[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Der Messias. Den bey Hermon die Mutter gebahr; an dem glänzenden AugeSeh ich's, Eliphas will dem glücklichen Jüngling erscheinen! Ach wie nahe (wende die Blicke nach ihm!), wie nahe Kommt er zu uns; er setzt auf das Grab sich neben dir nieder! Aber nun sieht ihn das Auge nicht mehr. Wie schnell war die Wandlung, Als er der Menschen Gestalt ablegte! Er will sich nach Tabor Wieder erheben. Verweil', o Heman, bey uns, und erscheine Meinem Lazarus hier! O laß mich sein frohes Erstaunen Ueber |des Himmlischen Anblick, laß seine Thräne mich sehen! Jhm erscheint der Versöhner! und, wenn der Versöhner zu Gott geht; Wird dein Bruder verklärt!.. Jhr Unsterblichen Gottes! verklärt wird Lazarus? wallet mit uns hinauf zu den ewigen Hütten? Ach zu dem Erbe des Lichts? den tausendmaltausend, der Schöpfung Erstgebornen? zu alle den Schaaren der Mitanbeter? Aber du gehest von mir, mein Bruder. Lazarus wandte Sich von dem Grabe Maria's, und kehrte zurück zu den Lauben. Cneus saß allein auf kühlendem Moose; so dacht er: O ihr Glücklichen, die das alles sahen, erscheinen Auferstandene sahn, selbst Worte der Ueberzeugung Von der künftigen Welt durch die Boten Gottes vernahmen! Aber glücklich auch ich, dem sie dieß alles erzählten! Thorheit wär es, noch jezt zu zweifeln, täuschende, blinde Thorheit! Allein was soll ich thun? Dem Eroberer ferner Dienen? Dem Gott des Olympus, dem Donnerer opfern? Bey Adlern Schwören, das Blut unschuldiger Unterjochter, gerechtrer Menschen, Blut zu vergiessen? und ist es vergossen, des Feldherrn Stolzen Triumph begleiten, und mit den Siegern in Rom dann Schwel-
Der Meſſias. Den bey Hermon die Mutter gebahr; an dem glaͤnzenden AugeSeh ich’s, Eliphas will dem gluͤcklichen Juͤngling erſcheinen! Ach wie nahe (wende die Blicke nach ihm!), wie nahe Kommt er zu uns; er ſetzt auf das Grab ſich neben dir nieder! Aber nun ſieht ihn das Auge nicht mehr. Wie ſchnell war die Wandlung, Als er der Menſchen Geſtalt ablegte! Er will ſich nach Tabor Wieder erheben. Verweil’, o Heman, bey uns, und erſcheine Meinem Lazarus hier! O laß mich ſein frohes Erſtaunen Ueber |des Himmliſchen Anblick, laß ſeine Thraͤne mich ſehen! Jhm erſcheint der Verſoͤhner! und, wenn der Verſoͤhner zu Gott geht; Wird dein Bruder verklaͤrt!.. Jhr Unſterblichen Gottes! verklaͤrt wird Lazarus? wallet mit uns hinauf zu den ewigen Huͤtten? Ach zu dem Erbe des Lichts? den tauſendmaltauſend, der Schoͤpfung Erſtgebornen? zu alle den Schaaren der Mitanbeter? Aber du geheſt von mir, mein Bruder. Lazarus wandte Sich von dem Grabe Maria’s, und kehrte zuruͤck zu den Lauben. Cneus ſaß allein auf kuͤhlendem Mooſe; ſo dacht er: O ihr Gluͤcklichen, die das alles ſahen, erſcheinen Auferſtandene ſahn, ſelbſt Worte der Ueberzeugung Von der kuͤnftigen Welt durch die Boten Gottes vernahmen! Aber gluͤcklich auch ich, dem ſie dieß alles erzaͤhlten! Thorheit waͤr es, noch jezt zu zweifeln, taͤuſchende, blinde Thorheit! Allein was ſoll ich thun? Dem Eroberer ferner Dienen? Dem Gott des Olympus, dem Donnerer opfern? Bey Adlern Schwoͤren, das Blut unſchuldiger Unterjochter, gerechtrer Menſchen, Blut zu vergieſſen? und iſt es vergoſſen, des Feldherrn Stolzen Triumph begleiten, und mit den Siegern in Rom dann Schwel-
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Der Meſſias.
Den bey Hermon die Mutter gebahr; an dem glaͤnzenden Auge
Seh ich’s, Eliphas will dem gluͤcklichen Juͤngling erſcheinen!
Ach wie nahe (wende die Blicke nach ihm!), wie nahe
Kommt er zu uns; er ſetzt auf das Grab ſich neben dir nieder!
Aber nun ſieht ihn das Auge nicht mehr. Wie ſchnell war die Wandlung,
Als er der Menſchen Geſtalt ablegte! Er will ſich nach Tabor
Wieder erheben. Verweil’, o Heman, bey uns, und erſcheine
Meinem Lazarus hier! O laß mich ſein frohes Erſtaunen
Ueber |des Himmliſchen Anblick, laß ſeine Thraͤne mich ſehen!
Jhm erſcheint der Verſoͤhner! und, wenn der Verſoͤhner zu Gott geht;
Wird dein Bruder verklaͤrt!.. Jhr Unſterblichen Gottes! verklaͤrt wird
Lazarus? wallet mit uns hinauf zu den ewigen Huͤtten?
Ach zu dem Erbe des Lichts? den tauſendmaltauſend, der Schoͤpfung
Erſtgebornen? zu alle den Schaaren der Mitanbeter?
Aber du geheſt von mir, mein Bruder. Lazarus wandte
Sich von dem Grabe Maria’s, und kehrte zuruͤck zu den Lauben.
Cneus ſaß allein auf kuͤhlendem Mooſe; ſo dacht er:
O ihr Gluͤcklichen, die das alles ſahen, erſcheinen
Auferſtandene ſahn, ſelbſt Worte der Ueberzeugung
Von der kuͤnftigen Welt durch die Boten Gottes vernahmen!
Aber gluͤcklich auch ich, dem ſie dieß alles erzaͤhlten!
Thorheit waͤr es, noch jezt zu zweifeln, taͤuſchende, blinde
Thorheit! Allein was ſoll ich thun? Dem Eroberer ferner
Dienen? Dem Gott des Olympus, dem Donnerer opfern? Bey Adlern
Schwoͤren, das Blut unſchuldiger Unterjochter, gerechtrer
Menſchen, Blut zu vergieſſen? und iſt es vergoſſen, des Feldherrn
Stolzen Triumph begleiten, und mit den Siegern in Rom dann
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