Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Seine Rechte. Doch Petrus vermag nicht aufzustehen,
Strebt, und sucht mit der anderen Hand nach Christus Arme,
Fest sich daran zu halten; allein sie sank in den Staub ihm.
Jetzt erhub er sich wieder, umschlang mit beyden Armen
Jesus Rechte, bebte daran, und drückte sie innig
An sein Herz, und senkte die Stirn auf den Arm des Erstandnen.
Erde, so daucht es ihm, wollten um ihn, und Himmel vergehen!
Endlich schaut er hinauf in des Göttlichen Antlitz, begann denn
Mit der stammelnden Stimme der ersten Freude zu rufen:

Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig! und blickt' und schaute
Auf den Lebenden. Herr, Herr Gott barmherzig, und gnädig!
Ruft' er noch einmal, und bebte nicht mehr, und empfand des Erstandnen
Ueberschwenglichtröstenden, unaussprechlichen Anblick.
Seine Hüter Jthuriel, und Orion umschwebten
Golgatha; und Jthuriel hielt sich nicht mehr: Ach Orion,
Welche Stunde meiner Unsterblichkeit! Jubel der Wonne
Werden ihn oft uns wiederhohlen, ihn feyrend besingen!
Auferstanden erscheinet der Herr dem geretteten Sünder,
Christus Kephas! ... Du fühlst, was ich empfinde, Geliebter,
Unserem Jünger! O komm, und freu dich in meiner Umarmung
Deiner, und meiner Wonne! Gesündigt haben, ist furchtbar,
Voll von Entsetzen, Jthuriel; und, an dem Sündeversöhner,
Und, zu der Zeit der Versöhnung, und, als ein begnadigter Jünger!
Können wir uns kaum denken; allein die erweinte Vergebung
So erlangen! ... O Seraph, wie selig sind die Versöhnten!
Mit den Worten des Engels verließ der Erstandne den Hügel.
Petrus sah, und betet' ihm nach mit gefalteten Händen,
Bis

Der Meſſias.
Seine Rechte. Doch Petrus vermag nicht aufzuſtehen,
Strebt, und ſucht mit der anderen Hand nach Chriſtus Arme,
Feſt ſich daran zu halten; allein ſie ſank in den Staub ihm.
Jetzt erhub er ſich wieder, umſchlang mit beyden Armen
Jeſus Rechte, bebte daran, und druͤckte ſie innig
An ſein Herz, und ſenkte die Stirn auf den Arm des Erſtandnen.
Erde, ſo daucht es ihm, wollten um ihn, und Himmel vergehen!
Endlich ſchaut er hinauf in des Goͤttlichen Antlitz, begann denn
Mit der ſtammelnden Stimme der erſten Freude zu rufen:

