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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Privilegien des ältern Rechtes.
vilegirten Zünfte und gewerblichen Corporationen entgegenge-
setzt wurden. Der Erfinder eines neuen Gewerbszweiges, weit
entfernt die Nachahmung in einem Staate befürchten zu müs-
sen, in dem jede Art der Fabrication bis in die kleinsten
technischen Details reglementirt war, bedurfte erst selbst eines
Actes der Königlichen Machtvollkommenheit, um von diesen
Reglements abweichen und ein Gewerbe treiben zu dürfen,
welches unter keines der bestehenden zünftigen Handwerke
subsumirt werden konnte, wohl aber vielleicht in das Absatz-
gebiet mehrerer dieser Zünfte eingriff.

Als Argand die nach ihm benannte Lampe mit doppel-
tem Luftzuge erfunden hatte, musste er über die Benutzung
dieser Erfindung gegen die Zünfte der Blechschmiede, der
Schlosser, der Klempner und der Kurzwaarenhändler prozes-
siren. Als die Erfindung der Kattundruckerei von einigen
Fabrikanten in Nantes und Rennes als gemeinschaftliche Un-
ternehmung eingeführt werden sollte, opponirten dagegen die
Zünfte der Weber, der Färber und die Lyoner Seidenfabri-
kanten1). Nachdem der Prozess im Jahre 1660 gewonnen
war, waren die zusammengebrachten Fonds in den ungeheuren
Prozesskosten2) erschöpft und die Opponenten hatten ihr Ziel,
die Einführung einer neuen Industrie zu verhindern, vorläufig
erreicht.

Solche Hindernisse wurden beseitigt durch die Ertheilung
von Privilegien für neue Erfindungen, durch welche den dar-
auf begründeten Fabriken die Freiheiten der "Königlichen
Manufacturen" gewährt wurden. Diese Königlichen Manufac-
turen bildeten vereinzelte Stätten der freien Gewerbthätigkeit
innerhalb einer durch tausend Schranken gehemmten und ab-
getheilten Industrie. Seit den Zeiten des grossen Colbert war
in Frankreich eine Reglementirung aller Gewerbszweige herr-
schend geworden, welche für jedes Handwerk und für jede
Fabrikation nicht bloss die Grenzen der Production gegenüber

1) Die Vorstände dieser Zünfte machten in ihren Vorstellungen
geltend: "Die Kattunfabrikation würde das Reich zu Grunde richten
und die Arbeiterbevölkerung an den Bettelstab bringen. Alles sei ver-
loren, wenn die Verwaltung sich nicht der Einführung der neuen In-
dustrie widersetze." -- Renouard, Traite des brevets d'invention p. 71.
2) Vergl. Bd. I S. 64.

Privilegien des ältern Rechtes.
vilegirten Zünfte und gewerblichen Corporationen entgegenge-
setzt wurden. Der Erfinder eines neuen Gewerbszweiges, weit
entfernt die Nachahmung in einem Staate befürchten zu müs-
sen, in dem jede Art der Fabrication bis in die kleinsten
technischen Details reglementirt war, bedurfte erst selbst eines
Actes der Königlichen Machtvollkommenheit, um von diesen
Reglements abweichen und ein Gewerbe treiben zu dürfen,
welches unter keines der bestehenden zünftigen Handwerke
subsumirt werden konnte, wohl aber vielleicht in das Absatz-
gebiet mehrerer dieser Zünfte eingriff.

Als Argand die nach ihm benannte Lampe mit doppel-
tem Luftzuge erfunden hatte, musste er über die Benutzung
dieser Erfindung gegen die Zünfte der Blechschmiede, der
Schlosser, der Klempner und der Kurzwaarenhändler prozes-
siren. Als die Erfindung der Kattundruckerei von einigen
Fabrikanten in Nantes und Rennes als gemeinschaftliche Un-
ternehmung eingeführt werden sollte, opponirten dagegen die
Zünfte der Weber, der Färber und die Lyoner Seidenfabri-
kanten1). Nachdem der Prozess im Jahre 1660 gewonnen
war, waren die zusammengebrachten Fonds in den ungeheuren
Prozesskosten2) erschöpft und die Opponenten hatten ihr Ziel,
die Einführung einer neuen Industrie zu verhindern, vorläufig
erreicht.

