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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes.
§. 2. Grenzen des Patentschutzes.

Möglichkeit der ausschliesslichen Benutzung. -- Vermögenswerth der
Erfindung. -- Wissenschaftliche Entdeckungen. -- Weitere Begrenzung.
-- Occupation von Naturproducten. -- Neue Rohproducte. -- Ge-
werbliche Benutzung von Naturkräften und Rohstoffen. -- Arbeitslei-
stungen. -- Productive Kapitalanlagen. -- Melioration und Kapital-
speculation.

Die Patentgesetzgebung bezweckt nach dem Vorigen, an
den dazu geeigneten Erfindungen ein ausschliessliches Nutzungs-
recht unter solchen Formen zu begründen, welche dem Erfin-
der den Tauschwerth seiner Erfindung und der Gesammtheit
die möglichst vollständige Nutzung derselben sichern. Zur Dar-
stellung und Beurtheilung der sehr verschiedenen Wege, welche
die einzelnen Gesetzgebungen zu diesem Zwecke einschlagen,
ist es erforderlich, vorab zu untersuchen, welche Erfindungen
zu einer solchen ausschliessenden Nutzung geeignet sind. Diese
Frage beantwortet sich nach demjenigen, was im ersten Bande
S. 127 f. über die Erfordernisse des geistigen Eigenthumes über-
haupt gesagt ist, zunächst dahin, dass nur diejenigen Erfin-
dungen Gegenstände des Patentschutzes sein können, welche
einer ausschliesslichen vermögensrechtlichen Nutzung fähig sind.

Durch dieses Merkmal werden alle diejenigen Erfindungen
ausgeschlossen, deren Ausführung entweder keinen unmittelba-
ren Gewinn abwirft, oder an deren Reproduction, obgleich sie
einen vermögensrechtlichen Nutzen gewährt, doch niemand ver-
hindert werden kann. In die erste Klasse gehören die wis-
senschaftlichen Entdeckungen, welche keine unmittelbare prac-
tische Verwendung auf dem Gebiete der Industrie finden kön-
nen, wie die theoretischen Gesetze der Physik und die meisten
Entdeckungen der Chemie. Die zweite Kategorie umfasst solche
Erfindungen, deren Benutzung sich der Controle entzieht und
daher nicht durch gesetzlichen Zwang verhindert werden kann.
So macht z. B. jeder Seefahrer von Maurys Segelrouten (sai-
ling directions
) Gebrauch und verwerthet die Erfindung des
Segelns auf dem grössten Kreise als der kürzesten Verbindung
zweier Puncte der Erdoberfläche, ohne dass er in dieser Be-
nutzung durch ein Erfindungspatent beschränkt, oder durch

I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes.
§. 2. Grenzen des Patentschutzes.

Möglichkeit der ausschliesslichen Benutzung. — Vermögenswerth der
Erfindung. — Wissenschaftliche Entdeckungen. — Weitere Begrenzung.
— Occupation von Naturproducten. — Neue Rohproducte. — Ge-
werbliche Benutzung von Naturkräften und Rohstoffen. — Arbeitslei-
stungen. — Productive Kapitalanlagen. — Melioration und Kapital-
speculation.

Die Patentgesetzgebung bezweckt nach dem Vorigen, an
den dazu geeigneten Erfindungen ein ausschliessliches Nutzungs-
recht unter solchen Formen zu begründen, welche dem Erfin-
der den Tauschwerth seiner Erfindung und der Gesammtheit
die möglichst vollständige Nutzung derselben sichern. Zur Dar-
stellung und Beurtheilung der sehr verschiedenen Wege, welche
die einzelnen Gesetzgebungen zu diesem Zwecke einschlagen,
ist es erforderlich, vorab zu untersuchen, welche Erfindungen
zu einer solchen ausschliessenden Nutzung geeignet sind. Diese
Frage beantwortet sich nach demjenigen, was im ersten Bande
S. 127 f. über die Erfordernisse des geistigen Eigenthumes über-
haupt gesagt ist, zunächst dahin, dass nur diejenigen Erfin-
dungen Gegenstände des Patentschutzes sein können, welche
einer ausschliesslichen vermögensrechtlichen Nutzung fähig sind.