Herr, Herr Gott, barmherzig und gnaͤdig! und blickt’ und ſchaute
Auf den Lebenden. Herr, Herr Gott barmherzig, und gnaͤdig!
Ruft’ er noch einmal, und bebte nicht mehr, und empfand des Erſtandnen
Ueberſchwenglichtroͤſtenden, unausſprechlichen Anblick.
Seine Huͤter Jthuriel, und Orion umſchwebten
Golgatha; und Jthuriel hielt ſich nicht mehr: Ach Orion,
Welche Stunde meiner Unſterblichkeit! Jubel der Wonne
Werden ihn oft uns wiederhohlen, ihn feyrend beſingen!
Auferſtanden erſcheinet der Herr dem geretteten Suͤnder,
Chriſtus Kephas! … Du fuͤhlſt, was ich empfinde, Geliebter,
Unſerem Juͤnger! O komm, und freu dich in meiner Umarmung
Deiner, und meiner Wonne! Geſuͤndigt haben, iſt furchtbar,
Voll von Entſetzen, Jthuriel; und, an dem Suͤndeverſoͤhner,
Und, zu der Zeit der Verſoͤhnung, und, als ein begnadigter Juͤnger!
Koͤnnen wir uns kaum denken; allein die erweinte Vergebung
So erlangen! … O Seraph, wie ſelig ſind die Verſoͤhnten!
Mit den Worten des Engels verließ der Erſtandne den Huͤgel.
Petrus ſah, und betet’ ihm nach mit gefalteten Haͤnden,
Bis
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="41">
            <pb facs="#f0172" n="156"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <l>Seine Rechte. Doch Petrus vermag nicht aufzu&#x017F;tehen,</l><lb/>
            <l>Strebt, und &#x017F;ucht mit der anderen Hand nach Chri&#x017F;tus Arme,</l><lb/>
            <l>Fe&#x017F;t &#x017F;ich daran zu halten; allein &#x017F;ie &#x017F;ank in den Staub ihm.</l><lb/>
            <l>Jetzt erhub er &#x017F;ich wieder, um&#x017F;chlang mit beyden Armen</l><lb/>
            <l>Je&#x017F;us Rechte, bebte daran, und dru&#x0364;ckte &#x017F;ie innig</l><lb/>
            <l>An &#x017F;ein Herz, und &#x017F;enkte die Stirn auf den Arm des Er&#x017F;tandnen.</l><lb/>
            <l>Erde, &#x017F;o daucht es ihm, wollten um ihn, und Himmel vergehen!</l><lb/>
            <l>Endlich &#x017F;chaut er hinauf in des Go&#x0364;ttlichen Antlitz, begann denn</l><lb/>
            <l>Mit der &#x017F;tammelnden Stimme der er&#x017F;ten Freude zu rufen:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="42">
            <l>Herr, Herr Gott, barmherzig und gna&#x0364;dig! und blickt&#x2019; und &#x017F;chaute</l><lb/>
            <l>Auf den Lebenden. Herr, Herr Gott barmherzig, und gna&#x0364;dig!</l><lb/>
            <l>Ruft&#x2019; er noch einmal, und bebte nicht mehr, und empfand des Er&#x017F;tandnen</l><lb/>
            <l>Ueber&#x017F;chwenglichtro&#x0364;&#x017F;tenden, unaus&#x017F;prechlichen Anblick.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="43">
            <l>Seine Hu&#x0364;ter Jthuriel, und Orion um&#x017F;chwebten</l><lb/>
            <l>Golgatha; und Jthuriel hielt &#x017F;ich nicht mehr: Ach Orion,</l><lb/>
            <l>Welche Stunde meiner Un&#x017F;terblichkeit! Jubel der Wonne</l><lb/>
            <l>Werden ihn oft uns wiederhohlen, ihn feyrend be&#x017F;ingen!</l><lb/>
            <l>Aufer&#x017F;tanden er&#x017F;cheinet der Herr dem geretteten Su&#x0364;nder,</l><lb/>
            <l>Chri&#x017F;tus Kephas! &#x2026; Du fu&#x0364;hl&#x017F;t, was ich empfinde, Geliebter,</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;erem Ju&#x0364;nger! O komm, und freu dich in meiner Umarmung</l><lb/>
            <l>Deiner, und meiner Wonne! Ge&#x017F;u&#x0364;ndigt haben, i&#x017F;t furchtbar,</l><lb/>
            <l>Voll von Ent&#x017F;etzen, Jthuriel; und, an dem Su&#x0364;ndever&#x017F;o&#x0364;hner,</l><lb/>
            <l>Und, zu der Zeit der Ver&#x017F;o&#x0364;hnung, und, als ein begnadigter Ju&#x0364;nger!</l><lb/>
            <l>Ko&#x0364;nnen wir uns kaum denken; allein die erweinte Vergebung</l><lb/>
            <l>So erlangen! &#x2026; O Seraph, wie &#x017F;elig &#x017F;ind die Ver&#x017F;o&#x0364;hnten!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="44">
            <l>Mit den Worten des Engels verließ der Er&#x017F;tandne den Hu&#x0364;gel.</l><lb/>
            <l>Petrus &#x017F;ah, und betet&#x2019; ihm nach mit gefalteten Ha&#x0364;nden,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Bis</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0172] Der Meſſias. Seine Rechte. Doch Petrus vermag nicht aufzuſtehen, Strebt, und ſucht mit der anderen Hand nach Chriſtus Arme, Feſt ſich daran zu halten; allein ſie ſank in den Staub ihm. Jetzt erhub er ſich wieder, umſchlang mit beyden Armen Jeſus Rechte, bebte daran, und druͤckte ſie innig An ſein Herz, und ſenkte die Stirn auf den Arm des Erſtandnen. Erde, ſo daucht es ihm, wollten um ihn, und Himmel vergehen! Endlich ſchaut er hinauf in des Goͤttlichen Antlitz, begann denn Mit der ſtammelnden Stimme der erſten Freude zu rufen: Herr, Herr Gott, barmherzig und gnaͤdig! und blickt’ und ſchaute Auf den Lebenden. Herr, Herr Gott barmherzig, und gnaͤdig! Ruft’ er noch einmal, und bebte nicht mehr, und empfand des Erſtandnen Ueberſchwenglichtroͤſtenden, unausſprechlichen Anblick. Seine Huͤter Jthuriel, und Orion umſchwebten Golgatha; und Jthuriel hielt ſich nicht mehr: Ach Orion, Welche Stunde meiner Unſterblichkeit! Jubel der Wonne Werden ihn oft uns wiederhohlen, ihn feyrend beſingen! Auferſtanden erſcheinet der Herr dem geretteten Suͤnder, Chriſtus Kephas! … Du fuͤhlſt, was ich empfinde, Geliebter, Unſerem Juͤnger! O komm, und freu dich in meiner Umarmung Deiner, und meiner Wonne! Geſuͤndigt haben, iſt furchtbar, Voll von Entſetzen, Jthuriel; und, an dem Suͤndeverſoͤhner, Und, zu der Zeit der Verſoͤhnung, und, als ein begnadigter Juͤnger! Koͤnnen wir uns kaum denken; allein die erweinte Vergebung So erlangen! … O Seraph, wie ſelig ſind die Verſoͤhnten! Mit den Worten des Engels verließ der Erſtandne den Huͤgel. Petrus ſah, und betet’ ihm nach mit gefalteten Haͤnden, Bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/172
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/172>, abgerufen am 29.03.2024.