Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Die Französische Gesetzgebung. §. 39. Aelteres Recht.
den andern verwandten Gewerbszweigen, sondern auch die Art
der Production, das Mass und die Beschaffenheit der verwen-
deten Stoffe und die Verfertigung selbst bis in die kleinsten
technischen Details polizeilich regelte. Die Schlosser waren
nicht berechtigt, die Nägel zu verfertigen, welche sie in ihrem
Gewerbe gebrauchten. Die Hutmacher durften nach einem
Edicte vom 10. August 1700 nur reines Biberhaar oder reine
Wolle, unter gewissen Bedingungen auch Kameelhaar oder
Kaninchenhaar, niemals aber Hasenhaar verarbeiten. Den Tuch-
machern waren durch achtzehn verschiedene Reglements die
Breite der zu verfertigenden Stoffe, die Beschaffenheit derselben
bis auf die Zahl der Fäden und die zu verwendenden Färbestoffe
vorgeschrieben. Die im Jahre 1730 veröffentlichte Sammlung
der damals geltenden gewerbepolizeilichen Reglements umfasste
vier Quartbände, zu denen bis zur Herausgabe der Encyclo-
pädie nach Rolands Angabe noch über 1000 neue Reglements
hinzugekommen waren1).

Die Befolgung dieser Vorschriften wurde durch unauf-
hörliche polizeiliche Visitationen der Fabriken überwacht. Aus-
serdem mussten alle fabrizirten Stoffe auf den Bureaus der
Gewerbepolizei mit Plomben versehen werden, welche deren
reglementsmässige Güte bezeugten. Jede fehlerhafte Fabri-
kation wurde nach einer Verordnung vom 24. Dezember 1670
dadurch bestraft, dass das fehlerhafte Stück mit dem Namen
des Fabrikanten oder des schuldigen Arbeiters an einem Gal-
gen von 9 Fuss Höhe ausgehängt und dann vernichtet wurde.
Im zweiten Rückfalle sollte der schuldige Fabrikant oder Ar-
beiter selbst mit der fehlerhaften Waare an demselben Pranger
während zwei Stunden ausgestellt werden2).

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass diese
Reglements, durch welche Colbert die französische Industrie
zur Blüthe zwingen wollte, diesen Zweck vorübergehend in
einem hohen Grade erfüllt haben. Wie aber solche künstliche
Eingriffe der Staatsgewalt in den naturgemässen Gang und
in die Gesetze des Verkehrs nur vorübergehend als Reizmittel
oder als Heilmittel für einen krankhaften Zustand Nutzen

1) Encyclopedie methodique. -- Manufactures, arts et metiers s. v.
Manufacture.
2) Renouard, Traite des brevets d'invention p. 61.

IX. Die Französische Gesetzgebung. §. 39. Aelteres Recht.
den andern verwandten Gewerbszweigen, sondern auch die Art
der Production, das Mass und die Beschaffenheit der verwen-
deten Stoffe und die Verfertigung selbst bis in die kleinsten
technischen Details polizeilich regelte. Die Schlosser waren
nicht berechtigt, die Nägel zu verfertigen, welche sie in ihrem
Gewerbe gebrauchten. Die Hutmacher durften nach einem
Edicte vom 10. August 1700 nur reines Biberhaar oder reine
Wolle, unter gewissen Bedingungen auch Kameelhaar oder
Kaninchenhaar, niemals aber Hasenhaar verarbeiten. Den Tuch-
machern waren durch achtzehn verschiedene Reglements die
Breite der zu verfertigenden Stoffe, die Beschaffenheit derselben
bis auf die Zahl der Fäden und die zu verwendenden Färbestoffe
vorgeschrieben. Die im Jahre 1730 veröffentlichte Sammlung
der damals geltenden gewerbepolizeilichen Reglements umfasste
vier Quartbände, zu denen bis zur Herausgabe der Encyclo-
pädie nach Rolands Angabe noch über 1000 neue Reglements
hinzugekommen waren1).

Die Befolgung dieser Vorschriften wurde durch unauf-
hörliche polizeiliche Visitationen der Fabriken überwacht. Aus-
serdem mussten alle fabrizirten Stoffe auf den Bureaus der
Gewerbepolizei mit Plomben versehen werden, welche deren
reglementsmässige Güte bezeugten. Jede fehlerhafte Fabri-
kation wurde nach einer Verordnung vom 24. Dezember 1670
dadurch bestraft, dass das fehlerhafte Stück mit dem Namen
des Fabrikanten oder des schuldigen Arbeiters an einem Gal-
gen von 9 Fuss Höhe ausgehängt und dann vernichtet wurde.
Im zweiten Rückfalle sollte der schuldige Fabrikant oder Ar-
beiter selbst mit der fehlerhaften Waare an demselben Pranger
während zwei Stunden ausgestellt werden2).

