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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Sammelt' um sich sie herum der Auferstandnen, der Todten,
Und der Sterblichen Vater, und sprach: Nun sind sie gekommen,
Freut euch, Kinder, nun sind des Heiles Stunden gekommen,
Da wir gewürdiget werden, die ersten Winke zu winken,
Nach dem schmalen Wege! den ersten Durst zu entzünden,
Nach der Quelle des Lebens! Der Stifter der himmlischen Kindschaft
Hat es eurem Gefühl, und Erforschungen überlassen
Auszuwählen, wie es euch dünkt. Jhr wählet, die Kinder
Werden, und Erben! ihr wählt der Vorbereitungen Weise.
Doch nicht allein, die ihr der hohen Erscheinungen würdigt,
Sind zu dem Heile berufen. Und wenn ihr beriefet, die Gott nicht
Auch berufet; so würden der Thronen Engel euch warnen.
Eilt denn, genießt den Wonnegedanken, euch Brüder zu wählen
Zu dem Erbe des Lichts! Jch seh, die werdet ihr wählen,
Welch' in ihrer Finsterniß schon, die Gnaden empfingen,
Daß sie, wiewohl mit Straucheln, den Wandel im Himmel begangen;
Und ihr werdet sie kennen, die diese Gnaden empfingen.

Tiefsinn war in der Seele des Knabens geblieben, den Jesus
Unter die Hörer gestellt, und gesegnet hatte. Nephthoa
Nach der Quelle genannt an Ephrons Gränzengebirge,
Liebte minder seitdem die Gespielen, und Einsamkeit war ihm
Süßer, als alle Freuden der frohen Jahre geworden.
Blüte trug er, und Frucht, in beginnendem Lenze des Lebens
Reif wie Jünglinge, voll Verstandes, und göttlicher Gnade.
Sieben Jahr' entflohen ihm erst, und er hatte das letzte
Betend verlängert, ein Jahr voll reicher Saaten, unkennbar
Denen, die kleine Dinge, verwebt in das Eitle, nur dachten;
Aber
N 4

Funfzehnter Geſang.
Sammelt’ um ſich ſie herum der Auferſtandnen, der Todten,
Und der Sterblichen Vater, und ſprach: Nun ſind ſie gekommen,
Freut euch, Kinder, nun ſind des Heiles Stunden gekommen,
Da wir gewuͤrdiget werden, die erſten Winke zu winken,
Nach dem ſchmalen Wege! den erſten Durſt zu entzuͤnden,
Nach der Quelle des Lebens! Der Stifter der himmliſchen Kindſchaft
Hat es eurem Gefuͤhl, und Erforſchungen uͤberlaſſen
Auszuwaͤhlen, wie es euch duͤnkt. Jhr waͤhlet, die Kinder
Werden, und Erben! ihr waͤhlt der Vorbereitungen Weiſe.
Doch nicht allein, die ihr der hohen Erſcheinungen wuͤrdigt,
Sind zu dem Heile berufen. Und wenn ihr beriefet, die Gott nicht
Auch berufet; ſo wuͤrden der Thronen Engel euch warnen.
Eilt denn, genießt den Wonnegedanken, euch Bruͤder zu waͤhlen
Zu dem Erbe des Lichts! Jch ſeh, die werdet ihr waͤhlen,
Welch’ in ihrer Finſterniß ſchon, die Gnaden empfingen,
Daß ſie, wiewohl mit Straucheln, den Wandel im Himmel begangen;
Und ihr werdet ſie kennen, die dieſe Gnaden empfingen.

Tiefſinn war in der Seele des Knabens geblieben, den Jeſus
Unter die Hoͤrer geſtellt, und geſegnet hatte. Nephthoa
Nach der Quelle genannt an Ephrons Graͤnzengebirge,
Liebte minder ſeitdem die Geſpielen, und Einſamkeit war ihm
Suͤßer, als alle Freuden der frohen Jahre geworden.
Bluͤte trug er, und Frucht, in beginnendem Lenze des Lebens
Reif wie Juͤnglinge, voll Verſtandes, und goͤttlicher Gnade.
Sieben Jahr’ entflohen ihm erſt, und er hatte das letzte
Betend verlaͤngert, ein Jahr voll reicher Saaten, unkennbar
Denen, die kleine Dinge, verwebt in das Eitle, nur dachten;
Aber
N 4
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[199/0215] Funfzehnter Geſang. Sammelt’ um ſich ſie herum der Auferſtandnen, der Todten, Und der Sterblichen Vater, und ſprach: Nun ſind ſie gekommen, Freut euch, Kinder, nun ſind des Heiles Stunden gekommen, Da wir gewuͤrdiget werden, die erſten Winke zu winken, Nach dem ſchmalen Wege! den erſten Durſt zu entzuͤnden, Nach der Quelle des Lebens! Der Stifter der himmliſchen Kindſchaft Hat es eurem Gefuͤhl, und Erforſchungen uͤberlaſſen Auszuwaͤhlen, wie es euch duͤnkt. Jhr waͤhlet, die Kinder Werden, und Erben! ihr waͤhlt der Vorbereitungen Weiſe. Doch nicht allein, die ihr der hohen Erſcheinungen wuͤrdigt, Sind zu dem Heile berufen. Und wenn ihr beriefet, die Gott nicht Auch berufet; ſo wuͤrden der Thronen Engel euch warnen. Eilt denn, genießt den Wonnegedanken, euch Bruͤder zu waͤhlen Zu dem Erbe des Lichts! Jch ſeh, die werdet ihr waͤhlen, Welch’ in ihrer Finſterniß ſchon, die Gnaden empfingen, Daß ſie, wiewohl mit Straucheln, den Wandel im Himmel begangen; Und ihr werdet ſie kennen, die dieſe Gnaden empfingen. Tiefſinn war in der Seele des Knabens geblieben, den Jeſus Unter die Hoͤrer geſtellt, und geſegnet hatte. Nephthoa Nach der Quelle genannt an Ephrons Graͤnzengebirge, Liebte minder ſeitdem die Geſpielen, und Einſamkeit war ihm Suͤßer, als alle Freuden der frohen Jahre geworden. Bluͤte trug er, und Frucht, in beginnendem Lenze des Lebens Reif wie Juͤnglinge, voll Verſtandes, und goͤttlicher Gnade. Sieben Jahr’ entflohen ihm erſt, und er hatte das letzte Betend verlaͤngert, ein Jahr voll reicher Saaten, unkennbar Denen, die kleine Dinge, verwebt in das Eitle, nur dachten; Aber N 4

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/215>, abgerufen am 24.04.2024.