Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Voll des Entsetzens vor ihm? ward da sein Eid nicht erfüllet,
Den er dem Ewigen schwur: Jch will die Menschen erlösen!
Hat den Vollender nicht Gott mit Preis und Ehre gekrönet,
Seit er am Kreuze sein Haupt in die Nacht des Todes geneigt hat?
Ach zu seiner Herrlichkeit schaut mit Wonne mein Blick auf;
Aber dennoch wend' ich ihn oft zu dem blutigen Altar
Wieder hin, und klag' um ihn, deß Haupt in die Nacht sich
Neigte, gekrönt mit der Krone der Schmach auf der Schädelstäte!

Komm, wir harren dein, uns lasten der süßen Erwartung
Freud' und Unruh, komm, du, den nicht mehr auf dem Hügel
Krönet die Krone der Schmach! nicht mehr der Felsen des Grabmals
Hüllt in dunklere Nacht, als über Golgatha schwebte.
Komm, du Toderweckter, du Mächtiger, komm, der das Leben
Wiederbrachte, gesegnet mit allen Segen des Vaters,
Komm, wir schauen nach dir hinab in die Thale, gen Himmel,
Auf die Gebirg' umher, mit innigen Blicken der frommen
Süssen Erwartung, o komm zu deiner ersten Gemeine!
Siehe, so wartet, die Freud' in dem Blick, und geschmückt mit der Unschuld
Schmucke, die Braut des Bräutigams, wie der Gemeinen erste
Deiner wartet, der auferstand, die Todten zu wecken!
Wallet, Gemeinen der Enkel, mit frohem Tritt zu der ersten
Grabe, sie wird, euch wird der Herr des Lebens wecken!
Wallet herzu, die Blume der Erndt' in der Hand, und die Lippe
Seines Preises voll, zu eurer Väter Gebeinen.
Magdale unterbrach den Gesang durch Rufe der Freude:
Ach sein Häuflein, die erste Gemeine, mehret sich immer!
Seht

Der Meſſias.
Voll des Entſetzens vor ihm? ward da ſein Eid nicht erfuͤllet,
Den er dem Ewigen ſchwur: Jch will die Menſchen erloͤſen!
Hat den Vollender nicht Gott mit Preis und Ehre gekroͤnet,
Seit er am Kreuze ſein Haupt in die Nacht des Todes geneigt hat?
Ach zu ſeiner Herrlichkeit ſchaut mit Wonne mein Blick auf;
Aber dennoch wend’ ich ihn oft zu dem blutigen Altar
Wieder hin, und klag’ um ihn, deß Haupt in die Nacht ſich
Neigte, gekroͤnt mit der Krone der Schmach auf der Schaͤdelſtaͤte!

