schmutzigen, ungesunden Löchern zu uns hervor¬ kriechen. Diese lose, auf ungewisse Zeit ge¬ knüpfte Verbindung zieht daher eine Gren¬ zenlinie zwischen dem Interesse beyder Theile; Der Herr sucht den Miethling recht wohlfeil zu bekommen, er müsste denn aus Eitelkeit oder Verschwendung mehr an ihn wenden; Was im Alter aus dem armen dienstbaren Ge¬ schöpfe werden wird, darum bekümmert er sich nicht, und der Bediente, der das weiß, sucht bey so ungewissen Aussichten zu erhaschen, was zu erhaschen ist, um wo möglich einen Noth¬ pfennnig zurückzulegen. Welchen Einfluß dies auf Sittlichkeit, auf Bildung, auf Vertrauen und gegenseitige Zuneigung haben müsse, das ist leicht einzusehn. Es ist wahr, daß nicht alle Herrschaften vollkommen so fremd und un¬ natürlich mit ihren Gesinden umgehen; aber wo findet man in jetzigen Zeiten noch Solche, die als Väter und Lehrer Derer, die ihnen die¬ nen, sich's zur Freude machen, mitten unter ihnen zu sitzen, durch weise und freundliche Ge¬ spräche sie zu unterrichten, zu ermuntern, an ihrer sittlichen und geistigen Bildung zu arbei¬ ten, und für ihr künftiges Schicksal besorgt zu
seyn?
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ſchmutzigen, ungeſunden Loͤchern zu uns hervor¬ kriechen. Dieſe loſe, auf ungewiſſe Zeit ge¬ knuͤpfte Verbindung zieht daher eine Gren¬ zenlinie zwiſchen dem Intereſſe beyder Theile; Der Herr ſucht den Miethling recht wohlfeil zu bekommen, er muͤſſte denn aus Eitelkeit oder Verſchwendung mehr an ihn wenden; Was im Alter aus dem armen dienſtbaren Ge¬ ſchoͤpfe werden wird, darum bekuͤmmert er ſich nicht, und der Bediente, der das weiß, ſucht bey ſo ungewiſſen Ausſichten zu erhaſchen, was zu erhaſchen iſt, um wo moͤglich einen Noth¬ pfennnig zuruͤckzulegen. Welchen Einfluß dies auf Sittlichkeit, auf Bildung, auf Vertrauen und gegenſeitige Zuneigung haben muͤſſe, das iſt leicht einzuſehn. Es iſt wahr, daß nicht alle Herrſchaften vollkommen ſo fremd und un¬ natuͤrlich mit ihren Geſinden umgehen; aber wo findet man in jetzigen Zeiten noch Solche, die als Vaͤter und Lehrer Derer, die ihnen die¬ nen, ſich's zur Freude machen, mitten unter ihnen zu ſitzen, durch weiſe und freundliche Ge¬ ſpraͤche ſie zu unterrichten, zu ermuntern, an ihrer ſittlichen und geiſtigen Bildung zu arbei¬ ten, und fuͤr ihr kuͤnftiges Schickſal beſorgt zu
ſeyn?
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ſchmutzigen, ungeſunden Loͤchern zu uns hervor¬
kriechen. Dieſe loſe, auf ungewiſſe Zeit ge¬
knuͤpfte Verbindung zieht daher eine Gren¬
zenlinie zwiſchen dem Intereſſe beyder Theile;
Der Herr ſucht den Miethling recht wohlfeil
zu bekommen, er muͤſſte denn aus Eitelkeit
oder Verſchwendung mehr an ihn wenden;
Was im Alter aus dem armen dienſtbaren Ge¬
ſchoͤpfe werden wird, darum bekuͤmmert er ſich
nicht, und der Bediente, der das weiß, ſucht
bey ſo ungewiſſen Ausſichten zu erhaſchen, was
zu erhaſchen iſt, um wo moͤglich einen Noth¬
pfennnig zuruͤckzulegen. Welchen Einfluß dies
auf Sittlichkeit, auf Bildung, auf Vertrauen
und gegenſeitige Zuneigung haben muͤſſe, das
iſt leicht einzuſehn. Es iſt wahr, daß nicht
alle Herrſchaften vollkommen ſo fremd und un¬
natuͤrlich mit ihren Geſinden umgehen; aber
wo findet man in jetzigen Zeiten noch Solche,
die als Vaͤter und Lehrer Derer, die ihnen die¬
nen, ſich's zur Freude machen, mitten unter
ihnen zu ſitzen, durch weiſe und freundliche Ge¬
ſpraͤche ſie zu unterrichten, zu ermuntern, an
ihrer ſittlichen und geiſtigen Bildung zu arbei¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/245>, abgerufen am 24.11.2024.
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