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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme.
vor dem Gerichtshofe des Wohnortes des Patentsuchers --
welche erst im weiteren Verlaufe der Darstellung näher ge-
würdigt werden können.

Der mitgetheilte Gesetzentwurf ist auch von der franzö-
sischen Regierung nicht weiter verfolgt worden. Ebenso erging
es dem Vorschlage zur Einführung des Aufgebotsverfahrens
in Belgien. Auf den Beschluss der Kammern wurde dort im
Jahre 1848 eine Commission niedergesetzt, um ein neues Pa-
tentgesetz auszuarbeiten. Sie genügte diesem Auftrage, indem
sie im Jahre 1850 einen Gesetzentwurf aus 140 Artikeln nebst
Motiven vorlegte, welcher das Verfahren bei der Patenterthei-
lung nach folgenden Grundsätzen regelte:

Jeder Antrag auf Ertheilung eines Patentes wird nebst
der Beschreibung der Erfindung und den Zeichnungen öffent-
lich bekannt gemacht. Während einer Frist von 3 Monaten
kann Jeder, welcher dagegen Einwendungen zu machen hat,
solche anbringen und der Minister des Innern hat ebenfalls das
Recht, solche Einwendungen von Amts wegen zu erheben.
Nach dem Ablaufe der Frist entscheidet der Minister des In-
nern über das Gesuch und die dagegen gemachten Einwen-
dungen. Gegen diese Entscheidung findet Berufung an den
Sachverständigenrath (conseil des prudhommes) in Brüssel
statt. Wenn dieser entscheidet, dass das Patent zu bewilligen, so
wird solches durch den Minister des Innern ausgefertigt. Die
so ertheilten Patente können in der Regel nicht angefochten
werden.

Diesem Entwurfe hat die Belgische Regierung ihre Zu-
stimmung nicht ertheilt. Vielmehr wurde durch das Gesetz
vom 27. März 1857 das Verfahren bei der Patentertheilung
lediglich nach dem Anmeldungssysteme geregelt.

Es fehlt also in den bestehenden Gesetzgebungen noch
an einer befriedigenden practischen Durchführung des Aufge-
botsverfahrens. Das Beispiel der Englischen und der Franzö-
sischen Gesetzgebung zeigt jedoch, dass das Aufgebotsverfahren
mit erheblichen Vortheilen für den Erfinder und für das bethei-
ligte gewerbtreibende Publicum durchgeführt werden kann. Es
beseitigt die Rechtsunsicherheit, welche dem Erfinder, und die
Belästigung des freien Verkehrs, welche dem Gewerbebetriebe
aus dem Anmeldungssysteme erwächst. Es macht den kost-
spieligen und unzureichenden Apparat des Vorprüfungsverfah-

II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme.
vor dem Gerichtshofe des Wohnortes des Patentsuchers —
welche erst im weiteren Verlaufe der Darstellung näher ge-
würdigt werden können.

Der mitgetheilte Gesetzentwurf ist auch von der franzö-
sischen Regierung nicht weiter verfolgt worden. Ebenso erging
es dem Vorschlage zur Einführung des Aufgebotsverfahrens
in Belgien. Auf den Beschluss der Kammern wurde dort im
Jahre 1848 eine Commission niedergesetzt, um ein neues Pa-
tentgesetz auszuarbeiten. Sie genügte diesem Auftrage, indem
sie im Jahre 1850 einen Gesetzentwurf aus 140 Artikeln nebst
Motiven vorlegte, welcher das Verfahren bei der Patenterthei-
lung nach folgenden Grundsätzen regelte:

Jeder Antrag auf Ertheilung eines Patentes wird nebst
der Beschreibung der Erfindung und den Zeichnungen öffent-
lich bekannt gemacht. Während einer Frist von 3 Monaten
kann Jeder, welcher dagegen Einwendungen zu machen hat,
solche anbringen und der Minister des Innern hat ebenfalls das
Recht, solche Einwendungen von Amts wegen zu erheben.
Nach dem Ablaufe der Frist entscheidet der Minister des In-
nern über das Gesuch und die dagegen gemachten Einwen-
dungen. Gegen diese Entscheidung findet Berufung an den
Sachverständigenrath (conseil des prudhommes) in Brüssel
statt. Wenn dieser entscheidet, dass das Patent zu bewilligen, so
wird solches durch den Minister des Innern ausgefertigt. Die
so ertheilten Patente können in der Regel nicht angefochten
werden.

