[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Und der blühenden Tochter, nach ihrer Umarmung schon hinweint, Du den, Donner, ereilst, Tödtend ihn fassest, und seine Gebeine zu fallendem Staube Machst, triumphirend alsdann Wieder die hohe Wolke durchwandelst; so traf der Gedanke Meinen erschütterten Geist, Daß mein Auge sich dunkel verlor, und das bebende Knie mir Kraftlos zittert', und sank. Ach, in schweigender Nacht, ging mir die Todtener- scheinung, Unsre Freunde, vorbey! Ach in schweigender Nacht erblickt' ich die offenen Gräber, Und der Unsterblichen Schaar! Wenn nicht mehr des zärtlichen Giseken Auge mir lächelt! Wenn, von der Radikinn fern, Unser redlicher Cramer verwest! wenn Gärtner, wenn Rabner Nicht sokratisch mehr spricht! Wenn in des edelmüthigen Gellert harmonischem Leben Jede Saite verstummt! Wenn, nun über dem Grabe, der freye gesellige Rothe Freudegenossen sich wählt! Wenn der erfindende Schlegel aus einer längern Ver- bannung Keinem Freunde mehr schreibt! Wenn in meines geliebtesten Schmidts Umarmung mein Auge Nicht mehr Zärtlichkeit weint! Wenn
Und der bluͤhenden Tochter, nach ihrer Umarmung ſchon hinweint, Du den, Donner, ereilſt, Toͤdtend ihn faſſeſt, und ſeine Gebeine zu fallendem Staube Machſt, triumphirend alsdann Wieder die hohe Wolke durchwandelſt; ſo traf der Gedanke Meinen erſchuͤtterten Geiſt, Daß mein Auge ſich dunkel verlor, und das bebende Knie mir Kraftlos zittert’, und ſank. Ach, in ſchweigender Nacht, ging mir die Todtener- ſcheinung, Unſre Freunde, vorbey! Ach in ſchweigender Nacht erblickt’ ich die offenen Graͤber, Und der Unſterblichen Schaar! Wenn nicht mehr des zaͤrtlichen Giſeken Auge mir laͤchelt! Wenn, von der Radikinn fern, Unſer redlicher Cramer verweſt! wenn Gaͤrtner, wenn Rabner Nicht ſokratiſch mehr ſpricht! Wenn in des edelmuͤthigen Gellert harmoniſchem Leben Jede Saite verſtummt! Wenn, nun uͤber dem Grabe, der freye geſellige Rothe Freudegenoſſen ſich waͤhlt! Wenn der erfindende Schlegel aus einer laͤngern Ver- bannung Keinem Freunde mehr ſchreibt! Wenn in meines geliebteſten Schmidts Umarmung mein Auge Nicht mehr Zaͤrtlichkeit weint! Wenn
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Und der bluͤhenden Tochter, nach ihrer Umarmung
ſchon hinweint,
Du den, Donner, ereilſt,
Toͤdtend ihn faſſeſt, und ſeine Gebeine zu fallendem
Staube
Machſt, triumphirend alsdann
Wieder die hohe Wolke durchwandelſt; ſo traf der
Gedanke
Meinen erſchuͤtterten Geiſt,
Daß mein Auge ſich dunkel verlor, und das bebende
Knie mir
Kraftlos zittert’, und ſank.
Ach, in ſchweigender Nacht, ging mir die Todtener-
ſcheinung,
Unſre Freunde, vorbey!
Ach in ſchweigender Nacht erblickt’ ich die offenen
Graͤber,
Und der Unſterblichen Schaar!
Wenn nicht mehr des zaͤrtlichen Giſeken Auge mir
laͤchelt!
Wenn, von der Radikinn fern,
Unſer redlicher Cramer verweſt! wenn Gaͤrtner, wenn
Rabner
Nicht ſokratiſch mehr ſpricht!
Wenn in des edelmuͤthigen Gellert harmoniſchem Leben
Jede Saite verſtummt!
Wenn, nun uͤber dem Grabe, der freye geſellige Rothe
Freudegenoſſen ſich waͤhlt!
Wenn der erfindende Schlegel aus einer laͤngern Ver-
bannung
Keinem Freunde mehr ſchreibt!
Wenn in meines geliebteſten Schmidts Umarmung
mein Auge
Nicht mehr Zaͤrtlichkeit weint!
Wenn
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