Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Sollst du geniessen; die Wolle der jüngsten Lämmer in
Auen

Soll dich bedecken. Jch selber will dich, o GOttes Pro-
phete,

Kömmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Bäu-
me begleiten,

Die mir mein Vater im Garten geschenkt. Mein lieber
Benoni!

Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zu-
rücke.

Ach nun wirst du mit mir die Blumen künftig nicht
träncken!

Niemals wirst du am kühlenden Abend mich brüderlich
wecken!

Ach Benoni! ach GOttes Prophet, da liegt er im Staube!

JEsus sah ihn erbarmungsvoll an, und sprach zu Jo-
hannes:

Wische dem Jüngling die Zähren vom Antlitz; ich hab ihn
viel edler

Und rechtschaffner, als viele von seinen Vätern, erfunden.
Also sagt er, und blieb mit Johannes allein in den
Gräbern.

Nah beym stillen Gebein des entschlafnen kleinen Benoni
Stand der König zu Salem, Melchisedeck, marmorn ge-
bildet,

GOttes Priester, Prophet und König. Er stand und
schaute

Sterbend in sein Grabmahl, nicht mit jenem traurigen
Antlitz

Welches

Der Meſſias.
Sollſt du genieſſen; die Wolle der juͤngſten Laͤmmer in
Auen

Soll dich bedecken. Jch ſelber will dich, o GOttes Pro-
phete,

Koͤmmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Baͤu-
me begleiten,

Die mir mein Vater im Garten geſchenkt. Mein lieber
Benoni!

Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zu-
ruͤcke.

Ach nun wirſt du mit mir die Blumen kuͤnftig nicht
traͤncken!

Niemals wirſt du am kuͤhlenden Abend mich bruͤderlich
wecken!

Ach Benoni! ach GOttes Prophet, da liegt er im Staube!

JEſus ſah ihn erbarmungsvoll an, und ſprach zu Jo-
hannes:

Wiſche dem Juͤngling die Zaͤhren vom Antlitz; ich hab ihn
viel edler

Und rechtſchaffner, als viele von ſeinen Vaͤtern, erfunden.
Alſo ſagt er, und blieb mit Johannes allein in den
Graͤbern.

Nah beym ſtillen Gebein des entſchlafnen kleinen Benoni
Stand der Koͤnig zu Salem, Melchiſedeck, marmorn ge-
bildet,

GOttes Prieſter, Prophet und Koͤnig. Er ſtand und
ſchaute

Sterbend in ſein Grabmahl, nicht mit jenem traurigen
Antlitz

Welches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="10">
          <pb facs="#f0060" n="56"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
          <l>Soll&#x017F;t du genie&#x017F;&#x017F;en; die Wolle der ju&#x0364;ng&#x017F;ten La&#x0364;mmer in<lb/><hi rendition="#et">Auen</hi></l><lb/>
          <l>Soll dich bedecken. Jch &#x017F;elber will dich, o GOttes Pro-<lb/><hi rendition="#et">phete,</hi></l><lb/>
          <l>Ko&#x0364;mmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Ba&#x0364;u-<lb/><hi rendition="#et">me begleiten,</hi></l><lb/>
          <l>Die mir mein Vater im Garten ge&#x017F;chenkt. Mein lieber<lb/><hi rendition="#et">Benoni!</hi></l><lb/>
          <l>Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zu-<lb/><hi rendition="#et">ru&#x0364;cke.</hi></l><lb/>
          <l>Ach nun wir&#x017F;t du mit mir die Blumen ku&#x0364;nftig nicht<lb/><hi rendition="#et">tra&#x0364;ncken!</hi></l><lb/>
          <l>Niemals wir&#x017F;t du am ku&#x0364;hlenden Abend mich bru&#x0364;derlich<lb/><hi rendition="#et">wecken!</hi></l><lb/>
          <l>Ach Benoni! ach GOttes Prophet, da liegt er im Staube!</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="11">
          <l>JE&#x017F;us &#x017F;ah ihn erbarmungsvoll an, und &#x017F;prach zu Jo-<lb/><hi rendition="#et">hannes:</hi></l><lb/>
          <l>Wi&#x017F;che dem Ju&#x0364;ngling die Za&#x0364;hren vom Antlitz; ich hab ihn<lb/><hi rendition="#et">viel edler</hi></l><lb/>
          <l>Und recht&#x017F;chaffner, als viele von &#x017F;einen Va&#x0364;tern, erfunden.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="12">
          <l>Al&#x017F;o &#x017F;agt er, und blieb mit Johannes allein in den<lb/><hi rendition="#et">Gra&#x0364;bern.</hi></l><lb/>
          <l>Nah beym &#x017F;tillen Gebein des ent&#x017F;chlafnen kleinen Benoni</l><lb/>
          <l>Stand der Ko&#x0364;nig zu Salem, Melchi&#x017F;edeck, marmorn ge-<lb/><hi rendition="#et">bildet,</hi></l><lb/>
          <l>GOttes Prie&#x017F;ter, Prophet und Ko&#x0364;nig. Er &#x017F;tand und<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chaute</hi></l><lb/>
          <l>Sterbend in &#x017F;ein Grabmahl, nicht mit jenem traurigen<lb/><hi rendition="#et">Antlitz</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Welches</fw><lb/>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] Der Meſſias. Sollſt du genieſſen; die Wolle der juͤngſten Laͤmmer in Auen Soll dich bedecken. Jch ſelber will dich, o GOttes Pro- phete, Koͤmmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Baͤu- me begleiten, Die mir mein Vater im Garten geſchenkt. Mein lieber Benoni! Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zu- ruͤcke. Ach nun wirſt du mit mir die Blumen kuͤnftig nicht traͤncken! Niemals wirſt du am kuͤhlenden Abend mich bruͤderlich wecken! Ach Benoni! ach GOttes Prophet, da liegt er im Staube! JEſus ſah ihn erbarmungsvoll an, und ſprach zu Jo- hannes: Wiſche dem Juͤngling die Zaͤhren vom Antlitz; ich hab ihn viel edler Und rechtſchaffner, als viele von ſeinen Vaͤtern, erfunden. Alſo ſagt er, und blieb mit Johannes allein in den Graͤbern. Nah beym ſtillen Gebein des entſchlafnen kleinen Benoni Stand der Koͤnig zu Salem, Melchiſedeck, marmorn ge- bildet, GOttes Prieſter, Prophet und Koͤnig. Er ſtand und ſchaute Sterbend in ſein Grabmahl, nicht mit jenem traurigen Antlitz Welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/60
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/60>, abgerufen am 03.05.2024.