Solche Hindernisse wurden beseitigt durch die Ertheilung
von Privilegien für neue Erfindungen, durch welche den dar-
auf begründeten Fabriken die Freiheiten der »Königlichen
Manufacturen« gewährt wurden. Diese Königlichen Manufac-
turen bildeten vereinzelte Stätten der freien Gewerbthätigkeit
innerhalb einer durch tausend Schranken gehemmten und ab-
getheilten Industrie. Seit den Zeiten des grossen Colbert war
in Frankreich eine Reglementirung aller Gewerbszweige herr-
schend geworden, welche für jedes Handwerk und für jede
Fabrikation nicht bloss die Grenzen der Production gegenüber

1) Die Vorstände dieser Zünfte machten in ihren Vorstellungen
geltend: »Die Kattunfabrikation würde das Reich zu Grunde richten
und die Arbeiterbevölkerung an den Bettelstab bringen. Alles sei ver-
loren, wenn die Verwaltung sich nicht der Einführung der neuen In-
dustrie widersetze.« — Renouard, Traité des brevets d’invention p. 71.
2) Vergl. Bd. I S. 64.
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[291/0318] Privilegien des ältern Rechtes. vilegirten Zünfte und gewerblichen Corporationen entgegenge- setzt wurden. Der Erfinder eines neuen Gewerbszweiges, weit entfernt die Nachahmung in einem Staate befürchten zu müs- sen, in dem jede Art der Fabrication bis in die kleinsten technischen Details reglementirt war, bedurfte erst selbst eines Actes der Königlichen Machtvollkommenheit, um von diesen Reglements abweichen und ein Gewerbe treiben zu dürfen, welches unter keines der bestehenden zünftigen Handwerke subsumirt werden konnte, wohl aber vielleicht in das Absatz- gebiet mehrerer dieser Zünfte eingriff. Als Argand die nach ihm benannte Lampe mit doppel- tem Luftzuge erfunden hatte, musste er über die Benutzung dieser Erfindung gegen die Zünfte der Blechschmiede, der Schlosser, der Klempner und der Kurzwaarenhändler prozes- siren. Als die Erfindung der Kattundruckerei von einigen Fabrikanten in Nantes und Rennes als gemeinschaftliche Un- ternehmung eingeführt werden sollte, opponirten dagegen die Zünfte der Weber, der Färber und die Lyoner Seidenfabri- kanten 1). Nachdem der Prozess im Jahre 1660 gewonnen war, waren die zusammengebrachten Fonds in den ungeheuren Prozesskosten 2) erschöpft und die Opponenten hatten ihr Ziel, die Einführung einer neuen Industrie zu verhindern, vorläufig erreicht. Solche Hindernisse wurden beseitigt durch die Ertheilung von Privilegien für neue Erfindungen, durch welche den dar- auf begründeten Fabriken die Freiheiten der »Königlichen Manufacturen« gewährt wurden. Diese Königlichen Manufac- turen bildeten vereinzelte Stätten der freien Gewerbthätigkeit innerhalb einer durch tausend Schranken gehemmten und ab- getheilten Industrie. Seit den Zeiten des grossen Colbert war in Frankreich eine Reglementirung aller Gewerbszweige herr- schend geworden, welche für jedes Handwerk und für jede Fabrikation nicht bloss die Grenzen der Production gegenüber 1) Die Vorstände dieser Zünfte machten in ihren Vorstellungen geltend: »Die Kattunfabrikation würde das Reich zu Grunde richten und die Arbeiterbevölkerung an den Bettelstab bringen. Alles sei ver- loren, wenn die Verwaltung sich nicht der Einführung der neuen In- dustrie widersetze.« — Renouard, Traité des brevets d’invention p. 71. 2) Vergl. Bd. I S. 64.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/318>, abgerufen am 26.11.2024.