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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Elfter Gesang.
Röthen, durchdrungen von inniger Freuden schnellem Gefühle,
Schwebte sie auf, war ganz der Unsterblichkeit Erbinn geworden!

Jn der Entzückung, als weit um ihn her das Todesgefilde
Rauschte von Auferstehung, da blies die hohe Posaune
Einer der Engel. Mit ihrem erschütternden Donnerhalle,
Trat der Held, den Gott zur Bezwingung Canaans sandte,
Aus den Schatten des Todes herauf. So leuchten aus Nächten
Blitze, so sah auf Dothans bestrahlten Bergen Elisa
Flammende Wagen der Engel, die ihn mit Rettung umgaben.
Wie ein Erstling der Frühlingsblumen in duftigen Thälern
Aufblüht, also erwachte zum Leben der Leben, nicht wieder
Wegzuwelken, die Tochter Jephtha. Zum Silbergetöne
Ward es, wovon die Lippe der Preisenden bebet'! Jhr Engel
Tönt's mit der goldenen Harf' ihr nach, und erhub es auf Flügeln
Frohbegeisterter Harmonieen noch höher gen Himmel.
Nah an Jerusalem hatte die Mutter der sieben Söhne
Mit den Söhnen ein Frommer in einer Höle begraben.
Herzhaft grub er die Heiligen ein, entschlossen, dem Wütrich,
Der sie erwürgte, die That zu bekennen, und selber zu sterben!
Oft war diese Höle die Ruhstat müder Wandrer;
Oft beschatteten ihre Gewölbe des einsamen Beters
Heisse Thränen. Sie füllte mit ernstem Tiefsinn die Seele
Aller, welche vor ihr vorüber gingen. Denn alle
Hatten gehört, welch heilig Gebein die Höle begrübe!
Jetzo knieten in ihr um ihre Mutter die Söhne
Märtyrer neben der Märtyrerinn, voll dankender Wonne,
Daß sie, als seine Zeugen, der Mittler sterben zu lassen
Sie

Elfter Geſang.
Roͤthen, durchdrungen von inniger Freuden ſchnellem Gefuͤhle,
Schwebte ſie auf, war ganz der Unſterblichkeit Erbinn geworden!

Jn der Entzuͤckung, als weit um ihn her das Todesgefilde
Rauſchte von Auferſtehung, da blies die hohe Poſaune
Einer der Engel. Mit ihrem erſchuͤtternden Donnerhalle,
Trat der Held, den Gott zur Bezwingung Canaans ſandte,
Aus den Schatten des Todes herauf. So leuchten aus Naͤchten
Blitze, ſo ſah auf Dothans beſtrahlten Bergen Eliſa
Flammende Wagen der Engel, die ihn mit Rettung umgaben.
Wie ein Erſtling der Fruͤhlingsblumen in duftigen Thaͤlern
Aufbluͤht, alſo erwachte zum Leben der Leben, nicht wieder
Wegzuwelken, die Tochter Jephtha. Zum Silbergetoͤne
Ward es, wovon die Lippe der Preiſenden bebet’! Jhr Engel
Toͤnt’s mit der goldenen Harf’ ihr nach, und erhub es auf Fluͤgeln
Frohbegeiſterter Harmonieen noch hoͤher gen Himmel.
Nah an Jeruſalem hatte die Mutter der ſieben Soͤhne
Mit den Soͤhnen ein Frommer in einer Hoͤle begraben.
Herzhaft grub er die Heiligen ein, entſchloſſen, dem Wuͤtrich,
Der ſie erwuͤrgte, die That zu bekennen, und ſelber zu ſterben!
Oft war dieſe Hoͤle die Ruhſtat muͤder Wandrer;
Oft beſchatteten ihre Gewoͤlbe des einſamen Beters
Heiſſe Thraͤnen. Sie fuͤllte mit ernſtem Tiefſinn die Seele
Aller, welche vor ihr voruͤber gingen. Denn alle
Hatten gehoͤrt, welch heilig Gebein die Hoͤle begruͤbe!
Jetzo knieten in ihr um ihre Mutter die Soͤhne
Maͤrtyrer neben der Maͤrtyrerinn, voll dankender Wonne,
Daß ſie, als ſeine Zeugen, der Mittler ſterben zu laſſen
Sie
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[47/0063] Elfter Geſang. Roͤthen, durchdrungen von inniger Freuden ſchnellem Gefuͤhle, Schwebte ſie auf, war ganz der Unſterblichkeit Erbinn geworden! Jn der Entzuͤckung, als weit um ihn her das Todesgefilde Rauſchte von Auferſtehung, da blies die hohe Poſaune Einer der Engel. Mit ihrem erſchuͤtternden Donnerhalle, Trat der Held, den Gott zur Bezwingung Canaans ſandte, Aus den Schatten des Todes herauf. So leuchten aus Naͤchten Blitze, ſo ſah auf Dothans beſtrahlten Bergen Eliſa Flammende Wagen der Engel, die ihn mit Rettung umgaben. Wie ein Erſtling der Fruͤhlingsblumen in duftigen Thaͤlern Aufbluͤht, alſo erwachte zum Leben der Leben, nicht wieder Wegzuwelken, die Tochter Jephtha. Zum Silbergetoͤne Ward es, wovon die Lippe der Preiſenden bebet’! Jhr Engel Toͤnt’s mit der goldenen Harf’ ihr nach, und erhub es auf Fluͤgeln Frohbegeiſterter Harmonieen noch hoͤher gen Himmel. Nah an Jeruſalem hatte die Mutter der ſieben Soͤhne Mit den Soͤhnen ein Frommer in einer Hoͤle begraben. Herzhaft grub er die Heiligen ein, entſchloſſen, dem Wuͤtrich, Der ſie erwuͤrgte, die That zu bekennen, und ſelber zu ſterben! Oft war dieſe Hoͤle die Ruhſtat muͤder Wandrer; Oft beſchatteten ihre Gewoͤlbe des einſamen Beters Heiſſe Thraͤnen. Sie fuͤllte mit ernſtem Tiefſinn die Seele Aller, welche vor ihr voruͤber gingen. Denn alle Hatten gehoͤrt, welch heilig Gebein die Hoͤle begruͤbe! Jetzo knieten in ihr um ihre Mutter die Soͤhne Maͤrtyrer neben der Maͤrtyrerinn, voll dankender Wonne, Daß ſie, als ſeine Zeugen, der Mittler ſterben zu laſſen Sie

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/63>, abgerufen am 28.03.2024.