[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Der Messias. Strahlenhell, und stand mit jedem Frieden der UnschulbUnd mit allen Reizen des ewigen Lebens umgeben. Saitengetön erklang von des Jünglings Lippe: Die Wehmuth Soll, wie vordem, mein Leben nicht mehr mit Trauren bewölken! Ja, ich nenn' euch, und bebe nicht mehr! o Namen! mein Vater, Ach mein Vater, mein Bruder ist auch in jenem Gedränge! Vater bist du nicht mehr! Du Bruder nicht mehr! Was that euch? Rede, was that dir dein Sohn, zwar sanft, doch unüberwindlich? Was der schweigende Mund dir, und jene verblühende Wange Deines Bruders, daß ihr durch Schlüße, wie Schlangen, ge- wunden Grausam strebtet, des Sterbenden einzige Ruh mir zu rauben? Meiner Unsterblichkeit Heil, die letzte, nicht täuschende Hoffnung, Den am Kreuz? Zwar blutet' er, aber er blutete Gnade! Jenes Erwachen des grossen Morgens? der ringenden Seele Mächtigsten Trost, da sie sinken die Erde ließ, das auch euch nun Weckte, doch nicht mit Jauchzen, mit keines Lebens Empfindung, Und zu dem Erstling vom Tode mit keinem Jubelgesange. O sie war euch zu mächtig des Jünglings betende Seele! Sie empfand sich zu sehr, sich von der Unsterblichkeit Hassern Jhre Krone rauben zu lassen. Mit freudiger Hoffnung Gab zu Staube sie Staub, und wußte, daß sie nicht Staub sey, Daß sie mehr sey, als Himmel und Erde. Schaut nun die Blicke, Und den Sieg der Unsterblichen an. Jhr sahet sie vormals Brechen im brechenden Aug', und mit dem Athem verröcheln; Schaut sie nur an, wenn euch ihr Triumph nicht ewiger Tod ist! Also
Der Meſſias. Strahlenhell, und ſtand mit jedem Frieden der UnſchulbUnd mit allen Reizen des ewigen Lebens umgeben. Saitengetoͤn erklang von des Juͤnglings Lippe: Die Wehmuth Soll, wie vordem, mein Leben nicht mehr mit Trauren bewoͤlken! Ja, ich nenn’ euch, und bebe nicht mehr! o Namen! mein Vater, Ach mein Vater, mein Bruder iſt auch in jenem Gedraͤnge! Vater biſt du nicht mehr! Du Bruder nicht mehr! Was that euch? Rede, was that dir dein Sohn, zwar ſanft, doch unuͤberwindlich? Was der ſchweigende Mund dir, und jene verbluͤhende Wange Deines Bruders, daß ihr durch Schluͤße, wie Schlangen, ge- wunden Grauſam ſtrebtet, des Sterbenden einzige Ruh mir zu rauben? Meiner Unſterblichkeit Heil, die letzte, nicht taͤuſchende Hoffnung, Den am Kreuz? Zwar blutet’ er, aber er blutete Gnade! Jenes Erwachen des groſſen Morgens? der ringenden Seele Maͤchtigſten Troſt, da ſie ſinken die Erde ließ, das auch euch nun Weckte, doch nicht mit Jauchzen, mit keines Lebens Empfindung, Und zu dem Erſtling vom Tode mit keinem Jubelgeſange. O ſie war euch zu maͤchtig des Juͤnglings betende Seele! Sie empfand ſich zu ſehr, ſich von der Unſterblichkeit Haſſern Jhre Krone rauben zu laſſen. Mit freudiger Hoffnung Gab zu Staube ſie Staub, und wußte, daß ſie nicht Staub ſey, Daß ſie mehr ſey, als Himmel und Erde. Schaut nun die Blicke, Und den Sieg der Unſterblichen an. Jhr ſahet ſie vormals Brechen im brechenden Aug’, und mit dem Athem verroͤcheln; Schaut ſie nur an, wenn euch ihr Triumph nicht ewiger Tod iſt! Alſo
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Der Meſſias.
Strahlenhell, und ſtand mit jedem Frieden der Unſchulb
Und mit allen Reizen des ewigen Lebens umgeben.
Saitengetoͤn erklang von des Juͤnglings Lippe: Die Wehmuth
Soll, wie vordem, mein Leben nicht mehr mit Trauren bewoͤlken!
Ja, ich nenn’ euch, und bebe nicht mehr! o Namen! mein Vater,
Ach mein Vater, mein Bruder iſt auch in jenem Gedraͤnge!
Vater biſt du nicht mehr! Du Bruder nicht mehr! Was that euch?
Rede, was that dir dein Sohn, zwar ſanft, doch unuͤberwindlich?
Was der ſchweigende Mund dir, und jene verbluͤhende Wange
Deines Bruders, daß ihr durch Schluͤße, wie Schlangen, ge-
wunden
Grauſam ſtrebtet, des Sterbenden einzige Ruh mir zu rauben?
Meiner Unſterblichkeit Heil, die letzte, nicht taͤuſchende Hoffnung,
Den am Kreuz? Zwar blutet’ er, aber er blutete Gnade!
Jenes Erwachen des groſſen Morgens? der ringenden Seele
Maͤchtigſten Troſt, da ſie ſinken die Erde ließ, das auch euch nun
Weckte, doch nicht mit Jauchzen, mit keines Lebens Empfindung,
Und zu dem Erſtling vom Tode mit keinem Jubelgeſange.
O ſie war euch zu maͤchtig des Juͤnglings betende Seele!
Sie empfand ſich zu ſehr, ſich von der Unſterblichkeit Haſſern
Jhre Krone rauben zu laſſen. Mit freudiger Hoffnung
Gab zu Staube ſie Staub, und wußte, daß ſie nicht Staub ſey,
Daß ſie mehr ſey, als Himmel und Erde. Schaut nun die Blicke,
Und den Sieg der Unſterblichen an. Jhr ſahet ſie vormals
Brechen im brechenden Aug’, und mit dem Athem verroͤcheln;
Schaut ſie nur an, wenn euch ihr Triumph nicht ewiger Tod iſt!
Alſo
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