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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Kapitalwerth der geistigen Arbeit.
Vortheile, welche die Astronomen der Schifffahrt, die Entdecker
dem Handel, die Physiker und Chemiker der Industrie gebracht
haben, aber man lohnte die Meister in diesen geistigen Werk-
stätten mit kargem Ehrensolde ab, während man die directen
Früchte ihrer geistigen Arbeit Nachdruckern und Nachahmern
preisgab.

Auch heute wird der Kapitalwerth der geistigen Industrie
vielleicht noch nicht hinreichend gewürdigt. Bei jeder Arbeits-
leistung dient ein Theil des Ertrages zu den Kosten der Un-
terhaltung des Arbeitenden. Der Ueberschuss wächst dem Ge-
sammtreichthum zu, d. h. er vermehrt den Vorrath fertiger
menschlicher Erzeugnisse, der als mächtiges Hülfsmittel der
Arbeit die weitere Unterwerfung und Beherrschung der körper-
lichen Welt unterstützt, und in diesem Ueberschusse der Ar-
beitsleistung besteht ihr Kapitalwerth. Während nun die Er-
zeugnisse der körperlichen Arbeit durch den Gebrauch verzehrt
werden, erleiden die Producte der geistigen Industrie durch
den Gebrauch keine Veränderung. Während der verarbeitete
Stoff der Zerstörung unterliegt, ist die Form, das Product des
geistigen Schaffens, unvergänglich und unzerstörbar. Auch die
festeste Dampfmaschine des geschicktesten Arbeiters wird in
einem oder zwei Menschenaltern abgenutzt - die Wattsche
Dampfmaschine aber bleibt unvergänglich, solange sie nicht
durch die Erfindung einer ganz neuen Bewegungskraft entbehr-
lich gemacht wird. Die geistige Arbeit, deren Resultat jene
Erfindung ist, wird seit fast 100 Jahren von jedem Erbauer
und von jedem Betreiber einer Dampfmaschine benutzt, sie ist
von den nachfolgenden Erfindern, welche die Wattsche Ma-
schine verändert und verbessert haben, benutzt worden, ohne
dadurch irgend etwas an ihrer ursprünglichen Brauchbarkeit
zu verlieren. Der Vermögenswerth einer solchen Erfindung
kann ungefähr anschaulich gemacht werden an den Früchten,
welche der Erfinder selbst, begünstigt durch einen ausreichen-
den Rechtsschutz, aus der ersten Anwendung seiner Erfindung
zu ziehen vermochte. James Watt konnte unter dem Schutze
der englischen Patentgesetzgebung von den Bergwerksbesitzern,
welche seine neue Maschine zur Wasserhebung anwendeten,
ein Drittel der Ersparniss als Preis bedingen, welche an Brenn-
material gegenüber der früher gebrauchten Saveryschen Ma-
schine erzielt wurde. Diese Prämie belief sich auf einer ein-

Kapitalwerth der geistigen Arbeit.
Vortheile, welche die Astronomen der Schifffahrt, die Entdecker
dem Handel, die Physiker und Chemiker der Industrie gebracht
haben, aber man lohnte die Meister in diesen geistigen Werk-
stätten mit kargem Ehrensolde ab, während man die directen
Früchte ihrer geistigen Arbeit Nachdruckern und Nachahmern
preisgab.