Durch dieses Merkmal werden alle diejenigen Erfindungen
ausgeschlossen, deren Ausführung entweder keinen unmittelba-
ren Gewinn abwirft, oder an deren Reproduction, obgleich sie
einen vermögensrechtlichen Nutzen gewährt, doch niemand ver-
hindert werden kann. In die erste Klasse gehören die wis-
senschaftlichen Entdeckungen, welche keine unmittelbare prac-
tische Verwendung auf dem Gebiete der Industrie finden kön-
nen, wie die theoretischen Gesetze der Physik und die meisten
Entdeckungen der Chemie. Die zweite Kategorie umfasst solche
Erfindungen, deren Benutzung sich der Controle entzieht und
daher nicht durch gesetzlichen Zwang verhindert werden kann.
So macht z. B. jeder Seefahrer von Maurys Segelrouten (sai-
ling directions
) Gebrauch und verwerthet die Erfindung des
Segelns auf dem grössten Kreise als der kürzesten Verbindung
zweier Puncte der Erdoberfläche, ohne dass er in dieser Be-
nutzung durch ein Erfindungspatent beschränkt, oder durch

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[10/0037] I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes. §. 2. Grenzen des Patentschutzes. Möglichkeit der ausschliesslichen Benutzung. — Vermögenswerth der Erfindung. — Wissenschaftliche Entdeckungen. — Weitere Begrenzung. — Occupation von Naturproducten. — Neue Rohproducte. — Ge- werbliche Benutzung von Naturkräften und Rohstoffen. — Arbeitslei- stungen. — Productive Kapitalanlagen. — Melioration und Kapital- speculation. Die Patentgesetzgebung bezweckt nach dem Vorigen, an den dazu geeigneten Erfindungen ein ausschliessliches Nutzungs- recht unter solchen Formen zu begründen, welche dem Erfin- der den Tauschwerth seiner Erfindung und der Gesammtheit die möglichst vollständige Nutzung derselben sichern. Zur Dar- stellung und Beurtheilung der sehr verschiedenen Wege, welche die einzelnen Gesetzgebungen zu diesem Zwecke einschlagen, ist es erforderlich, vorab zu untersuchen, welche Erfindungen zu einer solchen ausschliessenden Nutzung geeignet sind. Diese Frage beantwortet sich nach demjenigen, was im ersten Bande S. 127 f. über die Erfordernisse des geistigen Eigenthumes über- haupt gesagt ist, zunächst dahin, dass nur diejenigen Erfin- dungen Gegenstände des Patentschutzes sein können, welche einer ausschliesslichen vermögensrechtlichen Nutzung fähig sind. Durch dieses Merkmal werden alle diejenigen Erfindungen ausgeschlossen, deren Ausführung entweder keinen unmittelba- ren Gewinn abwirft, oder an deren Reproduction, obgleich sie einen vermögensrechtlichen Nutzen gewährt, doch niemand ver- hindert werden kann. In die erste Klasse gehören die wis- senschaftlichen Entdeckungen, welche keine unmittelbare prac- tische Verwendung auf dem Gebiete der Industrie finden kön- nen, wie die theoretischen Gesetze der Physik und die meisten Entdeckungen der Chemie. Die zweite Kategorie umfasst solche Erfindungen, deren Benutzung sich der Controle entzieht und daher nicht durch gesetzlichen Zwang verhindert werden kann. So macht z. B. jeder Seefahrer von Maurys Segelrouten (sai- ling directions) Gebrauch und verwerthet die Erfindung des Segelns auf dem grössten Kreise als der kürzesten Verbindung zweier Puncte der Erdoberfläche, ohne dass er in dieser Be- nutzung durch ein Erfindungspatent beschränkt, oder durch

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/37>, abgerufen am 26.04.2024.