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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Schon die Schatten der Palmen erreicht. Da die Beyden aus Salems
Mauren gingen, und noch bey ihnen nicht ihr Gefährt war,
Sprachen sie unter einander: Wie kann ich irren, Matthias,
O du kennst ja die Wuth, die heisse Rache der Priester,
Wie sie ergrimmten, als sie es nun nicht zu wehren vermochten,
Daß ihn Joseph begrübe. Sie haben den Hauptmann gewonnen,
Haben den Todten geraubt! und wollen ihn doch auf dem Hügel
Bey der Verfluchten Gebeine begraben! Vielleicht, o du Bester!
Heiligster! deckt schon Golgatha deinen starrenden Leichnam!

Aber die Engel am Grab', o Kleophas? Hat sie denn Alle
Trübes Trauren getäuscht? Und kann denn Traurigkeit wirken,
Daß wir Engel sehen? Warum nicht bange Gestalten?
Nacht? der Gerichteten Schatten vielmehr? Jschariots Seele? ...
Kleophas bebte zurück, darauf antwortet' er: Löse
Mir nur Einen Zweifel, Geliebter: Warum erscheinet
Unser Meister nicht selbst? Wie kenn' ich Engel? Wie weis ich,
Kennt' ich sie auch, ob sie der Ewige sendet? Ach, Theurer!
Würd er uns nicht erscheinen, wär er von den Todten erstanden?
Jhn, ihn kennen wir! ... Aber, o Kleophas, glaubte Maria
Gabriel nicht? Und kannte sie denn die Engel? und können
Gottes höhere Geister was anders sagen, als Wahrheit?
Und verdienen wir denn, daß er uns erscheine? Wir wären
Wie die Zwölfe geflohn, da laut von den stürmenden Schaaren,
Jhrem Grimm, und Wuth, und Geschrey, Gethsemane schallte!
Ferne nur, ferne nahten wir uns, da sein Todesurtheil
Schrecklich vom Richtstuhl scholl! ach, ferne des Sterbenden Kreuze!
Kleophas

Der Meſſias.
Schon die Schatten der Palmen erreicht. Da die Beyden aus Salems
Mauren gingen, und noch bey ihnen nicht ihr Gefaͤhrt war,
Sprachen ſie unter einander: Wie kann ich irren, Matthias,
O du kennſt ja die Wuth, die heiſſe Rache der Prieſter,
Wie ſie ergrimmten, als ſie es nun nicht zu wehren vermochten,
Daß ihn Joſeph begruͤbe. Sie haben den Hauptmann gewonnen,
Haben den Todten geraubt! und wollen ihn doch auf dem Huͤgel
Bey der Verfluchten Gebeine begraben! Vielleicht, o du Beſter!
Heiligſter! deckt ſchon Golgatha deinen ſtarrenden Leichnam!

Aber die Engel am Grab’, o Kleophas? Hat ſie denn Alle
Truͤbes Trauren getaͤuſcht? Und kann denn Traurigkeit wirken,
Daß wir Engel ſehen? Warum nicht bange Geſtalten?
Nacht? der Gerichteten Schatten vielmehr? Jſchariots Seele? …
Kleophas bebte zuruͤck, darauf antwortet’ er: Loͤſe
Mir nur Einen Zweifel, Geliebter: Warum erſcheinet
Unſer Meiſter nicht ſelbſt? Wie kenn’ ich Engel? Wie weis ich,
Kennt’ ich ſie auch, ob ſie der Ewige ſendet? Ach, Theurer!
Wuͤrd er uns nicht erſcheinen, waͤr er von den Todten erſtanden?
Jhn, ihn kennen wir! … Aber, o Kleophas, glaubte Maria
Gabriel nicht? Und kannte ſie denn die Engel? und koͤnnen
Gottes hoͤhere Geiſter was anders ſagen, als Wahrheit?
Und verdienen wir denn, daß er uns erſcheine? Wir waͤren
Wie die Zwoͤlfe geflohn, da laut von den ſtuͤrmenden Schaaren,
Jhrem Grimm, und Wuth, und Geſchrey, Gethſemane ſchallte!
Ferne nur, ferne nahten wir uns, da ſein Todesurtheil
Schrecklich vom Richtſtuhl ſcholl! ach, ferne des Sterbenden Kreuze!
Kleophas
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[162/0178] Der Meſſias. Schon die Schatten der Palmen erreicht. Da die Beyden aus Salems Mauren gingen, und noch bey ihnen nicht ihr Gefaͤhrt war, Sprachen ſie unter einander: Wie kann ich irren, Matthias, O du kennſt ja die Wuth, die heiſſe Rache der Prieſter, Wie ſie ergrimmten, als ſie es nun nicht zu wehren vermochten, Daß ihn Joſeph begruͤbe. Sie haben den Hauptmann gewonnen, Haben den Todten geraubt! und wollen ihn doch auf dem Huͤgel Bey der Verfluchten Gebeine begraben! Vielleicht, o du Beſter! Heiligſter! deckt ſchon Golgatha deinen ſtarrenden Leichnam! Aber die Engel am Grab’, o Kleophas? Hat ſie denn Alle Truͤbes Trauren getaͤuſcht? Und kann denn Traurigkeit wirken, Daß wir Engel ſehen? Warum nicht bange Geſtalten? Nacht? der Gerichteten Schatten vielmehr? Jſchariots Seele? … Kleophas bebte zuruͤck, darauf antwortet’ er: Loͤſe Mir nur Einen Zweifel, Geliebter: Warum erſcheinet Unſer Meiſter nicht ſelbſt? Wie kenn’ ich Engel? Wie weis ich, Kennt’ ich ſie auch, ob ſie der Ewige ſendet? Ach, Theurer! Wuͤrd er uns nicht erſcheinen, waͤr er von den Todten erſtanden? Jhn, ihn kennen wir! … Aber, o Kleophas, glaubte Maria Gabriel nicht? Und kannte ſie denn die Engel? und koͤnnen Gottes hoͤhere Geiſter was anders ſagen, als Wahrheit? Und verdienen wir denn, daß er uns erſcheine? Wir waͤren Wie die Zwoͤlfe geflohn, da laut von den ſtuͤrmenden Schaaren, Jhrem Grimm, und Wuth, und Geſchrey, Gethſemane ſchallte! Ferne nur, ferne nahten wir uns, da ſein Todesurtheil Schrecklich vom Richtſtuhl ſcholl! ach, ferne des Sterbenden Kreuze! Kleophas

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/178>, abgerufen am 25.11.2024.