Und die Verzweiflung untröstbarer Müttter, der Ausfluß der Leichen, Der, mit Seelen vermischt, mir wallend entgegen dampfte, Waren für meine befriedigte Gottheit ein liebliches Opfer. Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene Seele, War ichs nicht selbst, der in dir den Gedanken, die Beth- lehemiten Umzubringen, erschuf? Kann etwa des Himmels Bewoh- ner Seiner Bildungen mühsames Werk, die unsterblichen Seelen, Vor mir beschützen, daß ich sie mit meiner verborgnen Begeistrung Nicht umschatte, und über sie nicht zum Verderben mich breite? Ja, Verlaßner, dein klägliches Winseln, dein banges Verzweifeln, Und der Seelen Geschrey, die du sonst noch unschuldig erwürgtest, Daß sie sündigend starben, und dir, und der Vorsehung fluchten, Jst nun deinem befriedigten GOtt auch ein liebliches Opfer Als er starb, versammelte Götter, da kehrte der Knabe Aus Alegyptens Gefilden zurück. Die Jahre der Jugend Bracht er im Schosse der zärtlichen Mutter, in ihrer Um- armung Unbekannt zu. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erküh- nen
Trieb
E 5
Zweyter Geſang.
Und die Verzweiflung untroͤſtbarer Muͤttter, der Ausfluß der Leichen, Der, mit Seelen vermiſcht, mir wallend entgegen dampfte, Waren fuͤr meine befriedigte Gottheit ein liebliches Opfer. Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene Seele, War ichs nicht ſelbſt, der in dir den Gedanken, die Beth- lehemiten Umzubringen, erſchuf? Kann etwa des Himmels Bewoh- ner Seiner Bildungen muͤhſames Werk, die unſterblichen Seelen, Vor mir beſchuͤtzen, daß ich ſie mit meiner verborgnen Begeiſtrung Nicht umſchatte, und uͤber ſie nicht zum Verderben mich breite? Ja, Verlaßner, dein klaͤgliches Winſeln, dein banges Verzweifeln, Und der Seelen Geſchrey, die du ſonſt noch unſchuldig erwuͤrgteſt, Daß ſie ſuͤndigend ſtarben, und dir, und der Vorſehung fluchten, Jſt nun deinem befriedigten GOtt auch ein liebliches Opfer Als er ſtarb, verſammelte Goͤtter, da kehrte der Knabe Aus Alegyptens Gefilden zuruͤck. Die Jahre der Jugend Bracht er im Schoſſe der zaͤrtlichen Mutter, in ihrer Um- armung Unbekannt zu. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erkuͤh- nen
Trieb
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Zweyter Geſang.
Und die Verzweiflung untroͤſtbarer Muͤttter, der Ausfluß
der Leichen,
Der, mit Seelen vermiſcht, mir wallend entgegen dampfte,
Waren fuͤr meine befriedigte Gottheit ein liebliches
Opfer.
Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene
Seele,
War ichs nicht ſelbſt, der in dir den Gedanken, die Beth-
lehemiten
Umzubringen, erſchuf? Kann etwa des Himmels Bewoh-
ner
Seiner Bildungen muͤhſames Werk, die unſterblichen
Seelen,
Vor mir beſchuͤtzen, daß ich ſie mit meiner verborgnen
Begeiſtrung
Nicht umſchatte, und uͤber ſie nicht zum Verderben mich
breite?
Ja, Verlaßner, dein klaͤgliches Winſeln, dein banges
Verzweifeln,
Und der Seelen Geſchrey, die du ſonſt noch unſchuldig
erwuͤrgteſt,
Daß ſie ſuͤndigend ſtarben, und dir, und der Vorſehung
fluchten,
Jſt nun deinem befriedigten GOtt auch ein liebliches
Opfer
Als er ſtarb, verſammelte Goͤtter, da kehrte der Knabe
Aus Alegyptens Gefilden zuruͤck. Die Jahre der Jugend
Bracht er im Schoſſe der zaͤrtlichen Mutter, in ihrer Um-
armung
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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/77>, abgerufen am 29.07.2024.
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