Unter zerstreuten Gebeinen, von Nacht und Schatten umgeben, Saß er, und überdachte sich selber, den Sohn des Ewgen, Und den Menschen zum Tode bestimmt. Vor seinem Ge- sichte Sah er die Sünden der Menschen, die alle, die seit der Erschaffung Adams Kinder vollbrachten, auch die, so die schlimmere Nachwelt Sündigen wird, ein unzählbares Herr, GOtt fliehend, vorbeygehn. Satan war mitten darinnen, und herrschte. Vom Ange- sicht GOttes Trieb er, den Sünder, das Menschengeschlecht, und versammelt es zu sich, Wie die Ebnen des Meers ein mitternächtlicher Strudel Ringsum in sich verschlingt, und immer zum Untergang offen, Unsichtbar unter den Wolken des niedersteigenden Himmels, Alle zu sichre Bewohner des Meers in die Tiefen hinab- zieht. JEsus sah die Sünden und Satan. Drauf sah er zu GOtt auf. GOtt, sein Vater, sah auch nach ihm tiefsinnig hernie- der. Zwar brach aus seinem erhabenen Blick das ernste Ge- richte Langsam hervor; zwar donnerte GOtt, und schreckt ihn von ferne.
Gleich-
Der Meſſias.
Unter zerſtreuten Gebeinen, von Nacht und Schatten umgeben, Saß er, und uͤberdachte ſich ſelber, den Sohn des Ewgen, Und den Menſchen zum Tode beſtimmt. Vor ſeinem Ge- ſichte Sah er die Suͤnden der Menſchen, die alle, die ſeit der Erſchaffung Adams Kinder vollbrachten, auch die, ſo die ſchlimmere Nachwelt Suͤndigen wird, ein unzaͤhlbares Herr, GOtt fliehend, vorbeygehn. Satan war mitten darinnen, und herrſchte. Vom Ange- ſicht GOttes Trieb er, den Suͤnder, das Menſchengeſchlecht, und verſammelt es zu ſich, Wie die Ebnen des Meers ein mitternaͤchtlicher Strudel Ringsum in ſich verſchlingt, und immer zum Untergang offen, Unſichtbar unter den Wolken des niederſteigenden Himmels, Alle zu ſichre Bewohner des Meers in die Tiefen hinab- zieht. JEſus ſah die Suͤnden und Satan. Drauf ſah er zu GOtt auf. GOtt, ſein Vater, ſah auch nach ihm tiefſinnig hernie- der. Zwar brach aus ſeinem erhabenen Blick das ernſte Ge- richte Langſam hervor; zwar donnerte GOtt, und ſchreckt ihn von ferne.
Gleich-
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Der Meſſias.
Unter zerſtreuten Gebeinen, von Nacht und Schatten
umgeben,
Saß er, und uͤberdachte ſich ſelber, den Sohn des
Ewgen,
Und den Menſchen zum Tode beſtimmt. Vor ſeinem Ge-
ſichte
Sah er die Suͤnden der Menſchen, die alle, die ſeit der
Erſchaffung
Adams Kinder vollbrachten, auch die, ſo die ſchlimmere
Nachwelt
Suͤndigen wird, ein unzaͤhlbares Herr, GOtt fliehend,
vorbeygehn.
Satan war mitten darinnen, und herrſchte. Vom Ange-
ſicht GOttes
Trieb er, den Suͤnder, das Menſchengeſchlecht, und
verſammelt es zu ſich,
Wie die Ebnen des Meers ein mitternaͤchtlicher Strudel
Ringsum in ſich verſchlingt, und immer zum Untergang
offen,
Unſichtbar unter den Wolken des niederſteigenden
Himmels,
Alle zu ſichre Bewohner des Meers in die Tiefen hinab-
zieht.
JEſus ſah die Suͤnden und Satan. Drauf ſah er zu
GOtt auf.
GOtt, ſein Vater, ſah auch nach ihm tiefſinnig hernie-
der.
Zwar brach aus ſeinem erhabenen Blick das ernſte Ge-
richte
Langſam hervor; zwar donnerte GOtt, und ſchreckt ihn
von ferne.
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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/100>, abgerufen am 16.02.2025.
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