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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

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Schnell Fluß, und Strom schnell, stürzen, am Ei-
chenstamm,

In deinem Schatten, Palme, die Quellen fort.
Nicht mit der Rechte schöpft der Dichter,
Feuriger, leckt er die Silberquellen!
Wer sind die Seelen, die in der Haine Nacht
Herschweben? Ließt ihr, Helden, der Todten Thal?
Und kamt ihr, eurer späten Enkel
Rachegesang an uns selbst zu hören?
Denn ach wir säumten! Jetzo erschrecket uns
Der Adler keiner über der Wolkenbahn.
Des Griechen Flug nur ist uns fürchtbar,
Aber die Religion erhöht uns
Weit über Hömus, und, Aganippe, dich!
Posaun', und Harfe tönen, wenn sie beseelt;
Und tragischer, wenn sie ihn leitet,
Hebet, o Sophokles, dein Kothurn sich.
Und wer ist Pindar gegen dich, Bethlems Sohn,
Du Hirt, und o du Sieger des Dagonit,
O Isäide, Sänger Gottes,
Der den Unendlichen singen konnte!
Hört uns, o Schatten! Himmelan steigen wir
Mit Kühnheit. Urtheil blickt sie, und kennt den Flug.
Das Maaß in sichrer Hand, bestimmen
Wir den Gedanken, und seine Bilder.

Bist

Schnell Fluß, und Strom ſchnell, ſtuͤrzen, am Ei-
chenſtamm,

In deinem Schatten, Palme, die Quellen fort.
Nicht mit der Rechte ſchoͤpft der Dichter,
Feuriger, leckt er die Silberquellen!
Wer ſind die Seelen, die in der Haine Nacht
Herſchweben? Ließt ihr, Helden, der Todten Thal?
Und kamt ihr, eurer ſpaͤten Enkel
Rachegeſang an uns ſelbſt zu hoͤren?
Denn ach wir ſaͤumten! Jetzo erſchrecket uns
Der Adler keiner uͤber der Wolkenbahn.
Des Griechen Flug nur iſt uns fuͤrchtbar,
Aber die Religion erhoͤht uns
Weit uͤber Hoͤmus, und, Aganippe, dich!
Poſaun’, und Harfe toͤnen, wenn ſie beſeelt;
Und tragiſcher, wenn ſie ihn leitet,
Hebet, o Sophokles, dein Kothurn ſich.
Und wer iſt Pindar gegen dich, Bethlems Sohn,
Du Hirt, und o du Sieger des Dagonit,
O Iſaͤide, Saͤnger Gottes,
Der den Unendlichen ſingen konnte!
Hoͤrt uns, o Schatten! Himmelan ſteigen wir
Mit Kuͤhnheit. Urtheil blickt ſie, und kennt den Flug.
Das Maaß in ſichrer Hand, beſtimmen
Wir den Gedanken, und ſeine Bilder.

Biſt
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[138/0146] Schnell Fluß, und Strom ſchnell, ſtuͤrzen, am Ei- chenſtamm, In deinem Schatten, Palme, die Quellen fort. Nicht mit der Rechte ſchoͤpft der Dichter, Feuriger, leckt er die Silberquellen! Wer ſind die Seelen, die in der Haine Nacht Herſchweben? Ließt ihr, Helden, der Todten Thal? Und kamt ihr, eurer ſpaͤten Enkel Rachegeſang an uns ſelbſt zu hoͤren? Denn ach wir ſaͤumten! Jetzo erſchrecket uns Der Adler keiner uͤber der Wolkenbahn. Des Griechen Flug nur iſt uns fuͤrchtbar, Aber die Religion erhoͤht uns Weit uͤber Hoͤmus, und, Aganippe, dich! Poſaun’, und Harfe toͤnen, wenn ſie beſeelt; Und tragiſcher, wenn ſie ihn leitet, Hebet, o Sophokles, dein Kothurn ſich. Und wer iſt Pindar gegen dich, Bethlems Sohn, Du Hirt, und o du Sieger des Dagonit, O Iſaͤide, Saͤnger Gottes, Der den Unendlichen ſingen konnte! Hoͤrt uns, o Schatten! Himmelan ſteigen wir Mit Kuͤhnheit. Urtheil blickt ſie, und kennt den Flug. Das Maaß in ſichrer Hand, beſtimmen Wir den Gedanken, und ſeine Bilder. Biſt

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/146>, abgerufen am 21.11.2024.