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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Lichtvollen Tages, ich seh schon ihre Schimmer von ferne.
Laß, eh er kommt, uns beten, damit er betend dich finde,
Gottes Tag ... Sie sanken hin, und knieten in Staube,
Hiob vorwärts an Beor. Und Beor stammelte weinend:

Herr, Herr/ Gott, barmherzig, und gnädig, bin ich der Erkohrne,
Elend zu seyn, damit du noch mehr dich meiner erbarmest:
So erheb' ich mein Haupt, mit Danke, mit Danke gen Himmel,
Daß du dem Auge Blindheit, und Nacht der Seele voll Schwermuth,
Dieß, Erbarmender, gabst, mit ewigem Danke! denn ewig
Soll mein Jubel erschallen, daß Gott, Gott so sich erbarmt hat!
Hüter des Menschen, ist sie nun bald vorüber der Seele
Nacht? O Hofnung, du neue, du himmelerhebende Hofnung,
Dich empfang' ich vom Herrn! Gepriesen, mein Vater, gepriesen
Sey dein herrlicher Name, des Gnadenvollen Erbarmung,
Diese Mutter des hülflosen Kindes! Und wenn sich des Sohnes
Auch das Weib nicht erbarmte, so wird doch Gott sich erbarmen!
Herr, Herr, Gott barmherzig, und gnädig, gepriesen auf ewig
Sey dein herrlicher Name, daß du mir von der Geburt an,
Blind zu seyn gebotest! daß du mir Leiden die Fülle
Gabst, und Thränen, und deinen göttlichen Boten, das Elend,
Mich zu lehren, mir sandtest! mir Zweifel, und Schwermuth der Seele
Sandtest, damit ich, wie sehr ich deiner Hülfe bedürfe,
Tief ins Leben hinein, in meinem Jnnersten, fühlte! ...
Aber soll ich nicht dir auch danken, Gesendeter Gottes,
Helfer in Juda? Allein (hier wurde die Stimm' ihm schwächer)
Er ist todt! ... Er lebt! Es ruft's mit gewendetem Haupte,
Und mit strahlendem Angesicht, Hiob, er lebt! und mit Eile
Stand
P 5

Funfzehnter Geſang.
Lichtvollen Tages, ich ſeh ſchon ihre Schimmer von ferne.
Laß, eh er kommt, uns beten, damit er betend dich finde,
Gottes Tag … Sie ſanken hin, und knieten in Staube,
Hiob vorwaͤrts an Beor. Und Beor ſtammelte weinend:

Herr, Herr/ Gott, barmherzig, und gnaͤdig, bin ich der Erkohrne,
Elend zu ſeyn, damit du noch mehr dich meiner erbarmeſt:
So erheb’ ich mein Haupt, mit Danke, mit Danke gen Himmel,
Daß du dem Auge Blindheit, und Nacht der Seele voll Schwermuth,
Dieß, Erbarmender, gabſt, mit ewigem Danke! denn ewig
Soll mein Jubel erſchallen, daß Gott, Gott ſo ſich erbarmt hat!
Huͤter des Menſchen, iſt ſie nun bald voruͤber der Seele
Nacht? O Hofnung, du neue, du himmelerhebende Hofnung,
Dich empfang’ ich vom Herrn! Geprieſen, mein Vater, geprieſen
Sey dein herrlicher Name, des Gnadenvollen Erbarmung,
Dieſe Mutter des huͤlfloſen Kindes! Und wenn ſich des Sohnes
Auch das Weib nicht erbarmte, ſo wird doch Gott ſich erbarmen!
Herr, Herr, Gott barmherzig, und gnaͤdig, geprieſen auf ewig
Sey dein herrlicher Name, daß du mir von der Geburt an,
Blind zu ſeyn geboteſt! daß du mir Leiden die Fuͤlle
Gabſt, und Thraͤnen, und deinen goͤttlichen Boten, das Elend,
Mich zu lehren, mir ſandteſt! mir Zweifel, und Schwermuth der Seele
Sandteſt, damit ich, wie ſehr ich deiner Huͤlfe beduͤrfe,
Tief ins Leben hinein, in meinem Jnnerſten, fuͤhlte! …
Aber ſoll ich nicht dir auch danken, Geſendeter Gottes,
Helfer in Juda? Allein (hier wurde die Stimm’ ihm ſchwaͤcher)
Er iſt todt! … Er lebt! Es ruft’s mit gewendetem Haupte,
Und mit ſtrahlendem Angeſicht, Hiob, er lebt! und mit Eile
Stand
P 5
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[233/0249] Funfzehnter Geſang. Lichtvollen Tages, ich ſeh ſchon ihre Schimmer von ferne. Laß, eh er kommt, uns beten, damit er betend dich finde, Gottes Tag … Sie ſanken hin, und knieten in Staube, Hiob vorwaͤrts an Beor. Und Beor ſtammelte weinend: Herr, Herr/ Gott, barmherzig, und gnaͤdig, bin ich der Erkohrne, Elend zu ſeyn, damit du noch mehr dich meiner erbarmeſt: So erheb’ ich mein Haupt, mit Danke, mit Danke gen Himmel, Daß du dem Auge Blindheit, und Nacht der Seele voll Schwermuth, Dieß, Erbarmender, gabſt, mit ewigem Danke! denn ewig Soll mein Jubel erſchallen, daß Gott, Gott ſo ſich erbarmt hat! Huͤter des Menſchen, iſt ſie nun bald voruͤber der Seele Nacht? O Hofnung, du neue, du himmelerhebende Hofnung, Dich empfang’ ich vom Herrn! Geprieſen, mein Vater, geprieſen Sey dein herrlicher Name, des Gnadenvollen Erbarmung, Dieſe Mutter des huͤlfloſen Kindes! Und wenn ſich des Sohnes Auch das Weib nicht erbarmte, ſo wird doch Gott ſich erbarmen! Herr, Herr, Gott barmherzig, und gnaͤdig, geprieſen auf ewig Sey dein herrlicher Name, daß du mir von der Geburt an, Blind zu ſeyn geboteſt! daß du mir Leiden die Fuͤlle Gabſt, und Thraͤnen, und deinen goͤttlichen Boten, das Elend, Mich zu lehren, mir ſandteſt! mir Zweifel, und Schwermuth der Seele Sandteſt, damit ich, wie ſehr ich deiner Huͤlfe beduͤrfe, Tief ins Leben hinein, in meinem Jnnerſten, fuͤhlte! … Aber ſoll ich nicht dir auch danken, Geſendeter Gottes, Helfer in Juda? Allein (hier wurde die Stimm’ ihm ſchwaͤcher) Er iſt todt! … Er lebt! Es ruft’s mit gewendetem Haupte, Und mit ſtrahlendem Angeſicht, Hiob, er lebt! und mit Eile Stand P 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/249>, abgerufen am 28.03.2024.