I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
die grosse Menge der Geschäfte des täglichen Verkehres fehlte der Rechtsschutz. Und auch nachdem bereits die richterliche Praxis (das prätorische Recht) auch diesen Rechtsverhältnissen die factische Klagbarkeit gegeben hatte, blieb der Gegensatz zwischen den Verträgen des strengen Rechtes und den Ge- schäften auf guten Glauben bestehen.
So schreitet die Rechtsbildung von Stufe zu Stufe fort und mit ihren Fortschritten, auf ihren erweiterten Grundlagen wächst das Gebäude des menschlichen Verkehres, welches ohne diese schützende Grundlage keinen Halt besitzt. Wie vermöchte der gewaltige, in den mannigfachsten Formen sich bewegende Verkehr unsrer Tage mit dem beschränkten Rechtsschutze zu bestehen, den das älteste römische und deutsche Recht den Geschäften des täglichen Lebens gewährte? Welchen Gewinn hat nicht die freiere und breitere Entwickelung des deutschen Handels- und Wechselrechtes den Interessen des deutschen Handels und Gewerbfleisses gebracht!
Dieser Fortschritt der Rechtsbildung ist ein stetiger, der niemals aufhören kann, da jede Ausdehnung des Verkehrsge- bietes, jede Erweiterung des menschlichen Arbeitsfeldes, jede neue Theilung der Arbeit auch neue Rechtsnormen nothwendig macht und früher oder später hervorbringt. Es ist eine Un- vollkommenheit des Rechtszustandes, wenn derselbe hinter die- ser nothwendigen Fortentwickelung zurückbleibt. Es ist des- halb die Aufgabe der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft, durch Erweiterung und Fortbildung der überlieferten Rechts- institute der Entwicklung des Verkehrs und der Lebensverhält- nisse zu folgen. Zu den spätesten und wichtigsten Fortschrit- ten, welche die Rechtsbildung in dieser Richtung gemacht hat, gehört der Schutz der geistigen Arbeit, welcher durch die Ge- setzgebung und durch die internationalen Verträge dieses Jahr- hunderts zu einer Allgemeinheit und Wirksamkeit erhoben ist, welche den früheren Zeitaltern gänzlich unbekannt war.
§. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
Kapitalwerth der geistigen Arbeit. -- Unschätzbarer Werth. -- Bezah- lung des Gebrauches. -- Rückwirkung auf die Kultur.
Der Vermögenswerth der geistigen Arbeit war längst all- gemein anerkannt, ehe die Gesetzgebung dahin gelangte, ihr den nöthigen Rechtsschutz zu gewähren. Man pries die reichen
I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
die grosse Menge der Geschäfte des täglichen Verkehres fehlte der Rechtsschutz. Und auch nachdem bereits die richterliche Praxis (das prätorische Recht) auch diesen Rechtsverhältnissen die factische Klagbarkeit gegeben hatte, blieb der Gegensatz zwischen den Verträgen des strengen Rechtes und den Ge- schäften auf guten Glauben bestehen.
So schreitet die Rechtsbildung von Stufe zu Stufe fort und mit ihren Fortschritten, auf ihren erweiterten Grundlagen wächst das Gebäude des menschlichen Verkehres, welches ohne diese schützende Grundlage keinen Halt besitzt. Wie vermöchte der gewaltige, in den mannigfachsten Formen sich bewegende Verkehr unsrer Tage mit dem beschränkten Rechtsschutze zu bestehen, den das älteste römische und deutsche Recht den Geschäften des täglichen Lebens gewährte? Welchen Gewinn hat nicht die freiere und breitere Entwickelung des deutschen Handels- und Wechselrechtes den Interessen des deutschen Handels und Gewerbfleisses gebracht!
