[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Sechzehnter Gesang. Hagid und Syrmion zuckten ihr Schwerdt aüf einander, und beyde Taumelten hin in ihr Blut, und hauchten mit Zorne den Geist aus. Jhnen klirrten aus sichtbarer Nacht diamantene Ketten Fürchterlich, dumpf, fernher, sie mußten sich nahen, entgegen. Einem Geiste der Hölle gebots ein Cherub; der fiel sie Wuthvoll an, und kettete sie an einander. Des Abgrunds Kluft, in welche sie stürzten, erscholl von der Rufenden Falle. Thoa, ein Jüngling auf jener Erd' in der Ruhstat Gottes, Wo die Sünde nicht ist, der Tod nicht, schaute dem Engel, Der ihn traurend verließ, mit Erstaunen nach. Doch bald ward Sein Erstaunen zu Schrecken. Er hatte wider den Schöpfer, Und den Mittler Klage geklagt, mit Klage begonnen, Mit Empörung geendet, daß denen Leiden des Todes Bliebe, die doch aus dem Grabe zur seligen Ewigkeit kämen! Und er schaute bestürzt umher, er erblickt' in dem Thale Chöre Feyrender, welche, mit junger Blüthe gekränzet, Jn den mächtigen Strömen der himmlischen Harmonieen Fortgerissen, von lieblichen Reihen der Wonne beflügelt, Gottes Pfad in dem Labyrinth der Beseligung sangen. Und er wallet' hinab, von seinen Thränen zu reden! Aber er stand bald still. Jhm winket' ein anderer Engel; Und er mußte folgen. Verwundernd fühlt' er sich schweben. Ach nicht lange, so sah er in weiter Fern' sein Geburtsland Hinter sich leuchten; er sah's, wie andre Sterne der Schöpfung; Sah es, ach wie erstaunt' er! bey einer Sonne verschwinden! Engel C 4
Sechzehnter Geſang. Hagid und Syrmion zuckten ihr Schwerdt auͤf einander, und beyde Taumelten hin in ihr Blut, und hauchten mit Zorne den Geiſt aus. Jhnen klirrten aus ſichtbarer Nacht diamantene Ketten Fuͤrchterlich, dumpf, fernher, ſie mußten ſich nahen, entgegen. Einem Geiſte der Hoͤlle gebots ein Cherub; der fiel ſie Wuthvoll an, und kettete ſie an einander. Des Abgrunds Kluft, in welche ſie ſtuͤrzten, erſcholl von der Rufenden Falle. Thoa, ein Juͤngling auf jener Erd’ in der Ruhſtat Gottes, Wo die Suͤnde nicht iſt, der Tod nicht, ſchaute dem Engel, Der ihn traurend verließ, mit Erſtaunen nach. Doch bald ward Sein Erſtaunen zu Schrecken. Er hatte wider den Schoͤpfer, Und den Mittler Klage geklagt, mit Klage begonnen, Mit Empoͤrung geendet, daß denen Leiden des Todes Bliebe, die doch aus dem Grabe zur ſeligen Ewigkeit kaͤmen! Und er ſchaute beſtuͤrzt umher, er erblickt’ in dem Thale Choͤre Feyrender, welche, mit junger Bluͤthe gekraͤnzet, Jn den maͤchtigen Stroͤmen der himmliſchen Harmonieen Fortgeriſſen, von lieblichen Reihen der Wonne befluͤgelt, Gottes Pfad in dem Labyrinth der Beſeligung ſangen. Und er wallet’ hinab, von ſeinen Thraͤnen zu reden! Aber er ſtand bald ſtill. Jhm winket’ ein anderer Engel; Und er mußte folgen. Verwundernd fuͤhlt’ er ſich ſchweben. Ach nicht lange, ſo ſah er in weiter Fern’ ſein Geburtsland Hinter ſich leuchten; er ſah’s, wie andre Sterne der Schoͤpfung; Sah es, ach wie erſtaunt’ er! bey einer Sonne verſchwinden! Engel C 4
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Sechzehnter Geſang.
Hagid und Syrmion zuckten ihr Schwerdt auͤf einander,
und beyde
Taumelten hin in ihr Blut, und hauchten mit Zorne den Geiſt aus.
Jhnen klirrten aus ſichtbarer Nacht diamantene Ketten
Fuͤrchterlich, dumpf, fernher, ſie mußten ſich nahen, entgegen.
Einem Geiſte der Hoͤlle gebots ein Cherub; der fiel ſie
Wuthvoll an, und kettete ſie an einander. Des Abgrunds
Kluft, in welche ſie ſtuͤrzten, erſcholl von der Rufenden Falle.
Thoa, ein Juͤngling auf jener Erd’ in der Ruhſtat Gottes,
Wo die Suͤnde nicht iſt, der Tod nicht, ſchaute dem Engel,
Der ihn traurend verließ, mit Erſtaunen nach. Doch bald ward
Sein Erſtaunen zu Schrecken. Er hatte wider den Schoͤpfer,
Und den Mittler Klage geklagt, mit Klage begonnen,
Mit Empoͤrung geendet, daß denen Leiden des Todes
Bliebe, die doch aus dem Grabe zur ſeligen Ewigkeit kaͤmen!
Und er ſchaute beſtuͤrzt umher, er erblickt’ in dem Thale
Choͤre Feyrender, welche, mit junger Bluͤthe gekraͤnzet,
Jn den maͤchtigen Stroͤmen der himmliſchen Harmonieen
Fortgeriſſen, von lieblichen Reihen der Wonne befluͤgelt,
Gottes Pfad in dem Labyrinth der Beſeligung ſangen.
Und er wallet’ hinab, von ſeinen Thraͤnen zu reden!
Aber er ſtand bald ſtill. Jhm winket’ ein anderer Engel;
Und er mußte folgen. Verwundernd fuͤhlt’ er ſich ſchweben.
Ach nicht lange, ſo ſah er in weiter Fern’ ſein Geburtsland
Hinter ſich leuchten; er ſah’s, wie andre Sterne der Schoͤpfung;
Sah es, ach wie erſtaunt’ er! bey einer Sonne verſchwinden!
Engel
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