Komm, wir harren dein, uns laſten der ſuͤßen Erwartung
Freud’ und Unruh, komm, du, den nicht mehr auf dem Huͤgel
Kroͤnet die Krone der Schmach! nicht mehr der Felſen des Grabmals
Huͤllt in dunklere Nacht, als uͤber Golgatha ſchwebte.
Komm, du Toderweckter, du Maͤchtiger, komm, der das Leben
Wiederbrachte, geſegnet mit allen Segen des Vaters,
Komm, wir ſchauen nach dir hinab in die Thale, gen Himmel,
Auf die Gebirg’ umher, mit innigen Blicken der frommen
Suͤſſen Erwartung, o komm zu deiner erſten Gemeine!
Siehe, ſo wartet, die Freud’ in dem Blick, und geſchmuͤckt mit der Unſchuld
Schmucke, die Braut des Braͤutigams, wie der Gemeinen erſte
Deiner wartet, der auferſtand, die Todten zu wecken!
Wallet, Gemeinen der Enkel, mit frohem Tritt zu der erſten
Grabe, ſie wird, euch wird der Herr des Lebens wecken!
Wallet herzu, die Blume der Erndt’ in der Hand, und die Lippe
Seines Preiſes voll, zu eurer Vaͤter Gebeinen.
Magdale unterbrach den Geſang durch Rufe der Freude:
Ach ſein Haͤuflein, die erſte Gemeine, mehret ſich immer!
Seht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="36">
              <pb facs="#f0134" n="134"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Voll des Ent&#x017F;etzens vor ihm? ward da &#x017F;ein Eid nicht erfu&#x0364;llet,</l><lb/>
              <l>Den er dem Ewigen &#x017F;chwur: Jch will die Men&#x017F;chen erlo&#x0364;&#x017F;en!</l><lb/>
              <l>Hat den Vollender nicht Gott mit Preis und Ehre gekro&#x0364;net,</l><lb/>
              <l>Seit er am Kreuze &#x017F;ein Haupt in die Nacht des Todes geneigt hat?</l><lb/>
              <l>Ach zu &#x017F;einer Herrlichkeit &#x017F;chaut mit Wonne mein Blick auf;</l><lb/>
              <l>Aber dennoch wend&#x2019; ich ihn oft zu dem blutigen Altar</l><lb/>
              <l>Wieder hin, und klag&#x2019; um ihn, deß Haupt in die Nacht &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Neigte, gekro&#x0364;nt mit der Krone der Schmach auf der Scha&#x0364;del&#x017F;ta&#x0364;te!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="37">
              <l>Komm, wir harren dein, uns la&#x017F;ten der &#x017F;u&#x0364;ßen Erwartung</l><lb/>
              <l>Freud&#x2019; und Unruh, komm, du, den nicht mehr auf dem Hu&#x0364;gel</l><lb/>
              <l>Kro&#x0364;net die Krone der Schmach! nicht mehr der Fel&#x017F;en des Grabmals</l><lb/>
              <l>Hu&#x0364;llt in dunklere Nacht, als u&#x0364;ber Golgatha &#x017F;chwebte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="38">
              <l>Komm, du Toderweckter, du Ma&#x0364;chtiger, komm, der das Leben</l><lb/>
              <l>Wiederbrachte, ge&#x017F;egnet mit allen Segen des Vaters,</l><lb/>
              <l>Komm, wir &#x017F;chauen nach dir hinab in die Thale, gen Himmel,</l><lb/>
              <l>Auf die Gebirg&#x2019; umher, mit innigen Blicken der frommen</l><lb/>
              <l>Su&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Erwartung, o komm zu deiner er&#x017F;ten Gemeine!</l><lb/>
              <l>Siehe, &#x017F;o wartet, die Freud&#x2019; in dem Blick, und ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt mit der Un&#x017F;chuld</l><lb/>
              <l>Schmucke, die Braut des Bra&#x0364;utigams, wie der Gemeinen er&#x017F;te</l><lb/>
              <l>Deiner wartet, der aufer&#x017F;tand, die Todten zu wecken!</l><lb/>
              <l>Wallet, Gemeinen der Enkel, mit frohem Tritt zu der er&#x017F;ten</l><lb/>
              <l>Grabe, &#x017F;ie wird, euch wird der Herr des Lebens wecken!</l><lb/>
              <l>Wallet herzu, die Blume der Erndt&#x2019; in der Hand, und die Lippe</l><lb/>
              <l>Seines Prei&#x017F;es voll, zu eurer Va&#x0364;ter Gebeinen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="39">
              <l>Magdale unterbrach den Ge&#x017F;ang durch Rufe der Freude:</l><lb/>
              <l>Ach &#x017F;ein Ha&#x0364;uflein, die er&#x017F;te Gemeine, mehret &#x017F;ich immer!</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Seht</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0134] Der Meſſias. Voll des Entſetzens vor ihm? ward da ſein Eid nicht erfuͤllet, Den er dem Ewigen ſchwur: Jch will die Menſchen erloͤſen! Hat den Vollender nicht Gott mit Preis und Ehre gekroͤnet, Seit er am Kreuze ſein Haupt in die Nacht des Todes geneigt hat? Ach zu ſeiner Herrlichkeit ſchaut mit Wonne mein Blick auf; Aber dennoch wend’ ich ihn oft zu dem blutigen Altar Wieder hin, und klag’ um ihn, deß Haupt in die Nacht ſich Neigte, gekroͤnt mit der Krone der Schmach auf der Schaͤdelſtaͤte! Komm, wir harren dein, uns laſten der ſuͤßen Erwartung Freud’ und Unruh, komm, du, den nicht mehr auf dem Huͤgel Kroͤnet die Krone der Schmach! nicht mehr der Felſen des Grabmals Huͤllt in dunklere Nacht, als uͤber Golgatha ſchwebte. Komm, du Toderweckter, du Maͤchtiger, komm, der das Leben Wiederbrachte, geſegnet mit allen Segen des Vaters, Komm, wir ſchauen nach dir hinab in die Thale, gen Himmel, Auf die Gebirg’ umher, mit innigen Blicken der frommen Suͤſſen Erwartung, o komm zu deiner erſten Gemeine! Siehe, ſo wartet, die Freud’ in dem Blick, und geſchmuͤckt mit der Unſchuld Schmucke, die Braut des Braͤutigams, wie der Gemeinen erſte Deiner wartet, der auferſtand, die Todten zu wecken! Wallet, Gemeinen der Enkel, mit frohem Tritt zu der erſten Grabe, ſie wird, euch wird der Herr des Lebens wecken! Wallet herzu, die Blume der Erndt’ in der Hand, und die Lippe Seines Preiſes voll, zu eurer Vaͤter Gebeinen. Magdale unterbrach den Geſang durch Rufe der Freude: Ach ſein Haͤuflein, die erſte Gemeine, mehret ſich immer! Seht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/134
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/134>, abgerufen am 21.11.2024.