man sich vorzüglich durch gastfreundschaftliche Aufnahme verpflichten. Es kömmt ihnen nicht auf eine köstliche freye Mahlzeit, aber darauf kömmt es ihnen an, daß sie Eingang in guten Häusern und dadurch Gelegenheit erhalten, sich über Gegenstände zu unterrichten, die zu dem Zwecke ihrer Reise gehören. Gastfreund¬ schaft gegen Fremde ist desfalls sehr zu empfeh¬ len. Man sehe nicht verlegen aus, wenn uns unerwartet ein Besuch überrascht! Nichts ist unangenehmer und peinlicher, als wenn wir merken, daß es dem Manne, der uns bewir¬ thet, sauer wird, daß er ungern und nur ans Höflichkeit hergiebt, oder daß er mehr Aufwand dabey verschwendet, als seine Umstände leiden; wenn er ohne Unterlaß seiner Frau oder seinen Bedienten in die Ohren flüstert, oder mit ih¬ nen zankt, sobald eine Schüssel unrecht gestellt oder etwas vergessen worden: wenn er selbst im Hause herumlaufen, alles anordnen muß, und also an den Freuden der Gesellschaft gar nicht Theil nimmt; wenn Er zwar gern giebt, seine Frau hingegen uns jeden Bissen in den Mund zählt; wenn so wenig in den Schüsseln liegt, daß Der, welcher vorlegt, ohnmöglich
herum¬
man ſich vorzuͤglich durch gaſtfreundſchaftliche Aufnahme verpflichten. Es koͤmmt ihnen nicht auf eine koͤſtliche freye Mahlzeit, aber darauf koͤmmt es ihnen an, daß ſie Eingang in guten Haͤuſern und dadurch Gelegenheit erhalten, ſich uͤber Gegenſtaͤnde zu unterrichten, die zu dem Zwecke ihrer Reiſe gehoͤren. Gaſtfreund¬ ſchaft gegen Fremde iſt desfalls ſehr zu empfeh¬ len. Man ſehe nicht verlegen aus, wenn uns unerwartet ein Beſuch uͤberraſcht! Nichts iſt unangenehmer und peinlicher, als wenn wir merken, daß es dem Manne, der uns bewir¬ thet, ſauer wird, daß er ungern und nur ans Hoͤflichkeit hergiebt, oder daß er mehr Aufwand dabey verſchwendet, als ſeine Umſtaͤnde leiden; wenn er ohne Unterlaß ſeiner Frau oder ſeinen Bedienten in die Ohren fluͤſtert, oder mit ih¬ nen zankt, ſobald eine Schuͤſſel unrecht geſtellt oder etwas vergeſſen worden: wenn er ſelbſt im Hauſe herumlaufen, alles anordnen muß, und alſo an den Freuden der Geſellſchaft gar nicht Theil nimmt; wenn Er zwar gern giebt, ſeine Frau hingegen uns jeden Biſſen in den Mund zaͤhlt; wenn ſo wenig in den Schuͤſſeln liegt, daß Der, welcher vorlegt, ohnmoͤglich
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man ſich vorzuͤglich durch gaſtfreundſchaftliche
Aufnahme verpflichten. Es koͤmmt ihnen nicht
auf eine koͤſtliche freye Mahlzeit, aber darauf
koͤmmt es ihnen an, daß ſie Eingang in guten
Haͤuſern und dadurch Gelegenheit erhalten,
ſich uͤber Gegenſtaͤnde zu unterrichten, die zu
dem Zwecke ihrer Reiſe gehoͤren. Gaſtfreund¬
ſchaft gegen Fremde iſt desfalls ſehr zu empfeh¬
len. Man ſehe nicht verlegen aus, wenn uns
unerwartet ein Beſuch uͤberraſcht! Nichts iſt
unangenehmer und peinlicher, als wenn wir
merken, daß es dem Manne, der uns bewir¬
thet, ſauer wird, daß er ungern und nur ans
Hoͤflichkeit hergiebt, oder daß er mehr Aufwand
dabey verſchwendet, als ſeine Umſtaͤnde leiden;
wenn er ohne Unterlaß ſeiner Frau oder ſeinen
Bedienten in die Ohren fluͤſtert, oder mit ih¬
nen zankt, ſobald eine Schuͤſſel unrecht geſtellt
oder etwas vergeſſen worden: wenn er ſelbſt
im Hauſe herumlaufen, alles anordnen muß,
und alſo an den Freuden der Geſellſchaft gar
nicht Theil nimmt; wenn Er zwar gern giebt,
ſeine Frau hingegen uns jeden Biſſen in den
Mund zaͤhlt; wenn ſo wenig in den Schuͤſſeln
liegt, daß Der, welcher vorlegt, ohnmoͤglich
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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