Diesem Entwurfe hat die Belgische Regierung ihre Zu-
stimmung nicht ertheilt. Vielmehr wurde durch das Gesetz
vom 27. März 1857 das Verfahren bei der Patentertheilung
lediglich nach dem Anmeldungssysteme geregelt.

Es fehlt also in den bestehenden Gesetzgebungen noch
an einer befriedigenden practischen Durchführung des Aufge-
botsverfahrens. Das Beispiel der Englischen und der Franzö-
sischen Gesetzgebung zeigt jedoch, dass das Aufgebotsverfahren
mit erheblichen Vortheilen für den Erfinder und für das bethei-
ligte gewerbtreibende Publicum durchgeführt werden kann. Es
beseitigt die Rechtsunsicherheit, welche dem Erfinder, und die
Belästigung des freien Verkehrs, welche dem Gewerbebetriebe
aus dem Anmeldungssysteme erwächst. Es macht den kost-
spieligen und unzureichenden Apparat des Vorprüfungsverfah-

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[86/0113] II. Verfahren. §. 8. Verschiedene Systeme. vor dem Gerichtshofe des Wohnortes des Patentsuchers — welche erst im weiteren Verlaufe der Darstellung näher ge- würdigt werden können. Der mitgetheilte Gesetzentwurf ist auch von der franzö- sischen Regierung nicht weiter verfolgt worden. Ebenso erging es dem Vorschlage zur Einführung des Aufgebotsverfahrens in Belgien. Auf den Beschluss der Kammern wurde dort im Jahre 1848 eine Commission niedergesetzt, um ein neues Pa- tentgesetz auszuarbeiten. Sie genügte diesem Auftrage, indem sie im Jahre 1850 einen Gesetzentwurf aus 140 Artikeln nebst Motiven vorlegte, welcher das Verfahren bei der Patenterthei- lung nach folgenden Grundsätzen regelte: Jeder Antrag auf Ertheilung eines Patentes wird nebst der Beschreibung der Erfindung und den Zeichnungen öffent- lich bekannt gemacht. Während einer Frist von 3 Monaten kann Jeder, welcher dagegen Einwendungen zu machen hat, solche anbringen und der Minister des Innern hat ebenfalls das Recht, solche Einwendungen von Amts wegen zu erheben. Nach dem Ablaufe der Frist entscheidet der Minister des In- nern über das Gesuch und die dagegen gemachten Einwen- dungen. Gegen diese Entscheidung findet Berufung an den Sachverständigenrath (conseil des prudhommes) in Brüssel statt. Wenn dieser entscheidet, dass das Patent zu bewilligen, so wird solches durch den Minister des Innern ausgefertigt. Die so ertheilten Patente können in der Regel nicht angefochten werden. Diesem Entwurfe hat die Belgische Regierung ihre Zu- stimmung nicht ertheilt. Vielmehr wurde durch das Gesetz vom 27. März 1857 das Verfahren bei der Patentertheilung lediglich nach dem Anmeldungssysteme geregelt. Es fehlt also in den bestehenden Gesetzgebungen noch an einer befriedigenden practischen Durchführung des Aufge- botsverfahrens. Das Beispiel der Englischen und der Franzö- sischen Gesetzgebung zeigt jedoch, dass das Aufgebotsverfahren mit erheblichen Vortheilen für den Erfinder und für das bethei- ligte gewerbtreibende Publicum durchgeführt werden kann. Es beseitigt die Rechtsunsicherheit, welche dem Erfinder, und die Belästigung des freien Verkehrs, welche dem Gewerbebetriebe aus dem Anmeldungssysteme erwächst. Es macht den kost- spieligen und unzureichenden Apparat des Vorprüfungsverfah-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/113>, abgerufen am 25.04.2024.