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass diese
Reglements, durch welche Colbert die französische Industrie
zur Blüthe zwingen wollte, diesen Zweck vorübergehend in
einem hohen Grade erfüllt haben. Wie aber solche künstliche
Eingriffe der Staatsgewalt in den naturgemässen Gang und
in die Gesetze des Verkehrs nur vorübergehend als Reizmittel
oder als Heilmittel für einen krankhaften Zustand Nutzen

1) Encyclopédie méthodique. — Manufactures, arts et metiers s. v.
Manufacture.
2) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 61.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="292"/><fw place="top" type="header">IX. Die Französische Gesetzgebung. §. 39. Aelteres Recht.</fw><lb/>
den andern verwandten Gewerbszweigen, sondern auch die Art<lb/>
der Production, das Mass und die Beschaffenheit der verwen-<lb/>
deten Stoffe und die Verfertigung selbst bis in die kleinsten<lb/>
technischen Details polizeilich regelte. Die Schlosser waren<lb/>
nicht berechtigt, die Nägel zu verfertigen, welche sie in ihrem<lb/>
Gewerbe gebrauchten. Die Hutmacher durften nach einem<lb/>
Edicte vom 10. August 1700 nur reines Biberhaar oder reine<lb/>
Wolle, unter gewissen Bedingungen auch Kameelhaar oder<lb/>
Kaninchenhaar, niemals aber Hasenhaar verarbeiten. Den Tuch-<lb/>
machern waren durch achtzehn verschiedene Reglements die<lb/>
Breite der zu verfertigenden Stoffe, die Beschaffenheit derselben<lb/>
bis auf die Zahl der Fäden und die zu verwendenden Färbestoffe<lb/>
vorgeschrieben. Die im Jahre 1730 veröffentlichte Sammlung<lb/>
der damals geltenden gewerbepolizeilichen Reglements umfasste<lb/>
vier Quartbände, zu denen bis zur Herausgabe der Encyclo-<lb/>
pädie nach Rolands Angabe noch über 1000 neue Reglements<lb/>
hinzugekommen waren<note place="foot" n="1)">Encyclopédie méthodique. &#x2014; Manufactures, arts et metiers s. v.<lb/><hi rendition="#i">Manufacture.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Die Befolgung dieser Vorschriften wurde durch unauf-<lb/>
hörliche polizeiliche Visitationen der Fabriken überwacht. Aus-<lb/>
serdem mussten alle fabrizirten Stoffe auf den Bureaus der<lb/>
Gewerbepolizei mit Plomben versehen werden, welche deren<lb/>
reglementsmässige Güte bezeugten. Jede fehlerhafte Fabri-<lb/>
kation wurde nach einer Verordnung vom 24. Dezember 1670<lb/>
dadurch bestraft, dass das fehlerhafte Stück mit dem Namen<lb/>
des Fabrikanten oder des schuldigen Arbeiters an einem Gal-<lb/>
gen von 9 Fuss Höhe ausgehängt und dann vernichtet wurde.<lb/>
Im zweiten Rückfalle sollte der schuldige Fabrikant oder Ar-<lb/>
beiter selbst mit der fehlerhaften Waare an demselben Pranger<lb/>
während zwei Stunden ausgestellt werden<note place="foot" n="2)">Renouard, Traité des brevets d&#x2019;invention p. 61.</note>.</p><lb/>
            <p>Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass diese<lb/>
Reglements, durch welche Colbert die französische Industrie<lb/>
zur Blüthe zwingen wollte, diesen Zweck vorübergehend in<lb/>
einem hohen Grade erfüllt haben. Wie aber solche künstliche<lb/>
Eingriffe der Staatsgewalt in den naturgemässen Gang und<lb/>
in die Gesetze des Verkehrs nur vorübergehend als Reizmittel<lb/>
oder als Heilmittel für einen krankhaften Zustand Nutzen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0319] IX. Die Französische Gesetzgebung. §. 39. Aelteres Recht. den andern verwandten Gewerbszweigen, sondern auch die Art der Production, das Mass und die Beschaffenheit der verwen- deten Stoffe und die Verfertigung selbst bis in die kleinsten technischen Details polizeilich regelte. Die Schlosser waren nicht berechtigt, die Nägel zu verfertigen, welche sie in ihrem Gewerbe gebrauchten. Die Hutmacher durften nach einem Edicte vom 10. August 1700 nur reines Biberhaar oder reine Wolle, unter gewissen Bedingungen auch Kameelhaar oder Kaninchenhaar, niemals aber Hasenhaar verarbeiten. Den Tuch- machern waren durch achtzehn verschiedene Reglements die Breite der zu verfertigenden Stoffe, die Beschaffenheit derselben bis auf die Zahl der Fäden und die zu verwendenden Färbestoffe vorgeschrieben. Die im Jahre 1730 veröffentlichte Sammlung der damals geltenden gewerbepolizeilichen Reglements umfasste vier Quartbände, zu denen bis zur Herausgabe der Encyclo- pädie nach Rolands Angabe noch über 1000 neue Reglements hinzugekommen waren 1). Die Befolgung dieser Vorschriften wurde durch unauf- hörliche polizeiliche Visitationen der Fabriken überwacht. Aus- serdem mussten alle fabrizirten Stoffe auf den Bureaus der Gewerbepolizei mit Plomben versehen werden, welche deren reglementsmässige Güte bezeugten. Jede fehlerhafte Fabri- kation wurde nach einer Verordnung vom 24. Dezember 1670 dadurch bestraft, dass das fehlerhafte Stück mit dem Namen des Fabrikanten oder des schuldigen Arbeiters an einem Gal- gen von 9 Fuss Höhe ausgehängt und dann vernichtet wurde. Im zweiten Rückfalle sollte der schuldige Fabrikant oder Ar- beiter selbst mit der fehlerhaften Waare an demselben Pranger während zwei Stunden ausgestellt werden 2). Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass diese Reglements, durch welche Colbert die französische Industrie zur Blüthe zwingen wollte, diesen Zweck vorübergehend in einem hohen Grade erfüllt haben. Wie aber solche künstliche Eingriffe der Staatsgewalt in den naturgemässen Gang und in die Gesetze des Verkehrs nur vorübergehend als Reizmittel oder als Heilmittel für einen krankhaften Zustand Nutzen 1) Encyclopédie méthodique. — Manufactures, arts et metiers s. v. Manufacture. 2) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 61.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/319
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/319>, abgerufen am 03.05.2024.