Auch heute wird der Kapitalwerth der geistigen Industrie
vielleicht noch nicht hinreichend gewürdigt. Bei jeder Arbeits-
leistung dient ein Theil des Ertrages zu den Kosten der Un-
terhaltung des Arbeitenden. Der Ueberschuss wächst dem Ge-
sammtreichthum zu, d. h. er vermehrt den Vorrath fertiger
menschlicher Erzeugnisse, der als mächtiges Hülfsmittel der
Arbeit die weitere Unterwerfung und Beherrschung der körper-
lichen Welt unterstützt, und in diesem Ueberschusse der Ar-
beitsleistung besteht ihr Kapitalwerth. Während nun die Er-
zeugnisse der körperlichen Arbeit durch den Gebrauch verzehrt
werden, erleiden die Producte der geistigen Industrie durch
den Gebrauch keine Veränderung. Während der verarbeitete
Stoff der Zerstörung unterliegt, ist die Form, das Product des
geistigen Schaffens, unvergänglich und unzerstörbar. Auch die
festeste Dampfmaschine des geschicktesten Arbeiters wird in
einem oder zwei Menschenaltern abgenutzt ‒ die Wattsche
Dampfmaschine aber bleibt unvergänglich, solange sie nicht
durch die Erfindung einer ganz neuen Bewegungskraft entbehr-
lich gemacht wird. Die geistige Arbeit, deren Resultat jene
Erfindung ist, wird seit fast 100 Jahren von jedem Erbauer
und von jedem Betreiber einer Dampfmaschine benutzt, sie ist
von den nachfolgenden Erfindern, welche die Wattsche Ma-
schine verändert und verbessert haben, benutzt worden, ohne
dadurch irgend etwas an ihrer ursprünglichen Brauchbarkeit
zu verlieren. Der Vermögenswerth einer solchen Erfindung
kann ungefähr anschaulich gemacht werden an den Früchten,
welche der Erfinder selbst, begünstigt durch einen ausreichen-
den Rechtsschutz, aus der ersten Anwendung seiner Erfindung
zu ziehen vermochte. James Watt konnte unter dem Schutze
der englischen Patentgesetzgebung von den Bergwerksbesitzern,
welche seine neue Maschine zur Wasserhebung anwendeten,
ein Drittel der Ersparniss als Preis bedingen, welche an Brenn-
material gegenüber der früher gebrauchten Saveryschen Ma-
schine erzielt wurde. Diese Prämie belief sich auf einer ein-

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[13/0029] Kapitalwerth der geistigen Arbeit. Vortheile, welche die Astronomen der Schifffahrt, die Entdecker dem Handel, die Physiker und Chemiker der Industrie gebracht haben, aber man lohnte die Meister in diesen geistigen Werk- stätten mit kargem Ehrensolde ab, während man die directen Früchte ihrer geistigen Arbeit Nachdruckern und Nachahmern preisgab. Auch heute wird der Kapitalwerth der geistigen Industrie vielleicht noch nicht hinreichend gewürdigt. Bei jeder Arbeits- leistung dient ein Theil des Ertrages zu den Kosten der Un- terhaltung des Arbeitenden. Der Ueberschuss wächst dem Ge- sammtreichthum zu, d. h. er vermehrt den Vorrath fertiger menschlicher Erzeugnisse, der als mächtiges Hülfsmittel der Arbeit die weitere Unterwerfung und Beherrschung der körper- lichen Welt unterstützt, und in diesem Ueberschusse der Ar- beitsleistung besteht ihr Kapitalwerth. Während nun die Er- zeugnisse der körperlichen Arbeit durch den Gebrauch verzehrt werden, erleiden die Producte der geistigen Industrie durch den Gebrauch keine Veränderung. Während der verarbeitete Stoff der Zerstörung unterliegt, ist die Form, das Product des geistigen Schaffens, unvergänglich und unzerstörbar. Auch die festeste Dampfmaschine des geschicktesten Arbeiters wird in einem oder zwei Menschenaltern abgenutzt ‒ die Wattsche Dampfmaschine aber bleibt unvergänglich, solange sie nicht durch die Erfindung einer ganz neuen Bewegungskraft entbehr- lich gemacht wird. Die geistige Arbeit, deren Resultat jene Erfindung ist, wird seit fast 100 Jahren von jedem Erbauer und von jedem Betreiber einer Dampfmaschine benutzt, sie ist von den nachfolgenden Erfindern, welche die Wattsche Ma- schine verändert und verbessert haben, benutzt worden, ohne dadurch irgend etwas an ihrer ursprünglichen Brauchbarkeit zu verlieren. Der Vermögenswerth einer solchen Erfindung kann ungefähr anschaulich gemacht werden an den Früchten, welche der Erfinder selbst, begünstigt durch einen ausreichen- den Rechtsschutz, aus der ersten Anwendung seiner Erfindung zu ziehen vermochte. James Watt konnte unter dem Schutze der englischen Patentgesetzgebung von den Bergwerksbesitzern, welche seine neue Maschine zur Wasserhebung anwendeten, ein Drittel der Ersparniss als Preis bedingen, welche an Brenn- material gegenüber der früher gebrauchten Saveryschen Ma- schine erzielt wurde. Diese Prämie belief sich auf einer ein-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/29>, abgerufen am 29.03.2024.