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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Siebzehnter Gesang.
Wenn, in der weiten Ferne des Himmels, Gethsemane bebet,
Seine Palmen wanken, alsdann wird der Göttliche kommen!

Unter den Geisterschaaren der untergehenden Erde
Hatte, seit Christus Geburt, der Unsterblichen Bothschaft, Gedanken
Tausendfacher Gestalt hervorgebracht, und vernichtet,
Wandlung auf Wandlung, bis sie zuletzt Gewißheit erblickten,
Einige nur; denn Unzählige wallten umher in der Jrre,
Aber ohne des Heiles Verlust; verführte das Herz nicht.
Neuer Anblick des Künftigen; Licht voll Dämm'rung; geglaubtes
Licht, und dennoch Nacht; Verlangen, heiß, wie getrennte
Seelen allein es zu haben vermögen; Wünsche, gen Himmel
Jezt auf Flügeln erhoben, itzt niedergestürzet vom Himmel;
Hofnung, ach Hofnung! Zweifel, nicht nur, ob einst Genuß sie
Endigen werde? Zweifel auch, an der rechten Erkenntniß
Deß, was die Engel von dem verkündeten, welcher ein Mensch sey,
Und ein Versöhner Gottes; Empörung von neuem sich sträubend
Wider das Schicksal, oder die Vorsicht; Wehmuth, daß selber
Diese Rettung sie nicht erretten würde! trübe
Bittere Wehmuth; Stolz, vor den Wiedergerufnen, der Ersten
Pfad zu betreten, vor ihnen die hell'ste Palme zu tragen!
Wuth, kein Erbe zu haben im Reiche der Freyen, kein Erbe
Dort, wo Nacht nicht mehr und Ungewißheit umwölkte;
Dieß, dieß alles umgab, durchdrang die Langebestraften,
Langegeprüften Geister der untergehenden Erde.
Und sie hatten, empor aus ihren Tiefen, zu Schaaren,
Späher gesandt, die hinüberschaun nach Gethsemane sollten,
Und den Palmen umher, und kommen dann, und verkünden:
Siehe
D 5

Siebzehnter Geſang.
Wenn, in der weiten Ferne des Himmels, Gethſemane bebet,
Seine Palmen wanken, alsdann wird der Goͤttliche kommen!

Unter den Geiſterſchaaren der untergehenden Erde
Hatte, ſeit Chriſtus Geburt, der Unſterblichen Bothſchaft, Gedanken
Tauſendfacher Geſtalt hervorgebracht, und vernichtet,
Wandlung auf Wandlung, bis ſie zuletzt Gewißheit erblickten,
Einige nur; denn Unzaͤhlige wallten umher in der Jrre,
Aber ohne des Heiles Verluſt; verfuͤhrte das Herz nicht.
Neuer Anblick des Kuͤnftigen; Licht voll Daͤmm’rung; geglaubtes
Licht, und dennoch Nacht; Verlangen, heiß, wie getrennte
Seelen allein es zu haben vermoͤgen; Wuͤnſche, gen Himmel
Jezt auf Fluͤgeln erhoben, itzt niedergeſtuͤrzet vom Himmel;
Hofnung, ach Hofnung! Zweifel, nicht nur, ob einſt Genuß ſie
Endigen werde? Zweifel auch, an der rechten Erkenntniß
Deß, was die Engel von dem verkuͤndeten, welcher ein Menſch ſey,
Und ein Verſoͤhner Gottes; Empoͤrung von neuem ſich ſtraͤubend
Wider das Schickſal, oder die Vorſicht; Wehmuth, daß ſelber
Dieſe Rettung ſie nicht erretten wuͤrde! truͤbe
Bittere Wehmuth; Stolz, vor den Wiedergerufnen, der Erſten
Pfad zu betreten, vor ihnen die hell’ſte Palme zu tragen!
Wuth, kein Erbe zu haben im Reiche der Freyen, kein Erbe
Dort, wo Nacht nicht mehr und Ungewißheit umwoͤlkte;
Dieß, dieß alles umgab, durchdrang die Langebeſtraften,
Langegepruͤften Geiſter der untergehenden Erde.
Und ſie hatten, empor aus ihren Tiefen, zu Schaaren,
Spaͤher geſandt, die hinuͤberſchaun nach Gethſemane ſollten,
Und den Palmen umher, und kommen dann, und verkuͤnden:
Siehe
D 5
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[57/0057] Siebzehnter Geſang. Wenn, in der weiten Ferne des Himmels, Gethſemane bebet, Seine Palmen wanken, alsdann wird der Goͤttliche kommen! Unter den Geiſterſchaaren der untergehenden Erde Hatte, ſeit Chriſtus Geburt, der Unſterblichen Bothſchaft, Gedanken Tauſendfacher Geſtalt hervorgebracht, und vernichtet, Wandlung auf Wandlung, bis ſie zuletzt Gewißheit erblickten, Einige nur; denn Unzaͤhlige wallten umher in der Jrre, Aber ohne des Heiles Verluſt; verfuͤhrte das Herz nicht. Neuer Anblick des Kuͤnftigen; Licht voll Daͤmm’rung; geglaubtes Licht, und dennoch Nacht; Verlangen, heiß, wie getrennte Seelen allein es zu haben vermoͤgen; Wuͤnſche, gen Himmel Jezt auf Fluͤgeln erhoben, itzt niedergeſtuͤrzet vom Himmel; Hofnung, ach Hofnung! Zweifel, nicht nur, ob einſt Genuß ſie Endigen werde? Zweifel auch, an der rechten Erkenntniß Deß, was die Engel von dem verkuͤndeten, welcher ein Menſch ſey, Und ein Verſoͤhner Gottes; Empoͤrung von neuem ſich ſtraͤubend Wider das Schickſal, oder die Vorſicht; Wehmuth, daß ſelber Dieſe Rettung ſie nicht erretten wuͤrde! truͤbe Bittere Wehmuth; Stolz, vor den Wiedergerufnen, der Erſten Pfad zu betreten, vor ihnen die hell’ſte Palme zu tragen! Wuth, kein Erbe zu haben im Reiche der Freyen, kein Erbe Dort, wo Nacht nicht mehr und Ungewißheit umwoͤlkte; Dieß, dieß alles umgab, durchdrang die Langebeſtraften, Langegepruͤften Geiſter der untergehenden Erde. Und ſie hatten, empor aus ihren Tiefen, zu Schaaren, Spaͤher geſandt, die hinuͤberſchaun nach Gethſemane ſollten, Und den Palmen umher, und kommen dann, und verkuͤnden: Siehe D 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/57>, abgerufen am 21.11.2024.