Wachſamkeit auf ſich ſelbſt
und Heiterkeit des immer gleich geſtimmten Ge¬
muͤths; und er wird ſich jene Kunſt zu eigen ma¬
chen, doch huͤte man ſich dieſelbe zu verwechſeln
mit der ſchaͤndlichen, niedrigen Gefaͤlligkeit des
verworfenen Sclaven, der ſich von Jedem mi߬
brauchen laͤſſt, ſich Jedem preis giebt, um eine
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und die Dummheit vergoͤttert.
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/38>, abgerufen am 24.11.2024.
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