Dieser Fortschritt der Rechtsbildung ist ein stetiger, der niemals aufhören kann, da jede Ausdehnung des Verkehrsge- bietes, jede Erweiterung des menschlichen Arbeitsfeldes, jede neue Theilung der Arbeit auch neue Rechtsnormen nothwendig macht und früher oder später hervorbringt. Es ist eine Un- vollkommenheit des Rechtszustandes, wenn derselbe hinter die- ser nothwendigen Fortentwickelung zurückbleibt. Es ist des- halb die Aufgabe der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft, durch Erweiterung und Fortbildung der überlieferten Rechts- institute der Entwicklung des Verkehrs und der Lebensverhält- nisse zu folgen. Zu den spätesten und wichtigsten Fortschrit- ten, welche die Rechtsbildung in dieser Richtung gemacht hat, gehört der Schutz der geistigen Arbeit, welcher durch die Ge- setzgebung und durch die internationalen Verträge dieses Jahr- hunderts zu einer Allgemeinheit und Wirksamkeit erhoben ist, welche den früheren Zeitaltern gänzlich unbekannt war.
§. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
Kapitalwerth der geistigen Arbeit. — Unschätzbarer Werth. — Bezah- lung des Gebrauches. — Rückwirkung auf die Kultur.
Der Vermögenswerth der geistigen Arbeit war längst all- gemein anerkannt, ehe die Gesetzgebung dahin gelangte, ihr den nöthigen Rechtsschutz zu gewähren. Man pries die reichen
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I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
die grosse Menge der Geschäfte des täglichen Verkehres fehlte
der Rechtsschutz. Und auch nachdem bereits die richterliche
Praxis (das prätorische Recht) auch diesen Rechtsverhältnissen
die factische Klagbarkeit gegeben hatte, blieb der Gegensatz
zwischen den Verträgen des strengen Rechtes und den Ge-
schäften auf guten Glauben bestehen.
So schreitet die Rechtsbildung von Stufe zu Stufe fort
und mit ihren Fortschritten, auf ihren erweiterten Grundlagen
wächst das Gebäude des menschlichen Verkehres, welches ohne
diese schützende Grundlage keinen Halt besitzt. Wie vermöchte
der gewaltige, in den mannigfachsten Formen sich bewegende
Verkehr unsrer Tage mit dem beschränkten Rechtsschutze zu
bestehen, den das älteste römische und deutsche Recht den
Geschäften des täglichen Lebens gewährte? Welchen Gewinn
hat nicht die freiere und breitere Entwickelung des deutschen
Handels- und Wechselrechtes den Interessen des deutschen
Handels und Gewerbfleisses gebracht!
Dieser Fortschritt der Rechtsbildung ist ein stetiger, der
niemals aufhören kann, da jede Ausdehnung des Verkehrsge-
bietes, jede Erweiterung des menschlichen Arbeitsfeldes, jede
neue Theilung der Arbeit auch neue Rechtsnormen nothwendig
macht und früher oder später hervorbringt. Es ist eine Un-
vollkommenheit des Rechtszustandes, wenn derselbe hinter die-
ser nothwendigen Fortentwickelung zurückbleibt. Es ist des-
halb die Aufgabe der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft,
durch Erweiterung und Fortbildung der überlieferten Rechts-
institute der Entwicklung des Verkehrs und der Lebensverhält-
nisse zu folgen. Zu den spätesten und wichtigsten Fortschrit-
ten, welche die Rechtsbildung in dieser Richtung gemacht hat,
gehört der Schutz der geistigen Arbeit, welcher durch die Ge-
setzgebung und durch die internationalen Verträge dieses Jahr-
hunderts zu einer Allgemeinheit und Wirksamkeit erhoben ist,
welche den früheren Zeitaltern gänzlich unbekannt war.
§. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
Kapitalwerth der geistigen Arbeit. — Unschätzbarer Werth. — Bezah-
lung des Gebrauches. — Rückwirkung auf die Kultur.
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gemein anerkannt, ehe die Gesetzgebung dahin gelangte, ihr
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/28>, abgerufen am 16.07.2024.
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